Bayerns Interimstrainer Hansi Flick Der gute Mensch von München

Bayerns Interimstrainer Hansi Flick: "Ein überragend guter Mann für die zweite Reihe"
Foto: TF-Images/ Getty ImagesAuch wenn das nach außen hin nie so wirkte: Hans-Dieter Flick, den alle Hansi nennen, redet sehr viel, wenn auch meistens nicht sehr laut.
Der bisherige Co-Trainer des FC Bayern redete zum Beispiel mit Renato Sanches, als dieser sich im Sommer kurz noch einmal in den Vordergrund spielte. Er redete mit Javi Martínez, als dieser Anfang Oktober auf der Ersatzbank saß und angeblich weinte, weil er nie zum Einsatz kam. In fast jedem Training redet der 54-Jährige mit den Nachwuchs-Profis und zuletzt besonders viel mit Niko Kovac.
Flick ermutigt, Flick tröstet, Flick bindet ein, er machte bislang eben all das, was man von einem Co-Trainer erwartet: Er kümmerte sich darum, dass im Hintergrund alles so reibungslos lief wie möglich. Und er ging auch mal dahin, wo es gerade wehtat. Zum Beispiel am vergangenen Samstag, nach dem 1:5 bei Eintracht Frankfurt: an den Zaun, zu den erbosten Fans.

Übergangslösung, bis ten Hag kommt?
Nach der Trennung des FC Bayern von Kovac rückt Flick nun aber in eine für ihn ungewohnte Rolle: in die erste Reihe, als Interimstrainer. Die nächsten beiden Spiele der Bayern gegen Olympiakos Piräus am Mittwoch in der Champions League (18.55 Uhr/Liveticker SPIEGEL, TV: Sky) und am Samstag gegen Borussia Dortmund sind für den Klub richtungsweisend. Gelingt Flick eine fußballerische und emotionale Wende, könnte es sein, dass er länger Cheftrainer bleibt. Vielleicht sogar bis Saisonende, falls der Wunschkandidat erst im nächsten Sommer zu haben sein sollte. Der könnte Erik ten Hag heißen, aktuell Trainer von Ajax Amsterdam.
Hansi Flick gilt in der Fußballbranche als netter Mensch - und er hat einen sehr guten Leumund. Er gilt als äußerst kompetenter Fachmann, der im Hintergrund oft mehr Einfluss auf den Erfolg einer Mannschaft hatte, als auf den ersten Blick ersichtlich.
Im August 2006 wurde er Assistent des damals neuen Bundestrainers Joachim Löw. Aber ein reiner Hütchenaufsteller war Flick nie, er war Löws Korrektiv. Am WM-Triumph der deutschen Nationalmannschaft 2014 in Brasilien hatte er einen maßgeblichen Anteil: Flick überzeugte Löw, verstärkt auf Standardsituationen zu setzen und erdachte Varianten - ein Mittel, das der Bundestrainer davor eher verachtet hatte. Mit sechs von insgesamt 18 deutschen WM-Toren durch ruhende Bälle oder danach waren die Standards ein Schlüssel zum Titelgewinn.

Mann im Hintergrund: Am WM-Triumph der deutschen Nationalelf 2014 hatte Hansi Flick (r.) großen Anteil. Er trainierte verstärkt Standardsituationen, die ein Schlüssel zum Titelgewinn waren.
Foto: Kai Pfaffenbach/ REUTERS"Er ist ein überragend guter Mann für die zweite Reihe, ein idealer Partner", heißt es aus dem DFB von jemandem, der damals dabei war und Flick seit Jahren kennt. "In der Position als Cheftrainer aber könnte er verbrannt werden. Für das Fußballgeschäft ist er vielleicht zu wenig eigensinnig."
Doch nun rückt Flick ausgerechnet beim kriselnden FC Bayern in die erste Reihe - einem Klub, der durchaus für eigensinnige Köpfe bekannt ist. Die Vereinsführung hatte ihn im Sommer als Wunschkandidaten von Kovac verpflichtet, nachdem dessen voriger Co-Trainer Peter Hermann gegangen war. Ausnahmsweise waren sich die Granden der Bayern mal einig: Präsident Uli Hoeneß nannte es eine "sehr gute Entscheidung", Flick zu holen, Bayerns Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge bezeichnete Flick damals als "wichtigen Neuzugang" und "große Hilfe für Niko".
Klose soll Flicks zweiter Assistent werden
Erfahrung als Cheftrainer hat Flick allerdings kaum - nur bei der TSG Hoffenheim, wo er aber nicht über die dritte Liga hinauskam und 2005 schon wieder gehen musste. Einmal vertrat er Löw bei der EM 2008: Im Viertelfinale gegen Portugal war Löw gesperrt, Flick führte die deutsche Elf zu einem 3:2. Zwar heißt es, dass sich Flick zumeist in der Rolle des Schattenmanns im Hintergrund wohl fühle, doch beim DFB hatten sie seinerzeit durchaus den Eindruck, dass Flick irgendwann als Cheftrainer würde arbeiten wollen.
Bei den Bayern bekommt Flick jetzt viel Erfahrung an die Seite gestellt: Hermann Gerland, seit 2001 im Dienste des FC Bayern, Co-Trainer von Jupp Heynckes, Louis van Gaal, Pep Guardiola sowie Carlo Ancelotti und zuletzt Leiter der Akademie, wird eine der zwei frei gewordenen Co-Trainer-Stellen übernehmen. Außer Niko Kovac musste ja auch dessen Bruder Robert gehen (und Flick rückte auf). Der zweite Assistent soll nach Informationen des SPIEGEL Miroslav Klose werden.
Der 137-fache Nationalstürmer und WM-Rekordtorschütze arbeitet derzeit noch als U17-Trainer beim FC Bayern und besitzt noch nicht die Fußball-Lehrerlizenz. Eine Beförderung zur U19 hatte Klose im Sommer abgelehnt, weil er nach einem Jahr bei der U17 noch nicht bereit dafür war. Nun könnte der 41-Jährige eine neue Aufgabe bekommen. Perspektivisch gilt Klose aber durchaus als Mann für die erste Reihe.
Zwischen 1985 und 1990 Spieler beim FC Bayern
Für Flick beginnt nun ein neuer Abschnitt in seiner Karriere - ein Übergang von der einen in die andere Rolle. Das hat in der Vergangenheit nicht immer so gut funktioniert: Nach der WM 2014 wurde Flick Sportdirektor beim DFB. Im Januar 2017 verließ er den Verband auf eigenen Wunsch, wohl auch weil er das Gefühl hatte, seine Ideen nicht in der Geschwindigkeit umsetzen zu können, die er sich wünschte. Im Juli 2017 wurde der gebürtige Heidelberger Geschäftsführer bei der TSG Hoffenheim. Aber nach acht Monaten war dort Schluss. Danach wurde es ruhig um Flick, bis die Bayern ihn verpflichteten.
"Als die Anfrage kam, musste ich nicht lange überlegen", sagte Flick Ende Juni zu seiner Verpflichtung, "Bayern München ist ein Verein, der mir am Herzen liegt, eine Topadresse." Für Flick war das eine Rückkehr, denn der Mittelfeldspieler kickte zwischen 1985 und 1990 für die Münchner, geholt vom damaligen Manager Uli Hoeneß. Hier wurde er viermal Deutscher Meister. Unter Heynckes bestritt er im Mai 1990 sein letztes Spiel für die Bayern: gegen Borussia Dortmund. Die Bayern gewannen 3:0.