Ömer Toprak (l.) gegen Robert Lewandowski
Foto: PATRIK STOLLARZ/ AFPFrage des Spiels: Wie gut ist die Bundesliga wirklich? Das wird vermehrt diskutiert, seit die deutschen Vertreter im Europapokal kaum noch siegen. Die Antwort nach einem der schwächsten "Klassiker" seit Langem: Bayern ist schlechter als in den vergangenen Jahren. Und Dortmund viel schlechter.
Das Ergebnis: 3:1 (2:0) gewann Bayern in Dortmund. Hier geht es zum Spielbericht.
Die erste Hälfte: Der FC Bayern ging schon nach einer guten Viertelstunde in Führung. Ein Gegentor, das aus BVB-Sicht gleich mehrfach hätte verhindert werden können, ehe Arjen Robben im Strafraum unbedrängt zum Abschluss kam. Drei sehr große Chancen gab es dann innerhalb von wenigen Minuten auf beiden Seiten: Dortmunds Andrey Yarmolenko scheiterte im Eins-gegen-eins an Sven Ulreich, Robert Lewandowski im Eins-gegen-eins an Roman Bürki. Und Shinji Kagawa traf den rechten Außenpfosten. Das nächste Tor fiel aber wieder gegen den BVB: Robben und Joshua Kimmich lösten eine Zwei-gegen-zwei-Situation auf der rechten Seite so clever auf, dass Kimmich unbedrängt flanken konnte. In der Mitte lenkte Lewandowski den Ball, obwohl direkt zwischen zwei Abwehrspielern postiert, mit der Hacke ins Netz.
Die zweite Hälfte: Der Klassenunterschied zwischen beiden Teams, aber auch die mangelnde Klasse der Bayern, offenbarte sich kurz nach Wiederanpfiff. Robben ließ Toprak einmal mehr schlecht aussehen und flankte ungestört vors Tor. Lewandowski stieg frei hoch und köpfte aus fünf Metern - aber direkt vor die Füße von Bürki. Das dritte Tor fiel trotzdem gegen den Schweizer Keeper. David Alaba wollte wohl eigentlich flanken, aber seine Hereingabe von links wurde von Lewandowski und, natürlich, Toprak nicht mehr berührt, sodass der Ball einfach in die lange Ecke sprang. Kurz vor Schluss erzielte Marc Bartra mit dem schönsten Abschluss des Abends noch den Ehrentreffer für den BVB.
Der beste Mann des Spiels: Nicht nur in den USA wird Christian Pulisic eine große Zukunft prophezeit. Der Dortmunder gewann gegen Bayern doppelt so viele Dribblings wie die gesamte Münchner Mannschaft. Und mehr als irgendein Bundesligaspieler in dieser Saison. Vor dem Bartra-Tor narrte er drei Bayern an der Eckfahne. Gerade in einer nicht besonders guten und ziemlich alten BVB-Startelf (über 27 Jahre im Durchschnitt) repräsentiert Pulisic die Zukunft. Ist dieser unbekannte Amerikaner gut genug für den BVB, fragte man sich bei seiner Verpflichtung. Nach jetzigem Eindruck ist Borussia Dortmund nicht mehr gut genug für Christian Pulisic.
Was zu beweisen war: "Frauen begegnen im Beruf ständig gut gemeinten Demütigungen", schreibt Melanie Amann in ihrem lesenswerten Debattenbeitrag im neuen SPIEGEL. Davon kann auch Bibiana Steinhaus ein Lied singen. Die vierte Offizielle des Spiels rückte nach 80 Minuten kurz in den Blickpunkt, als sich Schiedsrichter Tobias Stieler verletzte. Steinhaus hätte vielleicht einspringen müssen. Sky-Kommentator Wolff Fuss fiel dazu nur ein: "Frau Steinhaus, in der Hoffnung, dass sie das kurze Höschen dabeihat für die letzten acht Minuten." Man kann Amann nur zustimmen: Inflationär sind zurzeit nicht Debatten über Sexismus. Inflationär ist Sexismus.
Was sagt die Heynckes-Tabelle? Seit Jupp Heynckes Carlo Ancelotti abgelöst hat, hat Borussia Dortmund elf Punkte weniger geholt als der FC Bayern. Aber das liegt weniger an der überragenden Klasse der Münchner als an der Schwäche des BVB: Nur ein Sieg aus den vergangenen sieben Pflichtspielen, und der gegen Drittligist Magdeburg im Pokal. Bayern spielte in Dortmund gut, aber nicht überragend. Auf keinen Fall besser als beim 3:0-Sieg auf Schalke im September - eine Woche bevor Ancelotti entlassen wurde. In dieser Verfassung ist auch der FC Bayern keine europäische Spitzenmannschaft. Aber immer noch eine Klasse besser als dieser BVB.
