Bremer CL-Aus Peinlich in Piräus
Wenn es eines Beleges für griechische Leidenschaft in Sachen Fußball bedurfte, dann haben ihn die Anhänger des Meisters Olympiakos Piräus heute Nacht geliefert. Mit einer erstaunlichen Ausdauer in Sachen Hupkonzerten, mit Freudentänzen bis zum Morgenrot und einer gefährlichen Emphase in Sachen eines leichtsinnigen Gebrauchs von Pyrotechnik haben die Olympiakos-Anhänger einen historischen Triumph zelebriert.
Man muss das verstehen: Vor einem Jahr feuerte der Verein wieder einmal den Trainer, weil Piräus in der Champions League sang- und klanglos als Vierter ausgeschieden war. Und nichts deutete vor dieser Vorrunde darauf hin, dass sowohl Werder Bremen als auch Lazio Rom am Ende fünf beziehungsweise sechs Punkte hinter dem griechischen Lieblingsverein bleiben würden, der nun plötzlich im Achtelfinale der Königsklasse weiterspielt.
Der gesamte Tross von Werder Bremen hatte sich zu dieser Jubelstunde bereits zu Bett begeben. Nach dem 0:3 (0:1) war die Ernüchterung groß und die Enttäuschung riesig. "Wir haben nichts von dem umgesetzt, was wir uns vorgestellt haben. Wir haben nie ins Spiel gefunden. Wir waren immer einen Schritt zu spät." Diese Worte sprach Verteidiger Clemens Fritz und sein gut gebräuntes Gesicht wirkte in der peinlichen Nacht von Piräus aschfahl.
Warum um ihn herum in der Mixed Zone des Georgios-Karaiskakis-Stadions die Olympiakos-Profis mit erhobenen Händen aus der Kabine kamen und sogar die Medienvertreter abklatschten, konnte Fritz ebenso wenig erklären wie Tim Borowski, dem so wenig einfiel wie zuvor auf dem Rasen. Nur so viel: "Die waren einfach cleverer. Wir hatten deutlich mehr Ballbesitz, aber sie waren cooler vor dem Tor."
Mit Verlaub: Das griechische Aushängeschild mag wie im Hinspiel effektiver und entschlossener gewirkt haben, doch im Grunde gab ein anderer Umstand den Ausschlag: Herz. Leidenschaft. Und Lust. "Wir haben ein bisschen behäbig gespielt. Wir wollten das spielerisch lösen und das war heute der falsche Weg", bekannte Frank Baumann und der Kapitän war in seiner Analyse damit zielführender als die Kollegen.
Auch Klaus Allofs, Werders Geschäftsführer, hat sich neben dem Spiel die Freudenszenen sehr genau angesehen. Die begeisterte Ehrenrunde, bei der die Sieger immer wieder ihren zweifachen Torschützen Ieroklis Stoltidis, einen 32-jährigen Griechen mit wuchtigem Schuss, und Mittelstürmer Darko Kovacevic, einen 34-jährigen Serben mit wuchtigem Kopfball, herzten. Zwei limitierte Kicker bei internationalem Anspruch, aber nicht umsonst die gefeierten Schützen und Wegbereiter der entscheidenden drei Tore (12., 70. und 74.). "Was die Leidenschaft angeht, hat Olympiakos sehr verdient gewonnen", gab Allofs kleinlaut zu, "sie haben keinen Ball verloren und in den Zweikämpfen die richtige Antwort gegeben."
Champions-League-Achtelfinale verschenkt
Werder Bremen, nach einem 3:2 gegen Real Madrid am vorigen Champions-League-Spieltag bundesweit gefeiert, hat unter dem Strich die dritte Achtelfinale-Teilnahme in vier Champions-League-Jahren verschludert, ja verschenkt. "Wir haben das nicht hier in Piräus verloren", sagte Allofs, "sondern daheim gegen die Griechen und in Rom." Aber weil der 51-Jährige eingedenk der für den Mittwochabend angesetzten Weihnachtsfeier? nicht schonungslos an den Pranger stellen wollte, suchte er nach milde klingenden Ausreden. Und erinnerte an die gerne zitierte Verletzungsmisere. "Wir können die Ausfälle nicht beliebig verkraften. Einige sind nicht bei hundert Prozent. Und das reicht dann in dieser Form nicht aus." Ein Umstand, so ehrlich sollte Allofs sein, der nur auf die in der Tat schwächelnden Fritz und Borowski zutrifft.
Bei der schonungslosen Analyse wird sich aber auch die Sportliche Leitung fragen müssen, warum Grün-Weiß immer dann mausgrau wirkt, wenn Diego mit disziplinierter Doppeldeckung aus dem Spiel genommen wird. Ideen- und hilflos wirkte ohne den filigranen Taktgeber das Angriffsspiel, was sogar den 22-jährigen Brasilianer zu einem kleinen Seitenhieb auf die Kollegen animierte. "Wenn ich zugedeckt werde, müssten sich doch woanders Räume ergeben." Was nichts nützt, wenn niemand engagiert und elanvoll da hinein stößt.
Und für die Bremer Nummer zehn ist es im Gegensatz zu manchem Mitspieler auch keine mentale Hilfe, dass wenigstens noch der Uefa-Cup heraussprang, in dem die Bremer am 13./14. und 21. Februar auf einen der Zweitplatzierten der acht Uefa-Cup-Gruppen treffen. Doch erst ab dem Viertelfinale winken wirklich Geld- und Imagegewinne. "Für mich ist der Uefa-Cup kein Trost", sagte Diego unverblümt. Sportlich machte der Club schon vergangene Saison nicht so gute Erfahrungen. "Der Uefa-Cup hat uns die Meisterschaft gekostet", erklärte der diesmal erkrankt fehlende Per Mertesacker kürzlich, der Donnerstag-Sonntag-Rhythmus sei im Meisterschaftskampf höchst störend.
Unter dem Strich steht: Wer in einer Gruppe mit Piräus und Rom nicht weiterkommt, war kein guter Repräsentant der Bundesliga. Die Bremer, die mittlerweile mit 106 Millionen Euro Umsatz jonglieren, die Anfang nächsten Jahres für fast 60 Millionen Euro ihr Stadion ausbauen und sich im Sommer gewiss auf Abwerbungsversuche ihres Spielmachers Diego einstellen müssen, sind auf die Königsklasse angewiesen.
Vorerst muss der Verein jedoch aufpassen, dass der Patzer von Piräus keinen nachhaltigen Schaden anrichtet: Am Samstag kommt der erstarkte Uefa-Cup-Vertreter Bayer Leverkusen zum Verfolgerduell ins Weserstadion (15.30 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE). Und mit der dritten Niederlage binnen acht Tagen ginge ganz flugs auch Platz zwei der Liga verlustig.
Olympiakos Piräus - Werder Bremen 3:0 (1:0)
1:0: Stoltidis (12.)
2:0 Kovacevic (70.)
3:0 Stoltidis (74.)
Piräus: Nikopolidis - Torosidis, Zewlakow, Antzas, Pantos - Patsatzoglu (24. Mendrinos), Ledesma, Stoltidis - Galletti (85. Nunez), LuaLua - Kovacevic (82. Mitroglou).
Bremen: Wiese - Fritz, Baumann (82. Tosic), Naldo, Pasanen - Vranjes (58. Hunt) - Jensen, Borowski - Diego - Sanogo (66. Hugo Almeida), Rosenberg.
Schiedsrichter:Duhamel (Frankreich)
Zuschauer: 33.500 (ausverkauft)