Konzernteams Leverkusen und Wolfsburg Die Krisengewinner

Während andere Klubs durch Corona in finanzielle Schieflage geraten, sind Bayer Leverkusen und der VfL Wolfsburg relativ entspannt.
Wolfsburgs Jerome Roussillon (l.) und Leverkusens Julian Baumgartlinger beim Spiel der Konzernteams gegeneinander in der Hinrunde

Wolfsburgs Jerome Roussillon (l.) und Leverkusens Julian Baumgartlinger beim Spiel der Konzernteams gegeneinander in der Hinrunde

Foto:

Susanne Hübner, Susanne Huebner via www.imago-images.de/ imago images/Hübner

Es fällt auch in anderen Zeiten nicht besonders schwer, Parallelen zwischen Bayer Leverkusen und dem VfL Wolfsburg zu finden. Ihre Nähe zu den sie alimentierenden Großkonzernen, ihre Ambitionen, der Umstand, dass beide zwar immer noch mit Animositäten der Traditionsfans zu tun haben, aber längst zum Inventar der Bundesliga gehören.

In diesen Wochen sind die Gemeinsamkeiten allerdings noch ein bisschen deutlicher. Dazu reicht schon ein Blick auf die Tabelle: Als Fünfter und Sechster besetzen Bayer und der VfL derzeit die Europa-League-Plätze, beide sind mit Auswärtssiegen aus der Coronapause hervorgegangen, als Dritter (Leverkusen) beziehungsweise Sechster (Wolfsburg) der Rückrundentabelle sind beide Teams überzeugend in dieses für die Liga so ungewöhnliche Jahr 2020 gestartet.

Sportlich läuft es für die Werksteams zufriedenstellend, so sehr, dass ihre Duelle vom Samstag, Leverkusen bei Borussia Mönchengladbach und Wolfsburg daheim gegen Borussia Dortmund (beide 15.30 Uhr, Liveticker SPIEGEL), zu den Toppartien des Wochenendes aufgestiegen sind.

Gewinne abgeführt - Verluste ausgeglichen

Aber auch darüber hinaus sind die beiden Klubs in der Lage, derzeit beruhigter als andere auf die Corona-Wochen zu blicken. Wenn die DFL wiederholt das Schreckgespenst an die Wand gemalt hat, dass Klubs an den Rand der Existenz rutschen würden, würde die Saison nicht zu Ende gespielt, dann mussten sich Bayer Leverkusen und der VfL Wolfsburg davon beileibe nicht angesprochen fühlen.

Grund ist der sogenannte Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, wie er zum Beispiel in Wolfsburg heißt und 2011 von der damaligen AutoVision GmbH des VW-Konzerns und dem Klub abgeschlossen wurde.

Er besagt in Kurzform: Wenn der Verein Gewinn macht, dann wird er diesen an den Konzern abführen - wie es beim VfL der Fall war, als man Kevin De Bruyne für 75 Millionen Euro Ablöse an Manchester City transferierte und damals das Geschäftsjahr mit Gewinn abschloss. Und für schlechte Zeiten gilt das Gleiche in umgekehrter Richtung: Verluste werden vom Mutterkonzern ausgeglichen. Ein Sonderkonstrukt, das die beiden Klubs in der Liga offiziell als Alleinstellung haben und sie auch von den Investorenklubs 1899 Hoffenheim oder RB Leipzig unterscheidet.

Als Konzerngesellschaft sei man tatsächlich derzeit "robust aufgestellt", sagt Tim Schumacher, Finanzvorstand des VfL, dem SPIEGEL. Und beeilt sich hinzuzufügen, dass man dennoch "wie alle VW-Gesellschaften aktuell einem immensen Kostendruck" unterliege und "alle Projekte auf dem Prüfstand stehen". Der Automobilkonzern hat schließlich für seine Beschäftigten Kurzarbeit angemeldet und die Produktion zeitweise ausgesetzt - da ist es nicht besonders angebracht, die Situation des Klubs demgegenüber als allzu entspannt herauszustreichen.

"Wir sind ziemlich resistent"

Dennoch ist auch Manager Jörg Schmadtke ehrlich genug zu sagen: "Wir sind ziemlich resistent", wie er im "Kicker" formulierte. Nichtsdestotrotz müsse man "vernünftig wirtschaften und überlegen, welche Investitionen möglich sind". Man konzentriere sich derzeit daher "auf die zwingend betriebsnotwendigen Themen", ergänzt Schumacher.

In Leverkusen ist die Situation ähnlich. Über Zahlen, vor allem wenn sie die Beziehung zum Konzern betreffen, hat man bei Bayer 04 noch nie besonders gern gesprochen, auch diesmal hält man sich vornehm zurück: "Wegen der weiterhin ungewissen Lage in Bezug auf die Beendigung dieser und den Start einer nächsten Saison gibt es zurzeit keine belastbaren Fakten zum Transferfenster, geschweige denn erkennbare Vor- oder Nachteile für uns als Bayer 04", teilte der Klub auf Anfrage lediglich mit.

Der Wettbewerbsvorteil in einer Zeit, in der die meisten anderen Klubs sich finanziell teilweise drastisch einschränken müssen, liegt allerdings auf der Hand. "Die relativen Gewinner der Krise sind die Klubs, die am stärksten kommerzialisiert sind, das sind die Konzernteams von Leverkusen und Wolfsburg", sagt Christoph Breuer, Sportökonom an der Sporthochschule in Köln, dem SPIEGEL, und sein Kollege Andre Bühler, Direktor des Deutschen Instituts für Sportmarketing, erkennt in diesen Strukturen "ein Symptom des Ungleichgewichts" in der Liga.

Den Eindruck, fehlende Zuschauereinnahmen über Wochen mal eben so wegstecken zu können, weil der Konzern schon geradesteht, will man in Wolfsburg allerdings partout vermeiden. "Die finanziellen Auswirkungen sind für den VfL schon jetzt erheblich. Die Zuschauereinnahmen fallen völlig weg, Teile der Belegschaft sind immer noch in Kurzarbeit", sagt Schumacher, und Schmadtke spricht von "einer Verantwortung gegenüber dem Konzern". Die gebe es allerdings "weniger aus wirtschaftlicher als aus moralischer Hinsicht".

Mitarbeit: Tim Beyer

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten