BVB schlägt Leverkusen nach Terzićs Umstellungen Tüfteleien und Kobelaufgaben

Jubelt er noch – oder gibt er schon wieder Anweisungen? In offensiverer Rolle lenkte Jude Bellingham das Dortmunder Spiel gegen Leverkusen
Foto: Lars Baron / Getty ImagesDieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Die Szene des Spiels: Der Fußball ist ein Präzisionssport. Nicht selten machen Zentimeter den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage aus: Abseitsstellungen, Schnittstellenpässe – man kennt das. Für die Zentimeter, die an diesem Sonntagabend zwischen Bayer Leverkusen und einer Chance gegen den BVB standen, konnte Bayer–Profi Nadiem Amiri nichts: Seine 1,80 Meter waren um die sprichwörtliche Haaresbreite zu wenig, um eine perfekte Spielverlagerung Jude Bellinghams auf den rechten Dortmunder Flügel per Kopf noch zu stoppen. Dort nahm das Unheil seinen Lauf, Marius Wolfs Hereingabe drückte Edmond Tapsoba im Zentrum unglücklich über die eigene Torlinie (53. Minute).
Das Ergebnis: Als unglücklich darf auch das 0:2 (0:1)-Endergebnis aus Bayer-04-Sicht gelten, die erste Niederlage nach zuvor fünf Siegen am Stück. Borussia Dortmund indes hat im Kalenderjahr neun von neun möglichen Punkten geholt und liegt als Vierter nur noch drei Punkte hinter dem FC Bayern München. Hier lesen Sie den Spielbericht.
Haller: Eins, Krebs: Nuuull: Sowohl Xabi Alonso als auch Edin Terzić tüftelten ein wenig an ihren zuletzt so erfolgreichen Startformationen. Die Maßnahmen des BVB-Trainers waren wohl die bemerkenswertesten – allen voran vorn in der Sturmspitze: Nach überstandener Hodenkrebs-Erkrankung gab Sébastien Haller sein Startelfdebüt für die Dortmunder. Der 28-Jährige schoss nicht ein mal aufs Tor, blockte aber vor der Führung den Passweg in Richtung Karim Adeyemi frei und setzte vor dem 2:0 Tapsoba entscheidend unter Druck.

Zurück im Getümmel: Sébastien Haller setzt sich gegen Leverkusens Robert Andrich zur Wehr
Foto: THILO SCHMUELGEN / REUTERSDie Zehner des Spiels: Mit der Hereinnahme Hallers ist jedoch noch kaum die Hälfte der Dortmunder Anpassungen erzählt. So rückte Jude Bellingham nach abgesessener Gelbsperre zurück in die Startformation – aber nicht auf die Doppelsechs, von wo der Engländer zuvor neben Salih Özcan oder Emre Can das BVB-Spiel ankurbeln durfte. Nein, Terzić schob Aushilfs-Spielmacher Julian Brandt (der nebenher seine 50. Bundesliga-Vorlage beisteuerte) auf den rechten Flügel und setzte Bellingham im zentralen offensiven Mittelfeld ein. Eine Rolle, die der BVB-Youngster aus dem Nationalteam schon kennt – und die er auch gegen Leverkusen mit Eifer und Ideenreichtum ausfüllte. Wie lange er sie behalten darf, ist offen: Kurz vor Spielschluss feierte Stamm-Zehner Marco Reus nach Sprunggelenksproblemen sein Comeback von der Bank.
50 - Julian Brandt sammelte heute seine 50. Torvorlage in der #Bundesliga, seit Beginn det. Datenerfassung 2004/05 waren nur Thomas Müller (25 Jahre 3 Monate 6 Tage) und Marco Reus (26J 8M 13T) jünger als Brandt (26J 8M 27T), als sie diese Marke erreichten. Jubiläum. @BVB #B04BVB pic.twitter.com/pWYn8UWXR5
— OptaFranz (@OptaFranz) January 29, 2023
Wo gekobelt wird, fallen keine Tore: Dass Terzićs Umstellungen als Erfolg gelten dürfen, verdankt der BVB-Trainer allerdings insbesondere auch einem Mann, dem nicht ganz zufällig seit Kurzem nachgesagt wird, Ligaprimus Bayern München habe ein Auge auf ihn geworfen: Gregor Kobel war stets zur Stelle, wenn es für den BVB brenzlig wurde. Und das wurde es oft: Als Florian Wirtz Moussa Diaby in die Tiefe schickte (16.), bei Diabys zweiter Großchance (48.), beim Kopfball von Amine Adli (57.) – immer reagierte Kobel klasse. Dass der BVB trotz offensiver Ladehemmung und einer Abwehr, die Spiel pro Spiel viel zulässt, noch immer so gut dasteht, hat er vor allem dem Schweizer zu verdanken.

Ist er der beste Schlussmann der Liga? Gregor Kobel parierte erneut glänzend
Foto: Marius Becker / dpaDer Schnellzug ist angekommen: Jung-Nationalspieler, 30 Millionen Euro Ablöse: Die Erwartungshaltung, mit der Karim Adeyemi im Sommer zum BVB gewechselt war, war keine geringe. Noch undankbarer wurde sie, als Haller erkrankte und Stürmer Adeyemi plötzlich weit draußen auf dem Flügel spielen musste, um Ersatzmann Anthony Modeste mit Flanken zu bedienen, wo der 20-Jährige doch selbst lieber den Abschluss sucht. Gegen Leverkusen fand Adeyemi diesen auch erstmals erfolgreich: Nach Doppelpass zwischen Bellingham und Brandt erzielte der Youngster seinen ersten Bundesliga-Treffer (33.). Ob es nun so weiter geht? Auch in Sachen Defensivfleiß war der Auftritt Adeyemis jedenfalls eine Bewerbung um weitere Chancen.
Breiter, immer breiter: Was den BVB-Außen ebenfalls zugutekommen dürfte, ist die Neubesetzung der Außenverteidiger-Positionen: Wolf glänzte rechts mit Fleiß, Tempo und wichtigen Ballgewinnen, links bewies Winter-Zugang Julian Ryerson seine Flexibilität. Zum ersten Mal in dieser Saison hatte der BVB somit auf beiden Abwehrseiten Spieler aufgeboten, die die athletischen und spielerischen Voraussetzungen mitbringen, selbst bis in die letzte Linie draußen auf dem Flügel eine offensive Option zu sein, das Spiel so breit zu machen und die gegnerische Formation auseinanderzuziehen. In einer Mannschaft, in der kein gelernter Außenstürmer Stamm spielt, sind das wichtige Qualitäten.
Der Weg nach oben: Trotz des einseitigen Resultats zeigte auch dieser Schlagabtausch zwischen Bayer und Borussia einmal mehr: Wenn diese zwei Teams aufeinandertreffen, spielen zwei der besten Teams der Bundesliga gegeneinander. Dass diese immer noch nur auf Platz vier (BVB) und neun (Bayer) stehen, soll sich in der Rückrunde ändern. Die nächste Chance dazu haben die Dortmunder am Samstag (15.30 Uhr), wenn sie den SC Freiburg zum Spitzenspiel empfangen. Leverkusen tritt schon am Freitag (20.30 Uhr) beim Tabellen-14. FC Augsburg an.