Gladbacher Remis gegen Juve Ovationen fürs Ausscheiden
Fußballtrainer stehen immer wieder vor der schwierigen Frage, wie genau sie reagieren sollen, wenn ihre Mannschaft zwar sehr gut gespielt hat, am Ende aber nicht das richtige Ergebnis steht. Das sehenswerte 1:1 (1:1)-Unentschieden zwischen Borussia Mönchengladbach und Juventus Turin war ein gutes Beispiel für diesen Zweispalt.
Die Borussia ist nach nur vier Spielen aus der Champions League ausgeschieden. Kann man eine Mannschaft trotzdem loben, ohne sich dem Vorwurf auszusetzen, nicht ehrgeizig genug zu sein? Oder hilft es einem Team eher, eine gewisse Wut zu entwickeln, um die Entstehung einer Siegermentalität zu fördern, in deren Mittelpunkt einzig und alleine der Erfolg steht? André Schubert hatte sich am Dienstagabend schnell für seinen Weg entschieden.
Der Gladbacher Interimstrainer überschüttete sein Team mit Liebe, Zuneigung und Anerkennung. Schubert feierte den "Einsatzwillen, die Disziplin und die Spielfreude" der Borussia, die Juventus Turin tatsächlich am Rande einer Niederlage hatte. Sie hatten in einigen Phasen einen großartigen Fußball gespielt, ein weiteres Tor hätte den Gladbachern die Chance eröffnet, doch noch das Achtelfinale zu erreichen. Und nach dem Abpfiff wurden sie mit Standing Ovations gefeiert, diese wohlwollende Reaktion des Publikum sei für ihn "der entscheidende Gradmesser", sagte Sportdirektor Max Eberl.

Die Arena war angefüllt mit exakt jener Stimmung, die unter Schubert entstanden ist, von einer Atmosphäre, in der der am Ende ziemlich anstrengende Perfektionismus des im September zurückgetretenen Lucien Favre dem Gefühl einer beflügelnden Freiheit gewichen ist. Das war Schuberts Erfolgsformel. Die folgende Episode seiner Geschichte auf der Gladbacher Trainerbank wird aber unter einer anderen Überschrift stehen: Der nächste Schritt.
Kann sich das Team jetzt weiterentwickeln?
Nachdem in den Wochen der Befreiung wieder alten Stärken freigelegt wurden, stellt sich nun die Frage, ob die Mannschaft sich weiterentwickelt. Ob sie in der Lage ist, neue Fähigkeiten zu entfalten, zum Beispiel das Gewinnen enger Spiele im Europapokal. "Vor ein paar Wochen hat man Abstiegsangst gehabt. Wenn die Leute heute nach Hause gehen und sagen, da war mehr drin, dann ist das wunderbar", sagte Schubert. Und tatsächlich zeigen sich gerade in der Serie internationaler Spiele unter dem 44-Jährigen deutliche Fortschritte.
In der Partie gegen Manchester City (1:2) wurden noch schlimme Fehler in der Defensive gemacht, in Turin (0:0) stand die Abwehr, Gefahr entwickelten die Gladbacher aber nicht. Am Mittwochabend stimmte nun fast alles. "Im Hinspiel haben wir wenige Aktionen nach vorne gehabt, das war heute anders", sagte Schubert. Nur der letzte Punch fehlte, obwohl die Borussia nach einer Roten Karte für Hernanes (53.) fast 40 Minuten lang in Überzahl spielte.
Der Einzige, der sich wirklich ärgerte, dass in dieser Zeit nur zwei gute Chancen herausgespielt und keine weiteren Tore erzielt wurden, war Ibrahima Traoré. "Es tut weh, dass wir nicht gewonnen haben, denn es wäre sicherlich mehr als ein Unentschieden für uns drin gewesen", sagte der Angreifer, und Schubert ergänzte: "Es wird jetzt Zeit, dass wir auch gegen diese Mannschaften gewinnen." Im nun anstehenden Heimspiel gegen den FC Sevilla können sie das nachholen und zumindest auf den dritten Platz springen, um die Chance auf ein Frühjahr in der Europa-League zu wahren.
Die richtige Arbeit für Schubert geht nun erst los
Und in der Bundesliga stehen der Klub und sein Trainer nach einer Phase der Befreiung vor der Herausforderung, eine langfristig tragfähige Mischung aus dem Lassez-faire und der Leichtigkeit der vergangenen Wochen und einem langfristig haltbaren Siegeswillen zu erschaffen.
Wenn man so will, beginnt nach Wochen der Extremsituationen zwischen tiefem Frust und befreiter Euphorie erst jetzt die Alltagsarbeit des Trainers André Schubert, die seine wahren Fähigkeiten zeigen wird. Vielleicht sind die kommenden weniger glanzvollen Gegner Ingolstadt, Hannover und Hoffenheim dazu genau richtig.
Die große Dauerfrage, ob Schubert nun von seinem Statuts als Interimstrainer in die Position eines langfristig angestellten Chefcoaches befördert wird, ist also weiterhin offen. In der Länderspielpause werde er die Eindrücke der zurückliegenden Wochen "sacken lassen", sagte Eberl, dann werden Gespräche geführt, "wir sehen, was passiert, registrieren das sehr wohlwollend und werden eine gute Entscheidung treffen", ließ der Sportdirektor wissen.
Schuberts Einfluss, die Handschrift dieses Fußballlehrers, seine Impulse für das Team werden erst langsam erkennbar. Aber an diesem wunderbaren Fußballabend überwogen erneut die positiven Eindrücke. Wieder einmal.