Borussia Dortmund - Bayern München 1:3 (0:2)
0:1 Robben (17.)
0:2 Lewandowski (37.)
0:3 Alaba (67.)
1:3 Bartra (88.)
Borussia Dortmund: Bürki - Bartra, Sokratis (42. Toljan), Toprak, Schmelzer - Weigl - Kagawa (68. Götze), Castro - Yarmolenko (80. Sancho), Aubameyang, Pulisic
Bayern München: Ulreich - Kimmich, Hummels, Süle, Alaba (74. Rafinha) - Thiago, Martínez (81. Rudy) - Robben, James (84. Vidal), Coman - Lewandowski
Gelbe Karten: Schmelzer, Toprak / Alaba, Martínez
Schiedsrichter: Stieler
Zuschauer: 81.360
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Dortmunds Trainer Peter Bosz musste sich etwas überlegen: Nach der Niederlage in Hannover und den mauen Auftritten gegen Nikosia wurde die Aufgabe mit dem FC Bayern nicht leichter.
Auf der Suche nach Orientierung: Zu Beginn der Partie gelang es keinem der Teams, eine Spielidee erkennen zu lassen. Die Gäste konnten sich trotzdem mehr Kontrolle über das Spielgeschehen sichern.
Übergewicht genutzt: Dank einiger Zuspiele des starken Thiago kam der FC Bayern zu Möglichkeiten. Einen weiten Ball des Spaniers legte James Rodríguez für Arjen Robben (Foto) ab, der locker zum 1:0 verwandelte.
Vier Bundesligaspiele lang hatte Arjen Robben kein Tor erzielt - heute war es wieder so weit. Es war sein insgesamt elfter Treffer gegen den BVB. Nur gegen Wolfsburg traf der Niederländer in seiner Karriere genauso häufig.
Dortmund durfte sich über den Rückstand nicht beschweren. Die Hintermannschaft um Ömer Toprak (Foto) war zeitweise überfordert und konnte die Münchner nur selten unter Druck setzen.
Das galt auch für das 2:0: Joshua Kimmich konnte den Ball unbedrängt in die Mitte bringen, wo Robert Lewandowski (3.v.l.) per Hacke abschloss. Julian Weigl (2.v.l.) fälschte den Ball so ab, dass er unhaltbar über Torwart Roman Bürki hinwegsegelte.
Der FC Bayern lieferte keine Galavorstellung, aber es reichte, um den BVB zu dominieren. Mit 2:0 ging der FC Bayern in die Halbzeit.
Im zweiten Durchgang mühte sich der Gastgeber, allein die Ideen fehlten. Dortmunds Mannschaft schien kein Konzept zu haben, wie sie das Spiel drehen könnte.
Dann durfte auch David Alaba (2.v.r.) jubeln. Das dritte Tor für den FC Bayern erzielte der Österreicher.
Dabei ist nicht ganz klar, ob er das überhaupt so geplant hatte. Seine Flanke segelte in den Strafraum des BVB und schlug am langen Pfosten ein. Es wird ihm egal sein - 3:0.
Nicht nur, dass das Team des FC Bayern auf dem Rasen den BVB nach Belieben kontrollierte, im Block ließen Fans Pyro brennen.
BVB-Verteidiger Marc Bartra gelang zwar noch der Anschlusstreffer, doch die Borussia blieb über die gesamte Spielzeit weit davon entfernt, Bayern wirklich zu gefährden.
Nach dem Spiel zieht der FC Bayern in der Tabelle davon und setzt sich vom BVB ab. Sechs Punkte Rückstand hat Dortmund nun auf Platz eins, und es bleibt unklar, wo das Team seine gute Form vom Saisonstart gelassen hat.
Roman Bürki, Tor: Toller Reflex bei einem Kopfball von Robert Lewandowski kurz nach der Pause, damit hielt er zumindest ein bisschen Hoffnung der Dortmunder lebendig. Dass es da schon 0:2 stand, daran trug der Torhüter keine Schuld. Beim 0:3 sah er unglücklich aus, einen Vorwurf sollte man dem Keeper aber nicht machen.
Marc Bartra, Abwehr: "Hallo, könnte mal jemand den Coman übernehmen? Oder, wartet, besser den Alaba. Moment, da kommt Thiago." - So könnte sich das Flehen von Bartra angehört haben, der am rechten Ende der Viererkette ziemlich alleingelassen wurde und deshalb überfordert war. Wechselte nach der Auswechslung von Sokratis in die Innenverteidigung. Dort unterliefen ihm auch ein paar Fehler, sein Tor zum 1:3 mit einem Schlenzer war jedoch sehr sehenswert.
