Bayern-Pleite in Rostow Ancelotti und die Winterschläfer

Robert Lewandowski
Foto: Joosep Martinson/ Bongarts/Getty ImagesAusgangslage: Verfolger in der Bundesliga und Champions League, der FC Bayern befindet sich aktuell in ungewohnter Rolle. Und nun die lästige Pflichtaufgabe im bitterkalten Rostow am Don, Kontrastwelt in der glamourösen Königsklasse. Dass der FK, Russlands Tabellensechster, nach dem 0:5 im Hinspiel erneut Kanonenfutter für gereizte Bayern sein würde, war unwahrscheinlich. Bayern stand bereits im Achtelfinale und Trainer Carlo Ancelotti nominierte nicht seine beste Elf, um Kräfte zu sparen und wissend, dass eine Niederlage gegen Leverkusen am Samstag (18.30 Uhr, High-Liveticker SPIEGEL ONLINE) ihm eine ungemütliche erste Adventsfeier bereiten würde. Zumal es mit der Rückkehr von Uli Hoeneß am Freitag als Klubpräsident wieder lauter werden dürfte.
Ergebnis: Bundesliga-Generalprobe gründlich vermasselt. Bayern verliert 2:3 (1:1). Hier lesen Sie den Spielbericht.
Startaufstellungen
Rostow: Dschanajew - Kalatschou, Mevlja, Navas, Granat, Kudryashov - Erokhin, Gatcan, Noboa - Azmoun, Poloz
München: Ulreich - Rafinha, Boateng, Badstuber, Bernat - Lahm, Thiago, Renato Sanches - Costa, Lewandowski, Ribéry
Die erste Hälfte: Die hochstehenden Münchner gelangten gegen sehr defensive Russen kaum in die Tiefe und probierten es vorwiegend mit Fernschüssen und Flanken. Ziemlich einfallslos. Gefährlicher wurde es auf der Gegenseite, als Holger Badstuber einen langen Pass unterschätze und Sven Ulreich zu zögerlich aus seinem Tor kam (9. Minute). Immer wieder offenbarte die Bayern-Defensive Schwächen und immer wieder schoss Douglas Costa aus der Distanz: In der 35. Minute mal mit Erfolg, nachdem der Brasilianer in der rechten Strafraumhälfte freie Bahn hatte. Wer glaubte, Bayern würde das Ergebnis locker verwalten, irrte: Sardar Azmoun traf zum 1:1 (44.) nach einem schweren Fehlpass von Costa.
Die zweite Hälfte: Begann mit schockierten Bayern. Leichtes Vergehen von Jérôme Boateng im Strafraum, Elfmeterpfiff, verwandelter Strafstoß von Dmitri Poloz - 2:1 für Rostow (49.). Juan Bernat hatte die passende Antwort mit einem harten Schuss unter die Latte (52.). Der FCB gewann aber auch in der Folge nicht an Sicherheit, machte weiter Fehler und ließ Chancen zu. In der 67. Minute kassierte der Rekordmeister das 2:3 durch ein Freistoßtor von Christian Noboa. Ulreich kam zu spät. Mit der Einwechslung von Thomas Müller (73.) kam nochmal Schwung auf, die Niederlage konnte aber auch er nicht verhindern.
Vertreter des Spiels: Ulreich hatte im Sommer 2015 wohl seine Gründe, sich als 26 Jahre alter Bundesliga-Stammkeeper dem FC Bayern anzuschließen. Ob es die Titelgarantie, ein üppiges Gehalt oder Josep Guardiola als Trainer war? Alles jedoch ohne Aussicht auf einen Platz in der ersten Elf, gegen Welttorhüter Manuel Neuer hat Ulreich keine Chance. In Rostow feierte Ulreich seinen vierten Pflichtspieleinsatz, ohne dabei zu glänzen. Im Gegenteil, ein bisschen mehr Spielpraxis würde ihm guttun. Noch ist er im besten Torwartalter.

Müller-spielt-immer: Der einstige Grundsatz von Louis van Gaal galt bereits unter Guardiola nur unregelmäßig. Noch schwerer tut sich Ancelotti mit dem unkonventionellen Müller. Ob gegen Mönchengladbach, in Augsburg, Hoffenheim oder nun in Rostow - zuletzt setzte der Italiener den in der Liga noch torlosen Stürmer immer häufiger auf die Bank. In der 73. Minute kam Müller, doch ein Joker war er nie. Sein bisher letzter Treffer nach Einwechslung gelang ihm am 19. Februar 2014 gegen den FC Arsenal.
Erkenntnis: Die Chance auf ein Endspiel um den Gruppensieg hat der FC Bayern verspielt. Atlético Madrid gewann am Abend gegen Eindhoven und ist uneinholbar weggezogen. Zeit zum Ärgern gibt es aber nicht, denn nach drei Jahren ohne Gegner in der Bundesliga steht dort viel auf dem Spiel.
Erkenntnis II: Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge sprach zuletzt immer häufiger über die Gründung einer Europaliga, mit den besten Teams des Kontinents. Jetzt ist Rostows Sieg gegen Bayern sicher kein Beweis dafür, dass das Gefälle zwischen Top-Klubs und dem Rest kleiner wird. Doch derartige Überraschungen tun dem Fußball gut. Und wenn man sieht, dass die Russen nach dem Spiel Tränen in den Augen hatten, darf man sich auch ein bisschen über die kleine Sensation freuen.