

Das ist eine echte Überraschung: Bruno Labbadia soll den Fußball-Bundesligisten Hamburger SV vor dem ersten Abstieg der Vereinsgeschichte retten. Der 49-Jährige löst ab sofort Interimstrainer Peter Knäbel ab und unterschrieb bei den Hanseaten einen Vertrag für 15 Monate bis Juni 2016. Der Kontrakt gilt auch für die 2. Liga. Dies gab der HSV am Mittwoch bekannt.
Thomas Tuchel wurde damit abgesagt. Der ehemalige Mainzer Coach galt bisher als Wunschkandidat des Vereins. "Wir hatten mehrere Gespräche, haben aber keine Einigung erzielen können. Darum haben wir uns entschieden, die Gespräche zu beenden", sagte der Vorstandsvorsitzende Dietmar Beiersdorfer. Laut "Bild" soll Tuchel Nachfolger von Jürgen Klopp werden, der beim BVB um die Auflösung seines Vertrags gebeten haben soll.
Knäbel kehrt wieder auf sein Amt als Sportdirektor zurück. Labbadia hat bereits am Mittwoch gemeinsam mit seinem Assistenten Eddy Sözer die Trainingseinheiten der Profis geleitet. "Wir haben keine Zeit zu verschenken", sagte Labbadia. Und versprach: "Wir werden optimal vorbereitet in das Nordderby bei Werder gehen und ebenso fokussiert die folgenden Spiele angehen. Für uns zählt jeder Punkt." Er erwarte volle Hingabe und Leidenschaft aller Beteiligten in den kommenden Wochen. Wir müssen uns jetzt schnell ein Erfolgserlebnis erarbeiten", sagte Labbadia.
Labbadia war bereits einmal für den Hamburger SV tätig. Er trainierte die Mannschaft von August 2009 bis April 2010. Nach einer starken Hinrunde war das Team damals nach der Winterpause abgesackt, drei Spieltage vor dem Saisonende wurde er entlassen. Der HSV stand damals zudem im Halbfinale der Europa League.
Als Erstliga-Coach hat Labbadia bisher zudem Stationen in Leverkusen und Stuttgart vorzuweisen. Mit dem VfB erreichte er immerhin 2013 das DFB-Pokalfinale, das die Mannschaft gegen den FC Bayern verlor. Nach nur drei Spieltagen der Saison 2013/2014 trennte sich der Verein von dem Trainer, seitdem war Labbadia ohne Beschäftigung.
"Wir haben uns zu diesem Schritt entschieden, weil wir die Trainerfrage für die wichtigste halten. Mit Bruno Labbadia haben wir einen starken und auch im Abstiegskampf erfahrenen Trainer geholt", sagt Dietmar Beiersdorfer. Knäbel ergänzte: "Wir wollten unbedingt Klarheit in der Trainerfrage, die haben wir jetzt. Nun gilt alle Konzentration dem Nordderby bei Werder. Das zählt." Noch am Montag hatte Beiersdorfer einen weiteren Trainerwechsel in dieser Spielzeit ausgeschlossen.
HSV-Idol Uwe Seeler reagierte zurückhaltend auf die Nachricht: "Ich bitte um Verständnis, dass ich keine schlauen Kommentare abgeben will, denn das haben beim HSV andere zu entscheiden", sagte Seeler. Er habe das zur Kenntnis genommen und drücke die Daumen, "auch wenn sie schon wehtun".
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Rückkehr: Ende März war Bruno Labbadia noch als Gast in der HSV-Arena. Anlass war das Abschiedsspiel des ehemaligen Hamburgers David Jarolim. Jetzt wird er zum zweiten Mal Cheftrainer beim aktuellen Tabellenletzten.
Vor seiner Trainerkarriere war Labbadia, 47, ein überdurchschnittlicher Bundesliga-Stürmer. Mit den Bayern gewann er 1994 die Meisterschaft, mit dem 1. FC Kaiserslautern hatte er 1991 den Titel gewonnen und ein Jahr zuvor den DFB-Pokal.
2003 begann Bruno Labbadia seine Trainerlaufbahn mit einem Engagement in Darmstadt. Mit den Lilien stieg der Neuling gleich in seiner ersten Spielzeit in die Regionalliga auf.
2007 ging Labbadia zum als Coach Zweitligisten Greuther Fürth, die er auf Anhieb den fünften Platz führte.
Nur ein Jahr später gelang Labbadia der Sprung zu einem Top-Klub: Er begann bei Bayer Leverkusen. Die Hinrunde über spielte seine Mannschaft stark.
Dann aber brachen die Leistungen ein, am Ende der Saison landete Bayer nur auf Rang neun.
Auch das Finale im DFB-Pokal ging gegen Werder Bremen verloren. Trotz Erreichen des Endspiels galt Labbadia bereits als entmachtet, sein Weggang stand so gut wie fest.
