Bayerns Auftaktsieg gegen Bremen Den Pep bewahrt
Einige Spieler gaben noch letzte Interviews und mühten sich, die schmachvollen 90 Minuten zu erklären, da vibrierte der grün-weiß lackierte Mannschaftsbus schon längst ungeduldig mit laufendem Motor vor dem Stadion. Es hatte den Anschein, als wollte selbst der Busfahrer von Werder Bremen nur noch ganz schnell weg vom Ort des Grauens.
Das einzig Positive für Werder Bremen nach der 0:6-Pleite war die Erkenntnis, dass man in dieser Saison garantiert nicht mehr zu einem Liga-Gastspiel nach München fahren muss, sondern erst wieder in der nächsten Saison. Vorausgesetzt, sie sind dann noch erstklassig - was manch einer in Anbetracht des desolaten Auftritts durchaus bezweifeln kann.
Die Erkenntnis für den FC Bayern war nach dem furiosen Auftaktsieg wiederum, dass man nur noch 33 Spiele bis zum fünften Meistertitel in Serie vor sich hat - und dass bereits beim Debüt von Trainer Carlo Ancelotti die Mannschaft anders spielte als in den vergangenen drei Jahren unter Josep Guardiola. Ob es allerdings auch wirklich der bessere und erfolgreichere Fußball ist, das wird sich erst noch herausstellen.
Ancelottis Aufforderung zur Anarchie
Wie eine Woche zuvor beim 5:0-Pokalsieg bei Carl Zeiss Jena traf der FC Bayern auch zum Bundesliga-Auftakt mit Werder auf einen hoffnungslos unterlegenen Gegner. Der einzige Unterschied war, dass der tapfer kämpfende Regionalligist aus Thüringen mehr Gegenwehr leistete als der viermalige Deutsche Meister aus Bremen, der sich seinem Schicksal ergab, von Anpfiff an.

Bundesliga-Eröffnungsspiel: Sechs Tore zum Auftakt
Von Beginn an war auch das neue Spielsystem der Bayern zu erkennen. Es schien nicht mehr so geplant wie zuletzt unter Josep Guardiola, wo jeder Spielzug wie ferngesteuert wirkte, als würde der Trainer draußen wie bei einer Spielkonsole auf einem Controller Knöpfe und Tasten drücken.
In Ancelottis erster Bundesligapartie mutete die Spielweise der Bayern anarchischer an, chaotischer und intuitiver, mit mehr individueller Entscheidungsfreiheit für jeden einzelnen. Und so war es naheliegend, dass erste Experten wie Mehmet Scholl in der ARD meinten, endlich hätten die Bayern die "Pep-Fesseln abgestreift". Als hätten sie die vergangenen drei Jahre qualvoll in Ketten gelegen. Im Nachhinein auf Guardiola zu schimpfen und Ancelottis Strategie als die große Befreiung zu bejubeln, das ist freilich zu einfach.
Italienische Ruhe an der Seitenlinie
Philipp Lahm, der zu Beginn seiner vorletzten Spielzeit direkt beim 4:0 sein erstes Saisontor erzielte und dem von Ancelotti dafür eine Flasche Champagner versprochen wurde, brachte es gut auf den Punkt, als er, auf das Scholl-Zitat angesprochen, sagte: "So schlecht können unsere Fesseln nicht gewesen sein, so wie wir in den drei Jahren in der Bundesliga vorne wegmarschiert sind." Und sich dreimal in Serie ins Halbfinale der Champions League vorzukämpfen, gefesselt wohlgemerkt, ist auch beachtlich.

Einzelkritik Bayern München: Nimmermüder Lahm
Auch Manuel Neuer sprach von Unterschieden zwischen dem hyperaktiven Guardiola und dem in sich ruhenden Ancelotti. Der Torwart, der gegen Bremen nie ernsthaft geprüft wurde, bezog das aber vor allem auf die Anweisungen während der Partie. "Pep hat immer versucht, von außen von der Seitenlinie einzuwirken, unser neuer Trainer dagegen versucht, uns mit seiner ruhigen Art das Vertrauen zu geben."
Der FCB trägt weiter Guardiolas Handschrift
Spielerisch hingegen sieht Neuer keine radikale Veränderung, die Mannschaft würde immer noch profitieren von der Zeit unter Guardiola: "Die taktischen Dinge, die wir unter Pep gelernt haben, haben wir immer noch in uns drin, die wollen wir auch nicht missen, die werden uns auch in Zukunft helfen." Deswegen wollen die Bayern ihn auch unter Ancelotti nicht los werden, den Pep in sich.
Das 6:0 gegen Bremen sah Neuer "als Signal an die Konkurrenz". Hoffnungslos überforderte Bremer waren dafür jedoch kein wirklicher Maßstab, dafür braucht es richtige Gegner. Wie vielleicht am zweiten Spieltag nach der Länderspielpause in zwei Wochen, dann spielen die Bayern auf Schalke. Die erste Bewährungsprobe für das neue System.
Philipp Lahm freute sich erst einmal auf das nächste, für ihn freie Wochenende. "Bis dahin", scherzte er, "erwarte ich die Flasche Champagner schon in meinem Spind." Dann wurde er noch gefragt, ob die Meisterschaft angesichts einer anstehenden Bayern-Dominanz erneut langweilig würde, Lahm sagte: "Wir wollen einfach gut Fußball spielen und die Bundesliga gewinnen. Das wird sicher keine leichte Aufgabe." Falls er recht behält, könnte die Saison also doch fesselnd werden. Sogar ohne Guardiola.