Sokratis, Abwehr (bis 42. Minute): Spielaufbau ist nicht seine größte Stärke. Aber er beherrscht die Disziplin, wie sein schöner Steilpass auf Aubameyang zeigte (12.). Schlummerte dann zunächst in der Defensive bei einem Steilpass auf Lewandowski, klärte dann jedoch auf seine Art - mit einer Grätsche. Nach einer weiteren Grätsche fiel Coman dem Griechen auf den Fuß. Das tat weh, Sokratis musste ausgewechselt werden.
Jeremy Toljan (ab 42. Minute): War einer der besten, vielleicht sogar der beste deutsche Spieler, als die deutsche U21 im vergangenen Sommer Europameister wurde. In Dortmund läuft es bislang sehr mäßig. Auch gegen die Bayern lieferte Toljan nur Durchschnitt ab.
Ömer Toprak (l.), Abwehr: Robben hat den Ball in halbrechter Position am linken Fuß. Was er wohl machen wird? Toprak dürfte es auch gewusst haben, half aber nichts. Der Verteidiger war zu weit weg, zu langsam. Auch gedanklich wirkte er häufig wieder auf hohem Niveau überfordert. Ein ganz schwacher Auftritt, der nächste.
Marcel Schmelzer, Abwehr: Der Kapitän erhielt der Vorzug vor Raphaël Guerreiro, der beim peinlichen 1:1 gegen Apoel Nikosia noch der beste Dortmunder war. Die Entscheidung von Trainer Peter Bosz war zweifelhaft, denn Schmelzer kam beim 0:1 zu spät gegen Vorlagengeber James, beim 0:2 ließ er Joshua Kimmich genügend Zeit für die Flanke.
Julian Weigl, Mittelfeld: Er kommt nach seiner Verletzung im Sommer einfach nicht in Gang. Das Spiel läuft an ihm vorbei, von seinen strategischen Fähigkeiten ist kaum etwas zu sehen. In solchen Phasen wundert es niemanden, dass Weigl auch noch Lewandowskis Hackenschuss zum 0:2 ins Tor abfälschte.
Gonzalo Castro, Mittelfeld: Schöne Pässe nach vorne, die zu vergebenen Chancen führen, bleiben selten in Erinnerung. Pech für Castro, der einen sehenswerten Pass spielte, der bequem zum 1:1 hätte führen können. So bleibt in seinem Zeugnis für die Partie gegen den FC Bayern stehen, dass er bemüht war.
Shinji Kagawa, Mittelfeld (bis 68.): Begann sehr gut, traf bei der großen Chance zum 1:1 den Außenpfosten (32.). Rückte bei gegnerischem Ballbesitz häufig an die Seite von Aubameyang, um ein 4-4-2 zu formen, rückte nach Balleroberungen dann ins Mittelfeld für ein 4-2-3-1. Bis zur vergebenen Möglichkeit war das sehr ordentlich, danach fiel er erst bei seiner Auswechslung wieder auf.
Mario Götze (ab 68.): Für Bundestrainer Joachim Löw ist Götze wieder gut genug für die Nationalmannschaft. Für Vereinstrainer Bosz war er nicht gut genug für die Startelf. Durfte nach seiner Einwechslung nach langer Zeit mal wieder auf der Zehn spielen. Vielleicht darf er das auch bald mal wieder, wenn das Spiel noch nicht verloren ist.
Andrey Yarmolenko, Angriff (bis 80.): Vergab in der ersten Halbzeit zwei sehr gute Chancen allein vor dem Münchner Tor, zu Beginn der zweiten Hälfte nahm er Aubameyang den Ball vom Fuß. In der Offensive lief es für Yarmolenko sehr schlecht, in der Defensive sehr bescheiden. Wusste oft nicht, wie er sich beim Ballbesitz der Münchner zu positionieren hatte, beim 0:1 ließ er Thiago mehrere Hektar Raum, um mit einer Verlagerung die Führung einzuleiten.
Jadon Sancho (r., ab 80.): Sein erstes Spiel im Stadion des BVB. Es wird eine gute Erinnerung bleiben, auch wenn schon alles gelaufen war, als er kam.
Christian Pulisic, Angriff: Forsche Dribblings in höchstem Tempo, gute Hereingaben von der linken Seite: Pulisic war deutlich besser aufgelegt als in den vergangenen Wochen, als er auch ein wenig müde wirkte. Er war der beste Dortmunder.
