Erstes Frauenfußballteam des BVB Leben in Schwarz-Gelb
Noch wirkt die Stimmung entspannt. Dabei kann dem BVB und mit ihm Luisa Bergmann in wenigen Stunden Historisches gelingen.
Luisa Bergmann, Spielerin des BVB:
»Wir haben die Chance, das erste Mal einen Titel zu holen. Auch wenn es nur der Kreisligameister-Titel, ist es trotzdem der erste Titel in der Geschichte von Borussia Dortmund mit einem Frauenteam. Das ist der Wahnsinn, dass man das miterleben darf, das ist wirklich so.«
Erst vor einem Jahr hat der BVB ein Frauen-Fußballteam gegründet – und das startet ganz unten. Langfristig will der Verein in die Bundesliga, jetzt will er die Meisterschaft in der Kreisliga gewinnen. Es fehlt nur noch ein Sieg, und der Tabellenzweite Ay Yildiz Derne ist zu Gast.
Rückblick. Anderthalb Wochen vor dem Spitzenspiel. Die Vorbereitung auf den ersten Meilenstein beginnt. Training in der Profiakademie, im Schatten des Dortmunder Stadions.
Szene Thomas Sulewski, BVB-Trainer:
»Ja Mädels konzentriert euch, Präzision geht hier vor Kraft bei der Übung.«
Der BVB in der Kreisliga – das ist ein spannender Spagat. Borussia Dortmund ist ein Profiverein, bietet Strukturen, die mit der Kreisliga eigentlich nichts zu tun haben, vom perfekten Trainingsplatz über das Trainerteam bis hin zur erstklassigen Ausstattung.
Gleichzeitig ist es für den Moment Kreisliga, keine Spielerin bekommt Geld, Fußball ist für sie alle ein Hobby – und der Verein eine Leidenschaft.
Luisa Bergmann, Spielerin beim BVB:
»Immer noch ein Wahnsinnsgefühl von Minute eins. Manchmal auch unfassbar tatsächlich. Also ich muss mich manchmal immer wieder daran erinnern, was hier eigentlich grad passiert.«
Thomas Sulewski, BVB-Trainer:
»Da ich in den Dortmund geboren bin , mal früher hier gespielt habe, in der Stadt wohne, den Verein liebe, ist das einfach ein unglaubliches Gefühl, Trainer bei Borussia Dortmund sein zu dürfen. Und dann natürlich auch ein historischer Trainer: der erste Trainer der Frauenmannschaft – eine coole Sache.«
Es war eine bewusste Entscheidung von Verein und Fans, dass man sich hocharbeitet und keine Lizenz eines hochklassigen Klubs kauft.
So aber ist der Weg in die Bundesliga weit. Der BVB muss sechsmal aufsteigen, braucht also selbst wenn alles perfekt läuft, sechs Jahre. Dabei ist der Verein schon sehr spät dran. Andere Profiklubs wie Bayern oder Wolfsburg sind bei den Frauen seit Jahren in der Bundesliga und international etabliert. Gerade in den unteren Ligen darf Dortmund jetzt nicht noch mehr Zeit verlieren.
Gelingt die Kreismeisterschaft, folgt ein Aufstiegsspiel. Der Sieger spielt im nächsten Jahr Bezirksliga. Erst dann wäre Schritt eins von sechs geschafft.
Thomas Sulewski, BVB-Trainer:
»Acht Monate sind wir jetzt zusammen und haben hart gearbeitet und viel Erfolg gehabt. Aber man kann sich das halt durch zwei Spiele, wenn sie nicht so laufen, wie sie laufen, im Arsch machen.«
Während des Trainings bricht der Abend ein. Luisa Bergmann gibt alles. Denn in den entscheidenden Partien will die defensive Mittelfeldspielerin unbedingt von Anfang an auf dem Platz stehen.
Luisa Bergmann, Spielerin des BVB:
»Das sind die schönsten Momente. Da, wo es wirklich um sehr, sehr viel geht, wenn du da von Anfang an dabei sein darfst, bist du noch ein Stück stolzer. Das sind die Momente, für die man kämpft die Tage davor.«
Bergmann ist schon seit vielen Jahren Fan der Borussen, genau wie ihre Mitspielerinnen. Mittlerweile arbeitet die 28-Jährige in der Geschäftsstelle des Vereins. Seit einem knappen Jahr spielt sie nun auch noch im schwarz-gelben Trikot.
Luisa Bergmann, Spielerin des BVB:
»Mittlerweile ist es 24/7 bei mir Schwarz-Gelb.«
Beim BVB betreut sie vor allem digitale Projekte wie Newsletter, Gewinnspiele, Umfragen. Als das Thema Frauenfußball im Verein 2020 ernst wurde, engagierte sie sich in der Arbeitsgruppe – und bewarb sich für die erste Frauenmannschaft in der Vereinsgeschichte.
Sie schaffte es zu einem von zwei Sichtungstrainings mit je 25 Spielerinnen – dann folgte die Kader-Benennung.
Bergmann zeigt uns ein Video von dem Moment, in dem sie erfuhr, dass sie dabei ist.
