
Brinkmann-Biographie Eine Straße in Schutt und Asche
Ich gehörte zu den Profispielern, die am wenigsten Alkohol tranken. Das glaubt mir kein Mensch, aber es ist so: Ich trank kaum Alkohol! Aber wenn ich trank, dann richtig. Geraucht habe ich noch nie in meinem Leben, nicht einen Zug einer Zigarette. Ich habe lediglich ein paar Zigarren bei diversen Feiern verpafft. Und Spielhallen oder Casinos interessierten mich auch überhaupt nicht. Trotzdem verbinden viele Leute den Namen Ansgar Brinkmann mit Partys und wilden Feiern, mit Alkoholrausch und Verfolgungsjagden, mit Prügeleien und eingeworfenen Fensterscheiben. Einiges davon mag stimmen, anderes ist schlichtweg nicht wahr.
Ich habe oft Mist gemacht und musste dafür geradestehen. Ich habe Geldstrafen bekommen und so viele Abmahnungen, dass ich mein Wohnzimmer damit hätte tapezieren können. Ich habe definitiv des Öfteren über die Stränge geschlagen, aber ich habe für alles geradegestanden und die Scherben wieder aufgefegt. Eine meiner Stärken, wenn man das so betrachten möchte, war dabei, dass ich einzig und allein mir selbst geschadet habe. Und ich bin nie auf andere losgegangen - auch wenn mir das vorgeworfen wurde: Es entspricht nicht der Wahrheit! Im Grunde habe ich gar nicht so oft richtig gefeiert. Aber wenn ich mal loslegte, dann bekam es auch jeder mit.
Es wäre für viele Vereine ein Leichtes gewesen, meinen Verkauf zu begründen, manche gaben mich ja auch aus disziplinarischen Gründen ab, aber diejenigen, die es nicht getan haben, weil der sportliche Wert ihnen wichtiger war, denen habe ich ihr Vertrauen auch meistens zurückgezahlt. Und die Menschen, die Fans, sahen mich gern spielen. Für einen ordentlichen Skandal benötigte ich meistens folgende Zutaten: zu viel Alkohol, Übermut, häufig gekennzeichnet durch einen freien Oberkörper, und in manchen Fällen ein Stirnband. Aus dieser Mischung entstanden impulsive, unkontrollierte Handlungen, die viele Leute lustig fanden. Andere weniger.
Eigentlich gab es keinen Grund zu feiern. Mein damaliger Verein, der FC Gütersloh, hatte im letzten Spiel der Hinrunde gegen die Stuttgarter Kickers durch ein Gegentor in der 89. Minute zwei Punkte liegengelassen und belegte einen Abstiegsplatz. Trotzdem hatte auf der Heimreise aus Stuttgart jemand die Idee, den Hinrundenabschluss mit der gesamten Mannschaft zu begießen. Am nächsten Tag hatte der Verein zwar zur Weihnachtsfeier geladen, dies aber sollte unsere private Mannschaftsfeier werden. Wie immer zu solchen Anlässen fanden wir uns im Café Alex ein und hatten einen heiteren Abend - der mich 25.000 Mark kostete.
Wir nannten es "tödliche Mischung"
Es fing alles sehr gemütlich an. Wir saßen zusammen und besprachen die Hinrunde, für einige die erste in der Zweiten Liga. Ich war zwischendurch in Verl gewesen und erst einige Wochen zuvor nach Gütersloh zurückgekehrt. Nach und nach stieg die Trinkfreude - und mit ihr die Stimmung. Bis wir schließlich ausgelassen plauderten, lachten und auf den Tischen tanzten. In der Mannschaft herrschte immer eine gute Stimmung, die war nicht dem Alkohol geschuldet, aber an diesem Abend - das war schon nach kurzer Zeit absehbar - hatten wir etwas anderes im Sinn.
Wir tranken alles durcheinander, "tödliche Mischung" nannten wir das. Einmal angefangen, ließ ich mich von den Kollegen anstecken und fand kein Ende mehr. Es muss so gegen drei Uhr morgens gewesen sein, ein Großteil der Mannschaft hatte sich schon auf den Heimweg gemacht, als wir, die fünf Übriggebliebenen, beschlossen, noch irgendwo einen Absacker zu trinken und dann ebenfalls nach Hause zu gehen. Ein konkretes Ziel hatten wir zunächst nicht.
Vielleicht war es die kalte Frischluft, die meinen Bewegungsdrang weckte. Kaum draußen, entledigte ich mich meines Shirts - trotz des Winters und eisiger Temperaturen trug ich meistens nur ein T-Shirt mit Jacke -, stieß einen Freudenschrei aus und sprintete mit nacktem Oberkörper los. Mein Ziel: die wartenden Taxis. Ich sprang auf das erste Auto, rutschte fast weg, konnte mich aber halten und sprintete weiter, über die Dächer von sieben, acht weiteren Taxis.
Beim letzten angekommen, machte ich eine Rolle vorwärts und landete sicher auf der Straße. Der spektakulärste Sprint meiner Karriere. Ich drehte mich um und sah in die Gesichter finster dreinschauender Taxifahrer. "Und? Was ist mit euch? Wollt ihr sterben?", rief ich vollkommen von Sinnen und zeigte meine Muskeln. "Ach, das ist ja nur Ansgar", hörte ich. Und: "Pass auf dich auf, Ansgar!"
Ich kann nicht erklären, was in der Folge passierte, welche Gedanken ich hatte, warum ich so explodierte, warum ich so ausrastete.
