Bayern-Pleite beim BVB FC Leerlauf München

Bayern-Pleite beim BVB: FC Leerlauf München
Foto: INA FASSBENDER/ REUTERSAls der letzte Pfiff des Abends verklungen war und feststand, dass es keine Möglichkeit mehr geben würde, den Rückstand doch noch irgendwie aufzuholen, sank Mario Gomez in die Knie. Der sonst so kraftstrotzende Nationalspieler war das Sinnbild eines Verlierers. Zusammengekauert hockte der Stürmer auf dem Rasen, wo er fast eine Minute verharrte. Zuerst ging Dortmunds Torhüter Roman Weidenfeller zum Gegner, um ihm zurück in eine aufrechte Position zu helfen. Das Unterfangen war genauso vergeblich wie der spätere Versuch von BVB-Verteidiger Lukasz Piszczek. Erst als der Kollege Bastian Schweinsteiger Gomez unter die Arme griff, raffte der sich auf, um sich in die Kabine zu trollen.
Auf der anderen Seite der mächtigen Dortmunder Arena feierten die Fans auf der Südtribüne die Männer in Schwarz-Gelb. Minuten zuvor hatten Tausende auf den Rängen mit weißen Taschentüchern gewedelt, um den Bayern den Weg nach Hause zu weisen. Eine Demütigung für den Meister, der zu Beginn des Herbstes weiter in die Krise gerutscht ist. Nach dem 0:2 (0:0) in Dortmund durch Lucas Barrios und Nuri Sahins zauberhaften Freistoßtreffer wird der Branchenprimus ganze zehn Punkte hinter dem BVB geführt. Und, man mag es kaum glauben: Mit gerade einmal fünf erzielten Treffern in sieben Partien verfügt der Rekordmeister über die schlechteste Offensive der Liga.
Bayern-Präsident Uli Hoeneß hatte schon vor der Dienstfahrt in den Pott betont, er sei "etwas besorgt". Es müsse unbedingt ein Sieg her, "sonst wird es sehr schwer, die große Punktdifferenz bis Weihnachten noch aufzuholen". Genau diese Situation ist nun eingetreten, vom typisch bayerischen "mia san mia" sind die sonst von sich so überzeugten Münchner ein gewaltiges Stück entfernt.

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Stattdessen üben sie sich in der bayerischen Hauptstadt in Demut, der Trainer Louis van Gaal Ausdruck verlieh, indem er die signifikante Abschlussschwäche seines Teams in den Fokus stellte: "Ich kann immer nur das Gleiche sagen", betonte der Holländer: "Wir haben vier, fünf gute Chancen und wir machen das Tor nicht." Van Gaal hat in den vergangenen Wochen die Binsenweisheit, dass es ohne Tore keine Siege gibt, wie ein Mantra vor sich hergetragen. Das mag man als phantasielos geißeln, doch wer die Bayern in Dortmund in der ersten Halbzeit agieren sah, kann dem Mann auf der Bank nur recht geben.
Dieses Mal hatte van Gaal Gomez den Vorzug im Sturm gegeben, dafür hatte er Klose und Olic auf die Bank beordert. Gomez, dieser chronisch glücklose Offensivmann, ist das beste Beispiel für die derzeitige Unpässlichkeit der Bayern. Immer bemüht, oft kurz davor, aber letztlich stets gescheitert. So agierte der 25-Jährige in Dortmund. Mal war es Versagen, mal eine Drehung zu viel oder - als er Roman Weidenfeller bereits überwunden hatte - schlicht Pech, dass der Ball von dessen Hacke über die Latte sprang.
"Der Gomez hat auch kein Tor gemacht"
Warum er den vom Unglück verfolgten Torjäger außer Dienst in die Anfangsformation gebracht habe, wurde van Gaal gefragt: "Die anderen haben keine Tore gemacht, deshalb habe ich ihm eine Chance gegeben." Und wie hat der gestrenge Trainer seinen Stürmer gesehen? "Der Gomez hat auch kein Tor gemacht."
Kapitän Mark van Bommel wähnte sich nach der drückend überlegen geführten ersten Halbzeit mit über 60 Prozent Ballbesitz wie im falschen Film: "Wir haben fünf gute Chancen, die Dortmunder keine. Ich hatte das Gefühl, wir müssten das Spiel klar gewinnen." Eine trügerische Überzeugung, die das bayerische Starensemble ratlos zurückließ. "Auch zwei Meter vor dem leeren Tor können wir nicht treffen", haderte van Gaal: "Da kannst du als Trainer nichts mehr sagen, und deshalb muss ich jetzt den Mund halten."
Das Schweigen wird sich auf die Pressekonferenz beschränken, denn wenn die Bayern sich nach ihren Spielen mit diversen Nationalmannschaften wieder zu ihren Übungseinheiten an der Säbener Straße einfinden, gibt es erhöhten Diskussionsbedarf. Zum Beispiel will Kapitän van Bommel das Berufsethos seiner Kollegen auf den Prüfstand stellen: "Jeder einzelne Spieler muss sich hinterfragen: Macht er alles zu 100 Prozent für den Erfolg?"

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"Glücklicherweise sind wir hier nicht völlig behämmert"
Immer offensichtlicher wird, dass die Bayern zwar eine Vielzahl an überdurchschnittlichen Spielern aufbieten können, aber ohne ihre verletzten Superstars Arjen Robben und Franck Ribéry schnell an Grenzen stoßen. Wenn es mit dem Toreschießen nicht klappt, fehlt einer, der das Spiel allein durch seine individuellen Fähigkeiten in die richtige Richtung drehen kann. Noch muss ohne den pfeilschnellen Holländer und den quirligen Franzosen klarkommen. Die Konkurrenz darf also hoffen, dass der ewige Meisterschaftsfavorit bis zur Winterpause weiter Federn lässt. Bereits jetzt sind die sensationellen Mainzer und die Dortmunder ein gehöriges Stück enteilt.
Und das ist eine Situation, die zu Träumen anregt.
Auf den Rängen des Dortmunder Stadions feierten sie enthusiastisch und stellten singend die Frage: "Wer wird Deutscher Meister?", um in der nächsten Textzeile die Antwort zu liefern: "BVB Borussia!" Die Spieler lassen sich auf diesen Exkurs nicht ein, sondern halten sich an die offizielle Sprachregelung, die das Wort mit dem großen M zum Tabu erklärt. Stattdessen hatte sich Mats Hummels dazu entschlossen, den Moment zu genießen und von der begeisterten Atmosphäre zu schwärmen: "Es kribbelt", sagte der Innenverteidiger nach dem Abpfiff: "Was hier los ist, ist einzigartig in Fußball-Deutschland."
Tatsächlich feierten sie in ein mitreißendes Fest, bei dem auch Jürgen Klopp freudig mit einstieg. Der Trainer hat nun fast zwei Wochen Zeit, um seine Erfolgstruppe auf die kommende Aufgabe in Köln einzustimmen. Und Klopp wird dafür sorgen, dass seine junge Belegschaft die Bodenhaftung behält. Gibt es denn wirklich keine Gedanken an das ganz große Ding mit der Schale? Nein, versichert Klopp voller Überzeugung: "Glücklicherweise sind wir hier nicht völlig behämmert."