Derby zwischen Hertha und Union Berliner Kluft

Dit is Berlin - auch wenn Union und Hertha mehr als nur 25 Kilometer Luftlinie trennen
Foto: Matthias Kern Getty ImagesIn der kommenden Woche wird in Berlin, das sich auch Partyhauptstadt nennt, mal wieder durchgefeiert. Es gibt Hunderte Veranstaltungen zum 30. Jahrestag des Mauerfalls am 9. November, Gesprächsrunden, Ausstellungen, Lichtinstallationen, an jeder Ecke der Stadt, in jedem Festsaal, draußen und drinnen wird der Wiedervereinigung gedacht. Am Brandenburger Tor wird musiziert, die Spree wird illuminiert, die S-Bahn verkauft Mauerfall-Sondertickets, der anschließende Sonntag ist verkaufsoffen, selbst das wurde mit dem Jahrestag begründet.
Am 9. November spielt auch die Fußball-Bundesliga, es ist schließlich ein Samstag. Die Liga hat erstmals seit vielen Jahren wieder zwei Berliner Vereine, einen aus dem tiefen Westen und einen aus dem tiefen Osten der Stadt. Ihr allererstes Bundesliga-Derby spielen Hertha BSC und der 1. FC Union aber nicht an jenem historischen Tag, sondern eine Woche früher. Nämlich bereits an diesem Samstag (18.30 Uhr; Liveticker SPIEGEL; TV: Sky) in der Wuhlheide. Eine verpasste Gelegenheit?

In der Stadt vereint, im Maskottchen getrennt: Herthas Hertinho
Foto: Andreas Gora DPAWenn es nach Hertha BSC geht, dann ja. Schon kurz nachdem der Erstligaaufstieg von Union feststand, war man im Westend mit der Idee an die Öffentlichkeit gegangen, das Spiel Berlin (West) gegen Berlin (Ost) am 9. November auszutragen: "Ein fantastischer Tag für das Berliner Derby", preschte Hertha vor und spielte den Ball damit Richtung Köpenick.
Um dort gegen geschlossene Türen zu laufen. Bei Union konnte man dieser Idee nichts abgewinnen. Präsident Dirk Zingler äußerte sich in der "Berliner Zeitung": "Für mich ist das ein Derby, das steht für Rivalität, für Abgrenzung. Und für Fußball-Klassenkampf in der Stadt. Diesem Spiel eine Art Freundschaftsspielcharakter zu geben, nach dem Motto: Wir spielen jetzt hier einen auf deutsche Einheit, das finde ich absurd."
"Reine Symbolpolitik"
Und im Union-Blog "Textilvergehen", so etwas wie die inoffizielle Stimme der Fans, wurde der Vorstoß von Hertha als "schräg" und "reine Symbolpolitik" bezeichnet : "Der Fußball hat für den 9. November exakt nichts getan und keine tragende Rolle gespielt", heißt es da mit dem süffisanten Zusatz: "Wir brauchen kein Spiel an einem besonderen Tag, damit diese Partie Bedeutung erlangt. Dafür reicht ein Ergebnis." Illustriert mit einem Bild von der Anzeigetafel des Olympiastadions aus dem Spiel, als Hertha und Union in der 2. Liga 2011 schon mal aufeinandertrafen: Hertha 1. Union 2.

In der Stadt vereint, im Maskottchen getrennt: Unioner Keule
Foto: Boris Streubel Getty ImagesHertha und Union liegen eben nicht nur stadtgeografisch maximal weit auseinander, 25 Kilometer Luftlinie sind es zwischen Olympiastadion und Alter Försterei, hat der "Tagesspiegel" ausgerechnet. Kulturell und von der Mentalität her kommen wohl noch ein paar Hundert Kilometer hinzu.
Das führt in diesem Fall zu der bemerkenswerten Situation, dass der Ostklub das Feld in Sachen Gedenken zum Mauerfall freiwillig und nahezu vollständig dem Westklub überlässt. Hertha hat diese Lücke dankbar besetzt. Der Verein, der mit seinen Kampagnen in der Vergangenheit zwar Öffentlichkeit erzielte, aber nicht unbedingt die eigenen Fans erreichte, hat pünktlich zum Jahrestag eine neue Werbeoffensive gestartet. Motto: "Wir sind ein Berliner." Ein Mix aus John F. Kennedys "Ich bin ein Berliner" und dem "Wir sind ein Volk" der Einheitsbewegung.
Torwandschießen an der East Side Gallery
Zum Kampagnenstart besuchte die Mannschaft die Mauer-Gedenkstätte an der Bernauer Straße, anschließend wurden die Spieler zur East Side Gallery gekarrt, wo sie auf ein Original-Mauerstück Torwandschießen veranstalteten: In die Mauer hatte man zuvor zwei Löcher gebohrt, eins links oben, eins rechts unten. Anschließend wurden die mit dem Hertha-Schriftzug versehenen Mauerstücke in der Stadt aufgestellt und sollen laut Verein "als Bildmotiv dienen". Selfie-Service.
Mit der Werbeaktion "unterstreichen wir sowohl den Einheitsgedanken der Stadt als auch die Ausrichtung im Verein für Gesamtberlin", sagt Herthas Marketing-Abteilungsleiter Daniel Schmid. Auf der Website präsentiert sich Hertha mit dem Satz: "Berliner Mauer ist, wenn die Stadt geschlossen zusammensteht."
Die Hertha tritt jetzt am 9. November im Olympiastadion statt gegen Union gegen RB Leipzig an. Das ist dann sozusagen das Zugeständnis der Deutschen Fußballliga (DFL) an das Jubiläum, der Hertha also den Verein als Gast zu bescheren, der sich selbst als Repräsentant des Ostens zelebriert und damit vor allem die Unioner erbost. Hertha brachte für die Partie 1989 "Mauerfall-Tickets" für lediglich acht Euro in den Vorverkauf, der Slogan: "Ticketpreise wie vor 30 Jahren". Da wird man tatsächlich sentimental.
Damit nicht genug: Die Berliner werden an diesem Tag zudem in Extra-Trikots auflaufen und zwar in dem Dress, den die Mannschaft vor 30 Jahren beim ersten Heimspiel nach dem Mauerfall am 11. November 1989 trug: schlicht weiß mit einem Berliner Bären auf der Brust. Allein der Gegner macht das damalige Spiel historisch: Wattenscheid 09 ist seit der Vorwoche in der Insolvenz verschwunden. Ergebnis damals 1:1, Tore Jörg Bach und Sven Kretschmer. Wie es heißt, sei die Nachfrage nach dem Trikot sehr hoch, die erste Auflage sei bereits ausverkauft.
Als die Diskussion um ein mögliches Derby am Mauerfall-Tag aufkam, twitterte der 1. FC Union über seinen offiziellen Vereins-Account: "Also uns ist der Gedenktag zum Mauerfall zu wichtig, wir wollen an diesem historischen Tag nicht Fußball spielen." Union spielt am 9. November um 15.30 Uhr bei Mainz 05.