Pierre-Emerick Aubameyang, Angriff: Was ist nur mit ihm los? In der zwölften Minute spielt ihm Sokratis den Ball mustergültig in den Lauf. Es folgt dann auch eher ein Lauf statt des Vollsprints, den man aus Aubameyangs besseren Tagen erinnert. Niklas Süle holte ihn ein und blockte den zaghaften Schuss ab. Die zweite große Chance vergab er, als es schon 0:3 stand. Wartet damit seit fünf Pflichtspielen auf einen Treffer.
Sven Ulreich, Tor: Eigentlich galt Ulreich nach der Verletzung von Stammtorhüter Manuel Neuer als potenzieller Schwachpunkt. Diesmal trug er entscheidend zu einem großen Sieg der Bayern bei. Rettete in der ersten Halbzeit mehrfach mit brillanten Aktionen.
Joshua Kimmich, Abwehr: Hatte seine Teilnahme an der Partie eigentlich schon wegen einer Magen-Darm-Grippe abgesagt. Nach überraschend schneller Genesung war er nach Dortmund nachgereist. Und von einer Schwächung war ihm nichts anzumerken. Zwar nicht so präsent wie gewohnt, lieferte dafür die hübsche Vorlage zum zweiten Treffer.
Niklas Süle, Abwehr: Bewahrte sein Team früh mit toller Grätsche gegen Pierre-Emerick Aubameyang vor einem Rückstand, hatte aber mit seinem wuchtigen Körper große Probleme, wenn er es mit dem flinken Christian Pulisic zu tun bekam. Für Bayern-Freunde gab es durchaus Gründe, Jérôme Boateng zu vermissen.
Mats Hummels, Abwehr: Wirkte bestens präpariert für diese Partie. Wusste genau, dass von Andrey Yarmolenkos rechtem Fuß kaum Gefahr ausgeht, deckte also immer nur das andere Bein, was prächtig funktionierte. Aber auch der ehemalige Dortmunder konnte nicht verhindern, dass die Münchner Defensive ein paar Großchancen zu viel zuließ.
David Alaba, Abwehr (bis 73. Minute): Einer der unauffälligen Münchner, beschränkte sich weitgehend auf seine defensiven Aufgaben. Später auch Torschütze, als seine als Flanke gedachte Hereingabe im Tor landete.
Rafinha (ab 73. Minute): Plauderte nett mit Mario Götze, stellte sich gewissenhaft in die Wege von Shinji Kagawa, ein wirklich wichtiger Faktor wurde er nicht mehr.
Javi Martínez, Mittelfeld (bis 81.): Wurde als einziger Sechser mehrfach überlaufen, verlor den einen oder anderen Zweikampf zu viel. Dass der BVB so viele Kontermöglichkeiten hatte, lag aber auch daran, dass Martínez in manchen Momenten zu wenig Hilfe von seinen Mitspielern erhielt.
Sebastian Rudy (ab 81.): Half geschickt mit, ein Spiel ins Ziel zu schaukeln, das längst entschieden war.
Thiago (vorne), Mittelfeld: Beglückte Fußballästheten wieder einmal mit seinen wunderschönen Spielverlagerungen genau in die Bewegung seiner Mitspieler. Mit einem dieser Bälle leitete er das 1:0 ein. Könnte bald endgültig der Chefstratege bei den Bayern werden.
Arjen Robben (r.), Mittelfeld: Wurde als Mann, der das Champions League-Finale 2013 gegen den BVB entschied, vom Dortmunder Publikum mit besonderer Feindseligkeit begrüßt und rächte sich prompt mit einem tollen Schuss zum 1:0. War mit geschickten Laufwegen und dem Respekt, den seine bloße Anwesenheit den Dortmundern einflößte, ein wichtiger Faktor für diesen Sieg.
James Rodríguez, Mittelfeld (bis 84.): Bereitet das 1:0 mit einem klugen Rückpass auf Robben vor, war ansonsten aber der unauffälligste Münchner Offensivspieler. Dafür verrichtete er viel Fleißarbeit, als es in der zweiten Halbzeit galt, den Vorsprung über die Zeit zu retten.
Arturo Vidal (ab 84.): Konnte während seiner kurzen Spielzeit keine Akzente mehr setzen.
Kingsley Coman, Mittelfeld: verlor zu Beginn fast jeden Zweikampf gegen den wild entschlossenen Dortmunder Rechtsverteidiger Marc Bartra, kam dann aber immer besser in die Partie und war an ein paar sehenswerten Kombinationen beteiligt.
Robert Lewandowski (r.), Angriff: Hätte an diesem Abend seinen Vorsprung auf Pierre-Emerick Aubameyang in der Torschützenliste noch viel deutlicher ausbauen können. Scheiterte vier-, fünfmal aus bester Abschlussposition. Immerhin: Ein Treffer gelang ihm, dank einer kunstvollen Streicheleinheit für den Ball am Fünfmeterraum.
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