Ich entdeckte einen Blumenkübel, bepflanzt, ein schweres Teil, das ich normalerweise wahrscheinlich nicht mal hätte hochkriegen können. In meinem Zustand klappte es aber ohne Probleme. Ich hob das Ding an, lief quer über die Straße und wuchtete es in eine Schaufensterscheibe. Spätestens jetzt zuckten meine Gefährten zusammen und fingen an, auf mich einzureden. Das Lachen war ihnen vergangen, aber ich war nicht aufzuhalten. Ich lief durch die Gegend wie ein wild gewordener Gorilla, es fehlte nur noch, dass ich mir auf die Brust schlug.
Ein paar Meter weiter erspähte ich hinter dem großen Schaufenster eines Möbelgeschäfts ein Bett. Das zog mich anscheinend so sehr an, dass ich anfing, wie wild gegen die Scheibe zu springen, bis sie dem Druck nicht mehr standhielt und in tausend Scherben zerbarst. Dass ich bis auf ein paar kleinere Kratzer keine Verletzungen davontrug, spricht nur dafür, dass ich völlig gedankenlos handelte. Betrunkene verletzen sich ja selten bei Unfällen.
Ich schmiss mich aufs Bett und tat einen Moment lang so, als würde ich schlafen. Aber das Adrenalin, der Alkohol, der Bewegungsdrang, was auch immer es war, es war zu stark. Ich sprang wieder auf die Straße. Ich hatte noch keine hundert Meter zurückgelegt, seit ich aus dem Café gekommen war, aber hinter mir sah es wüst aus, und meine Kollegen starrten mir nur noch hilflos hinterher.
Und dann stand am Ende der Straße die Polizei.
Die hatte bemerkt, dass hier irgendwas los war. Die Streifenpolizisten hatten vielleicht Scheiben klirren gehört, keine Ahnung. Ihr Wagen war quer über die Straße gestellt, wie im Film. "So, Ansgar, das Spiel ist aus", begrüßten sie mich. Und ich, in meinem Wahn, fühlte mich wohl auch wie im Film.
"Wer seid ihr denn?", fragte ich. "Ich bin hier der Sheriff." Sie beruhigten mich, redeten ganz normal mit mir, bis die anderen dazukamen. Die Unterhaltung dauerte vielleicht eine Minute, dann sagte der eine Beamte: "Passt auf, ihr nehmt den jetzt mit, bringt ihn nach Hause. Wir haben den nicht gesehen."
Ab zu Remo in die Rotlichtbar
Mit der Polizei hatte ich oft Glück. Der Status eines Fußballprofis rettete mich vor der ein oder anderen Strafe. Ich wurde mal auf der Autobahn angehalten, weil ich zu schnell gefahren war. Der Polizist kam an mein Fenster, erkannte mich und sagte: "Herr Brinkmann, Sie sind zu schnell gefahren."
"Tut mir leid", sagte ich. "Und ich habe noch eine schlechte Nachricht: Ich habe weder Ausweis noch Führerschein dabei."
Der Polizist ging wortlos weg und kam mit seinem Kollegen wieder. Der streckte seinen Kopf durchs Fenster und sagte: "Datt isser." Dann verwarnten sie mich, und ich durfte weiterfahren.
Auch dieses Mal ließ ich mir die Gelegenheit, ungeschoren davonzukommen, nicht entgehen. Aber nach Hause wollte ich auf keinen Fall. Ich bestand auf den Absacker und schleifte die Truppe in den einzigen Laden, der noch geöffnet hatte: Remo - eine Rotlichtbar. Man könnte auch Puff sagen. Ich vorneweg. Als Erstes räumte ich die komplette Theke ab, Gläser, Flaschen, Aschenbecher. Die anderen gingen in Deckung und erwarteten, dass Remo, ein gefürchteter Jugoslawe, mir alle Knochen brechen würde. Mein Glück war, dass Remo uns kannte. Als er sah, dass ich es war, der da seine Einrichtung demolierte, packte er mich am Arm und setzte mich in eine Ecke. Er orderte was zu trinken und setzte sich dazu.
"Ansgar, was ist denn los?", fragte er. Ich erkannte ihn gar nicht und wusste auch schon nicht mehr, was in der Minute zuvor passiert war. Wahrscheinlich stand ich kurz vor der Ohnmacht. Normalerweise wäre jeder, der sich so eine Aktion in Remos Bar geleistet hätte, erledigt gewesen. Aber Remo blieb bei mir sitzen und passte auf, dass ich nicht wieder aufstand. Dann holte er zwei Frauen und befahl ihnen, sich um mich zu kümmern. Am nächsten Morgen gegen acht Uhr wachte ich in einem großen Bett mit Seidenbezug auf. Erschrocken fuhr ich hoch, schlich mich nach draußen und nahm das nächste Taxi nach Hause. Um zehn klingelte mein Telefon: Volker Graul. "Ansgar, du kommst sofort auf die Geschäftsstelle."
"Wieso denn?", fragte ich. "Weihnachtsfeier ist doch erst heute Abend."
"Wieso denn?", schrie er in den Hörer, dass mir fast der Kopf platzte. "Ich habe hier einen Schaden von 25.000 Mark. Du hast eine ganze Straße in Schutt und Asche gelegt!" Aus dem Hintergrund hörte ich Hannes Linßen, der mitgehört hatte, mit seiner Piepsstimme: "Der soll jetzt sofort kommen."
Ich fuhr hin und hörte mir an, was ich in der Nacht zuvor alles gemacht hatte. Und so langsam kam die Erinnerung zurück.