Die Bundesliga im Corona-Dilemma Gefährliches Spiel

In der Bundesliga trainieren zwei Teams wieder. Das sorgt für Unmut, andere Klubs fürchten um die Chancengleichheit. Ein Virologe sieht noch andere Probleme.
In der Bundesliga ruht derzeit der Ball - aber wie lange noch?

In der Bundesliga ruht derzeit der Ball - aber wie lange noch?

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Klaus Rainer Krieger/ imago images

In der kommenden Woche berät die Deutsche Fußball Liga (DFL) gemeinsam mit den 36 Profiklubs über die Verlängerung der Spielpause bis mindestens Ende April. Die Entscheidung gilt als Formsache, die aktuellen Entwicklungen in der Coronakrise lassen nichts anderes zu. Wie mehrere Vereinsvertreter dem SPIEGEL bestätigt haben, soll in der DFL-Versammlung am 31. März aber auch über ein anderes Thema gesprochen werden: eine einheitliche Regelung für die Trainingsbedingungen in den beiden Profiligen.

Am Donnerstag hatte die Klubs der Bundesliga und der zweiten Liga ein Schreiben der DFL erreicht. Darin wird empfohlen - festlegen kann der Ligaverband solche Entscheidungen nicht -, bis zum 5. April nur individuell trainieren zu lassen, im Anschluss könne auf Training in Kleingruppen umgestellt werden.

Die DFL sah sich zu dieser Empfehlung gezwungen, da mit dem FC Augsburg und dem VfL Wolfsburg zwei von 18 Bundesligavereinen die individuelle Trainingsisolation aufgegeben hatten. Beim FCA versammelte der neue Trainer Heiko Herrlich seine Spieler in Gruppen auf dem Rasen, um Passformen, Abschlüsse und Athletik trainieren zu lassen. In Wolfsburg blieben die Spieler ebenfalls in Kleingruppen "unter Einhaltung sämtlicher Präventions- und Hygienemaßnahmen in den Krafträumen" der Arena, wie der Verein mitgeteilt hat.

Die Wolfsburger Spieler Kevin Mbabu (l.) und Ismail Azzaoui beim gemeinsamen Fitnesstraining

Die Wolfsburger Spieler Kevin Mbabu (l.) und Ismail Azzaoui beim gemeinsamen Fitnesstraining

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-/ VfL Wolfsburg/ dpa

In der Liga sorgt das für Unmut. In Nordrhein-Westfalen ist der Sportbetrieb auf und in allen öffentlichen und privaten Sportanlagen untersagt - das betrifft laut Staatskanzlei auch die Bundesliga. Andere Bundesländer sehen das differenzierter, so darf in Bayern und Sachsen in Gruppen von vier bis fünf Spielern trainiert werden. In Hamburg könnten die Zweitligaklubs HSV und St. Pauli Sondergenehmigungen beantragen. Die meisten Vereine nehmen die Möglichkeit nicht wahr. Zunächst ging es um Solidarität mit Covid-19-Betroffenen und die Vorbildfunktion in Zeiten von Kontaktverboten, wie Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge schon vor einer Woche sagte. Nun kommt aber ein weiteres Thema hinzu: Chancengleichheit.

"Die Entscheidung, ob ein Mannschafstraining möglich ist oder nicht, sollte zwingend ligaweit einheitlich geregelt werden, um eine Wettbewerbsgleichheit herzustellen", sagte Fortuna Düsseldorfs Vorstandsvorsitzender Thomas Röttgermann dem SPIEGEL. Noch gehen die Klubs von einer Fortsetzung der Saison aus - und dann sollen die Spieler auf einem möglichst ähnlichen Trainingsstand sein. In Wolfsburg bleiben die Verantwortlichen bei ihrer Entscheidung. Es soll trotz der DFL-Empfehlung weiter in Kleingruppen trainiert werden, wie der Klub dem SPIEGEL bestätigte. Der Verein halte sich an alle behördlichen Auflagen.