Labbadia wechselte noch in der Sommerpause 2009 nach Hamburg, wo er die Nachfolge von Martin Jol antrat. Unter anderem kam der Schwede Markus Berg für viele Millionen Euro Ablöse in dieser Zeit zum HSV - doch der Angreifer konnte seinem Ruf als großes Talent nicht gerecht werden.
Wieder folgte auf eine gute Hin- eine schwache Rückrunde und darauf das Aus für Labbadia. Und das, obwohl er mit dem HSV ins Halbfinale des Uefa-Cup gegen den FC Fulham eingezogen war. Am 31. Spieltag der Saison 2009/2010 war auch das Kapitel Hamburg beendet, beim Rückspiel in Fulham (Hinspiel 0:0) verlor der HSV unter Interimstrainer Ricardo Moniz trotz 1:0-Führung am Ende noch 1:2.
Die nächste Station hieß Stuttgart. Die beste Platzierung zum Saisonende erreichten Trainer und Team mit Platz sechs in der Saison 2011/2012. Labbadias Trainerstuhl wackelte mehrmals in seiner Zeit beim VfB, legendär ist seine Wutrede mit dem Ausdruck: "Am Arsch geleckt". Im Januar 2013 verlängerte der VfB noch mit seinem Coach bis 2015. Zum Ende der Spielzeit 2012/2013 erreichte der VfB unter Labbadia das Finale im DFB-Pokal, verlor aber 2:3 gegen Triplesieger Bayern München.
Der Auftakt in der darauffolgenden Saison ging gründlich daneben, nach drei Spieltagen hatte der VfB null Punkte geholt (Niederlagen gegen Mainz, Leverkusen, Augsburg). In den Playoffs der Europa League verlor der Verein gegen den kroatischen Club HNK Rijeka. Am 26. August 2013 entschied sich VfB-Sportdirektor Fredi Bobic (r.) dann zur Trennung vom Trainer. Seither war Labbadia ohne Trainer-Job.
Mit ihm begann der Aufschwung im neuen Stadion: Frank Pagelsdorf (Juli 1997 bis September 2001) übernahm den Hamburger SV zur Saison 1997/1998 und führte den Klub drei Jahre später auf Rang drei. Nach einem schwachen Start in die Spielzeit 2001/2002 trennte sich der HSV im September vom Coach - und musste eine Abfindung von über vier Millionen D-Mark zahlen. Pagelsdorf hatte seinen Vertrag zuvor bis zum 30. Juni 2004 verlängert.
Für zwei Spiele übernahm anschließend Sportdirektor Holger Hieronymus im September und Oktober 2001 das Kommando.
Anfang Oktober 2001 folgte der Österreicher Kurt Jara, der in seiner ersten Saison einen Platz im Mittelfeld erreichte und im folgenden Jahr sogar auf Platz vier kam. Doch wie so viele seiner Amtskollegen erwischte es ihn im darauffolgenden Herbst: Nach einem schwachen Saisonstart musste er im Oktober 2003 gehen.
Ähnlich erging es anschließend Klaus Toppmöller. Führte er das Team in seiner ersten Saison noch auf Platz neun, ging es im Folgejahr rapide bergab. Nach einer 0:2-Heimpleite gegen Bielefeld und Tabellenplatz 18 war seine Zeit an der Elbe im Oktober 2004 nach fast genau einem Jahr wieder vorbei.
Es folgte Thomas Doll, der die Hamburger zwischen Oktober 2004 und Februar 2007 zweieinhalb Jahre coachte und 2006 die Champions League erreichte. Nach Auftritten gegen Arsenal und Co. folgte die Ernüchterung ein Jahr später. Im Februar 2007 war die Mannschaft Tabellenletzter und Doll musste gehen.
Der Niederländer Huub Stevens baute anschließend auf eine strikte Defensive und hatte Erfolg: Die Mannschaft spielte sich von Platz 18 auf Rang sieben vor und wurde in der Saison 2007/2008 sogar Vierter. Doch Stevens wollte sich um seine kranke Frau kümmern und verlängerte den auslaufenden Vertrag nicht.
Stevens' Landsmann Martin Jol wurde als "große Lösung" nach Hamburg gelotst - und brachte zunächst Erfolg. Er führte das Team in der Europa League und im DFB-Pokal ins Halbfinale und rettete mit einem glücklichen Erfolg in Frankfurt am letzten Spieltag erneut den Einzug ins europäische Geschäft. Nach Unstimmigkeiten mit dem Vorstand wurde der Vertrag nach nur einer Saison aber überraschend aufgelöst.
Anschließend übernahm Bruno Labbadia die sportliche Führung in Hamburg. Nach einem begeisternden Start mit ansehnlichem Offensivspiel baute die Mannschaft in der Rückrunde aber deutlich ab. Mit einer katastrophalen Leistung in Hoffenheim (1:5) sägte die Mannschaft ihren Coach Ende April fast im Alleingang ab. Labbadia musste nach nur einem dreiviertel Jahr wieder gehen.