Thomas Sulewski, BVB-Trainer:
»Ja, schau mal an die Wand und dann wollten wir dich eigentlich fragen, ob du Lust hast dabei zu sein.«
Luisa Bergmann, Spielerin des BVB:
»Ja sehr gerne. Boah ich freu mich voll. «
Luisa Bergmann, BVB-Spielerin:
»Ich fühle den Moment immer noch. Ja, komplett. Das war einfach überwältigend, ne.«
Luisa Bergmann, Spielerin BVB:
»Ja mit der beste Feierabend, den ich je hatte, glaube ich.«
Jeder Aufstieg der Mannschaft erhöht die Anforderungen für die Spielerinnen – und den Druck. Der BVB wird harte, leistungsorientierte Entscheidungen treffen müssen. Und zwar schon im Sommer: Der Verein gründet eine zweite Mannschaft und wird festlegen müssen, wer den historischen Weg weiter mitgehen darf – und wer in der Kreisliga bleibt.
Bergmann gehört mit 28 Jahren bereits zu den älteren Spielerinnen. Sie versucht, realistisch zu bleiben, wie weit es für sie selbst gehen kann.
Luisa Bergmann, Spielerin des BVB:
»So lange mich Borussia Dortmund spielen lassen möchte, mache ich das auch gerne. Ich habe vorher Landesliga regelmäßig gespielt, das wäre jetzt die Liga nach der Bezirksliga, das sollte hoffentlich auch noch drin sein, und dann gucken wir mal, wie weit es noch geht. Das Ziel ist ja langfristig Bundesliga. Und das kann ich jetzt hier schon sagen: Ich bin jetzt keine 1. Bundesliga-Spielerin.«
Mittlerweile ist es 21 Uhr, anderthalb Stunden hat sie im Training gekämpft. Wird es für die Startelf im entscheidenden Meisterschaftsspiel reichen?
Luisa Bergmann, Spielerin des BVB:
»Ja, also ich hatte schon bessere Trainingseinheiten, bin ich ganz ehrlich. Ich hatte aber auch schon schlechtere. Ich denke, ich konnte in der einen oder anderen Szene zeigen, was meine Stärken sind. An der einen oder anderen Stelle ist es mir nicht so gelungen. Aber das ist halt so, das hat man mal. In der nächsten Trainingseinheit geht es weiter und dann wieder zeigen, dass man voll da ist.«
Spieltag – 665 Zuschauer sind auf das Trainingsgelände der Profis in Dortmund-Brackel gekommen. Das sind deutlich mehr als bei gewöhnlichen Kreisligaspielen.
Fans: »Borussia! Borussia!«
Thomas Sulewski, BVB-Trainer:
»Wir sind natürlich völlig dankbar darüber, dass wir sowas hier auch nutzen können. Das ist nicht Kreisliga-Style. Das ist schon was anderes.«
Und: Bergmann hat es geschafft, sie spielt von Beginn an.
Luisa Bergmann, Spielerin des BVB:
»Ich bin vielleicht nen Tick mehr nervös, nen Tick mehr angespannt. Aber alles im coolen Bereich, wenn man so sagen darf. Voller Vorfreude am Ende des Tages. Ich habe einfach Bock auf das Spiel jetzt, und kann jetzt endlich losgehen.«
Das Spiel startet perfekt.
Nach elf Minuten steht es 2:0, Bergmanns Ecke leitet den zweiten Treffer ein.
Die Dortmunder Torhüterin bekommt praktisch nichts zu tun. Alles läuft nach Plan. Die Führung bleibt bis zur Pause bestehen.
Noch genießen es andere Teams, gegen den BVB zu spielen, vor so einer Kulisse. Das geht auch Ay Yildiz und Trainer Halil Koyuncu so. Aber es ist auch paradox: Der BVB stärkt mit seiner Anziehungskraft den Frauenfußball in der Region – kostet kleineren Vereinen aber auch Zeit.
Halil Koyuncu, Trainer Ay Yildiz Derne:
»Unser Ziel war eigentlich auch dieses Jahr: Aufstieg. Wir stehen auf dem zweiten Platz. Wenn Dortmund nicht wäre, wären wir auf jeden Fall aufgestiegen, denke ich so. Weil: Dortmund ist einfach zu stark für die Kreisliga A.«
Das wird auch im nächsten Jahr so bleiben, wenn die zweite Mannschaft in der Kreisliga startet. Auch gegen dieses Team dürfte kein anderer Verein eine Chance haben. So legt der BVB den Dortmunder Amateurfußball der Frauen für einige Zeit lahm – bis er die untersten Ligen hinter sich gelassen hat.
Die zweite Hälfte. Der BVB legt nach. 3:0, 4:0, 5:0. Und das 6:0.
Nach 90 Minuten ist es amtlich: Borussia Dortmund holt den ersten Titel im Frauen-Fußball in seiner Vereinsgeschichte
Luisa Bergmann, Spielerin des BVB:
»Ich kann nicht mehr aufhören zu grinsen. Es ist wie als mir gesagt wurde, ich bin dabei. Jetzt kann ich nicht mehr aufhören zu grinsen, als wir es jetzt hier so erfolgreich über die Bühne gebracht haben.«
Den Erfolg wird die Mannschaft in einem Restaurant feiern – und am nächsten Morgen wird Luisa Bergmann als Kreismeisterin ins Büro zurückkehren, mit etwas Verspätung.
Luisa Bergmann, Spielerin des BVB:
»Ja, wer weiß, wie lange das heute geht? Da hab ich das vorsichtshalber mal morgen früh gesagt, ich komme ein bisschen später zur Arbeit. Ist vielleicht ganz wichtig, ja.«
Zu ausgelassen kann das Team aber noch nicht feiern: Ende Mai steht erst noch die eigentliche Aufgabe an, das Spiel um den ersten Aufstieg. Die BVB-Frauen gehen gerade die ersten großen Schritte von sehr vielen.