Bayern-Trainer van Gaal Meistermacher statt Sommermärchen-Erzähler
Liebe Bayern-Fans, jetzt bitte nicht erschrecken: Aber mit Louis van Gaal als Trainer hat sich der Verein sozusagen einen niederländischen Jürgen Klinsmann eingekauft. Auch einer mit einem festen Konzept im Kopf, das er mit der entsprechenden Sturheit verfolgt, auch einer, der den Verein, bei dem er arbeitet, am liebsten komplett umkrempeln würde, auch einer, der den Fußball auf gewisse Weise revolutionieren will.

Bayern-Trainer van Gaal: "Ich bin der Beste"
Foto: DPAEiner, der 1996 als Erfolgscoach von Ajax Amsterdam den bemerkenswerten Satz gesagt hat: "Wir arbeiten jeden Tag, um uns zu verbessern" - was ja nur die Übersetzung des Klinsmannschen Diktums ist, jeden Spieler jeden Tag ein bisschen besser machen zu wollen.
Der Unterschied zu Klinsmann: Van Gaal hat schon oft bewiesen, dass sein Konzept im Vereinsfußball funktioniert. Champions-League-Triumph, Uefa-Cup-Sieg und drei Meisterschaften mit Ajax Amsterdam, zwei spanische Landesmeistertitel mit dem FC Barcelona und - ganz frisch - die Meisterschaft in der Ehrendivision mit dem AZ Alkmaar. Aloysius Paulus Maria van Gaal ist ein Meistermacher, kein Sommermärchen-Erzähler.
Genaugenommen haben die Bayern zwei Louis van Gaals verpflichtet. Der eine ist der Lieblingsgegner der Medien, egal ob in den Niederlanden oder in Spanien, ein Choleriker gegenüber Journalisten und Kameraleuten, gefürchtet für seine Wutanfälle, der sich selbst als "arrogantes Arschloch" bezeichnet hat. Das ist der van Gaal der Außendarstellung, und als Münchner Journalist sollte man sich nicht wünschen, van Gaal und Bayern-Manager Uli Hoeneß gleichzeitig als Feind zu haben, wenn einem das eigene Leben lieb ist.
"Der ist für euch"
Der andere van Gaal ist der, der nach innen wirkt. Der sich geradezu rührend um seine Spieler kümmert, gerade um die Jüngeren, die es noch nicht zu Ruhm gebracht haben. Der sich mitfühlend nach ihrem Privatleben erkundigt, der auch den niederrangigsten Vereinsangestellten mit ausgesuchter Freundlichkeit behandelt.
Immer wieder gern erzählt ist die Anekdote, wie van Gaal den frisch gewonnenen Champions-League-Cup mit Ajax Amsterdam den Waschfrauen des Vereins vorbeibrachte mit den Worten: "Der ist für euch." Fast kein Spieler, der je unter ihm trainiert hat, findet böse Worte für den 57-Jährigen.
Was nicht heißt, dass van Gaal als Trainer die individuelle Note seiner Spieler betont. Im Gegenteil: Was die Nostalgiker gerne mit holländischem Fußball verbinden, den sogenannten "voetbal totaal", offensiv, mit Sturm und Drang nach vorn, hat zunächst einmal nichts mit dem zu tun, was van Gaal unter Erfolgsfußball versteht. Der Coach hat damals bei Ajax vielmehr den Systemfußball perfektioniert.
Bis zum Erbrechen wurden und werden bei ihm Spielzüge im Training geübt wie auf dem Reißbrett. Der englische Journalist David Winner, einer der besten Kenner des niederländischen Fußballs, hat mal zu van Gaal angemerkt, er verstehe "Fußball beinahe ausschließlich als hochorganisiertes Kollektivunternehmen", er sei der "Schöpfer der Fußball-Maschine".
Mit Hollands Stars gescheitert
Wer Starallüren zeigt, wer da aus der Reihe tanzt und sich den taktischen Vorgaben des Trainers nur ansatzweise entzieht, hat bei van Gaal keine Chance und sollte sich schleunigst einen neuen Verein suchen. Deswegen war er mit den jungen hungrigen Ajax-Spielern wie Reizinger, van der Sar, Bogarde, Overmars oder Kluivert Mitte der Neunziger so erfolgreich. 20-Jährige, die ihrem Meister an den Lippen hingen.
Als sie später zu Superstars des europäischen Fußballs aufstiegen und 2001 noch einmal unter van Gaal in der Nationalelf zu trainieren hatten, funktionierte es nicht mehr. Holland scheiterte kläglich in der WM-Qualifikation, und van Gaal attestierte ihnen nur noch Dekadenz, Faulheit und Arroganz. Er wird harte Arbeit von den Bayern-Spielern verlangen, gleichgültig, ob sie nun Luca Toni heißen oder Christian Lell.
Bei Alkmaar in der niederländischen Provinz hatte er jüngst wieder so eine Truppe, die bei allem mitzog, was der Chef vorgab. Van Gaal hat, egal wo er war, immer den Anspruch angemeldet, der uneingeschränkte Boss zu sein. An der Säbener Straße in München werden sie sich darauf einstellen müssen. Die Gemengelage beim FC Bayern, wo jeder liebend gerne mitredet, von Hoeneß und Beckenbauer über Rummenigge bis hin zu Urgestein Udo Lattek, dürfte ihm allerdings trotzdem bekannt vorkommen: In seiner Heimat hat schließlich Fußballdenkmal Johan Cruyff über Jahrzehnte den holländischen Beckenbauer gegeben und den van Gaals, Beenhakkers und Hiddinks via Fernsehen und Boulevardpresse viele, viele ungebetene Ratschläge gegeben.
Dem selbsternannten Fußball-Revolutionär Klinsmann wurde durch die bayerischen Verhältnisse das Rückgrat gebrochen. Dass dies auch van Gaal passiert, kann man sich bei dem Selbstbewusstsein des Niederländers nicht vorstellen. Schließlich hat er ja nach dem Titelgewinn mit Alkmaar schon mal deutlich gemacht, was er von seinen Fähigkeiten als Trainer hält: "Ich bin der Beste."