Nach Labbadia durfte Ricardo Moniz das Ruder übernehmen. Von Jol als Technikcoach geholt, kam er mit seiner lockeren Art gut bei den Spielern an, verpasste aber den Einzug ins Finale der Europa League, welches in Hamburg ausgetragen wurde. Nach nur zwei Monaten (April bis Juni 2010) war für ihn Schluss.
Zur Saison 2010/2011 verpflichteten die Hamburger stattdessen Armin Veh. Der Stuttgarter Meister-Trainer hatte viel vor, musste aber schon bald wieder gehen. Er überwarf sich mit den Verantwortlichen und provozierte seinen Rauswurf.
Vehs Assistent Michael Oenning übernahm im März 2011 und sollte das Team noch in die Europa League bringen. Er schien die Hoffnungen erfüllen zu können: In seinem ersten Spiel wurde Köln 6:2 besiegt. Dann folgte eine Negativserie, am Ende wurde der HSV Achter und verpasste das internationale Geschäft. Weil die Saison 2011/2012 auch nicht besser begann, musste Oenning am 19. September gehen.
Nach Oennings Abgang musste Rodolfo Cardoso die Mannschaft auf dem letzten Tabellenplatz übernehmen. Der Reserve-Trainer führte das Team beim VfB Stuttgart zum ersten Saisonsieg. Weil er aber die notwendige Fußball-Lehrer-Lizenz nicht hatte, musste er nach zwei Spielen wieder Platz machen.
Weil der HSV nicht schnell genug einen Cardoso-Ersatz fand, übernahm Sportchef Frank Arnesen das Ruder höchstpersönlich. Er wollte solange Trainer bleiben, bis ein neuer Coach gefunden war, und stand ein Spiel als Verantwortlicher an der Linie. Der HSV gewann mit Arnesen 2:1 in Freiburg.
Mit Thorsten Fink wollte der Hamburger SV einen Neuanfang wagen. Der Coach des FC Basel nahm die Herausforderung an und rettete den damals Tabellenletzten vor dem Abstieg. In Finks zweiter Saison wollte der HSV ins internationale Geschäft, verpasste dieses aber als Siebter. Nach einem enttäuschenden Start in die Saison 2013/2014 musste Fink nach knapp zwei Jahren gehen.
Weil der HSV ad hoc keinen Fink-Nachfolger parat hatte, übernahm wieder Rodolfo Cardoso. Unter ihm verlor das Team 0:2 in Bremen, gewann aber im DFB-Pokal gegen Fürth.
Am 25. September 2013 übernahm Bert van Marwijk das Training des HSV. Der Niederländer kannte die Bundesliga aus seiner Zeit beim BVB (2004 bis 2006). Als Nationaltrainer wurde er 2010 mit den Niederlanden Vizeweltmeister. Den HSV sollte van Marwijk aus der Krise führen, sein Vertrag galt bis zum 30. Juni 2015. Bleiben durfte er nur kurz: Der 61-Jährige betreute die Hamburger nur bei 15 Bundesligaspielen, am 15.02.2014 gab der Klub die Trennung vom Trainer bekannt.
Dann war Mirko Slomka dran. Bei Hannover 96 war er nach der Hinrunde der Saison 2013/2014 entlassen worden. Er musste mit dem HSV in die Relegation, dort rettete sich der Klub in zwei Spielen gegen Greuther Fürth. Mit einem Unentschieden und zwei Niederlagen begann die Folgesaison wieder schlecht für den HSV - das Ende für Slomkas Trainerkarriere beim HSV.
Stattdessen stand Josef Zinnbauer beim vierten Saisonspiel gegen Bayern (0:0) an der Seitenlinie. Zunächst gelang es dem ehemaligen U23-Coach die Defensive zu stabilisieren und den HSV auf Kurs zu bringen. Doch nach sechs Spielen ohne Sieg und dem Abrutschen auf den Relegationsrang trennte sich der Verein auch von Zinnbauer.
Als Nachfolger wurde der HSV-Sportdirektor Peter Knäbel inthronisiert. Der ehemalige St.Pauli-Profi hatte zuvor bereits ein klares Bekenntnis zu Coach Zinnbauer vermissen lassen, nun wurde er selbst nach zwei Niederlagen in zwei Spielen schon wieder abgelöst. Er geht zurück auf seinen alten Posten.
Bruno Labbadia feiert ein Comeback als Trainer des Hamburger SV. Der Coach übernimmt die Mannschaft als Tabellenletzten und soll in den verbleibenden sechs Spielen retten, was zu retten ist. Sein Vertrag gilt bis Juni 2016 - auch für die Zweite Liga.
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