Virologe Ziebuhr hält Training in Kleingruppen für unangebracht

John Ziebuhr, Leiter des Instituts für Medizinische Virologie an der Universität Gießen, bringt einen anderen Aspekt in die Debatte ein. "Die ganze Gesellschaft tut mit massivem Aufwand alles, um eine Verbreitung des Virus zu verhindern", sagt der Virologe, der zur Evolution und Pathogenese von Coronaviren forscht, dem SPIEGEL. "Es ist nicht angebracht, in Gruppen zu trainieren. Es kann ein flüchtiger Kontakt aus einer kleineren Distanz reichen, um das Virus zu übertragen."

"Die Sicherheitsabstände müssten im Vergleich zum Ruhezustand deutlich vergrößert werden"

John Ziebuhr, Virologe an der Uni Gießen

Ziebuhr bezieht seine Aussagen sowohl auf das Training im Freien als auch auf die gemeinsame Nutzung von Fitnessräumen wie in Wolfsburg. "Das Risiko einer Ansteckung ist erhöht, die Sicherheitsabstände müssten im Vergleich zum Ruhezustand deutlich vergrößert werden", sagt Ziebuhr - und schlägt einen Mindestabstand von fünf statt zwei Metern vor. "Durch die Anstrengung haben die Sportler eine höhere Atemfrequenz und ein höheres Atemvolumen, die Viruspartikel können deshalb weiter gestreut werden."

In der Bundesliga besteht die Hoffnung, im Mai oder spätestens im Juni die restlichen neun Spieltage austragen zu können. "Das muss im Gesamtzusammenhang gesehen werden", betont der Virenexperte. "Wenn angefangen wird, Kindergärten oder Schulen zu öffnen, dann muss der Sport in diese Entscheidungen, die für die gesamte Gesellschaft getroffen werden, eingeordnet werden."

Im Individualtraining gehen viele Elemente verloren

Viele Klubs werden am kommenden Dienstag auf eine einheitliche Lösung drängen - die aber ohnehin nur einzuhalten ist, wenn sich keine weiteren Profis mit dem Coronavirus anstecken und es zu Quarantänemaßnahmen käme. Es wird aber auch darum gehen, möglichst viel Vorlaufzeit für einen geregelten Trainingsbetrieb zu bekommen. Denn auch wenn sowohl im individuellen Training als auch in gemeinsamen Videoeinheiten wie beispielsweise beim FC Bayern die konditionelle Grundlage der Profis beibehalten werden kann, so geht den Fußballern in anderen Bereichen einiges verloren. Das bestätige auch Kölns Stürmer Simon Terodde in einem "Zeit"-Interview . Dort sagt Terodde, dass er "diese eine, kleine Bewegung nicht üben" könne, um vor seinen Gegenspieler zu kommen.

"Der Kopf bleibt nur in gemeinsamen Spielformen hellwach"

Trainingswissenschaftler Daniel Memmert

"Neben der Fitness geht es auch um den Kopf, um Kognition, um Wahrnehmung, um Aufmerksamkeit und taktisches Verhalten", sagt Daniel Memmert, geschäftsführender Leiter des Instituts für Trainingswissenschaft und Sportinformatik an der Deutschen Sporthochschule Köln, dem SPIEGEL. "Der Kopf bleibt nur in gemeinsamen Spielformen hellwach."

Der Trainingswissenschaftler hat Verständnis für die Ambitionen der Vereine, gemeinsam zu trainieren. "Es hat auch einen psychologischen Effekt", so Memmert. "Wir reden über Mannschaftssportler, die ein Leben lang in einem Team funktioniert haben."

Bei Bayer Leverkusen ist der Trainerstab der Meinung, mindestens drei Wochen vor der Wiederaufnahme des Spielbetriebs in einen regulären Trainingsbetrieb einsteigen zu müssen. Memmert sieht es ähnlich: "Um in einen Rhythmus zu kommen, sind ein oder zwei Wochen klassische Trainingsarbeit nötig, um die Rückstände aufzuholen." Für den Experten wird auch die mentale Verfassung der Spieler entscheidend sein, da sie sich auf viele neue Situationen werden einstellen müssen.

Der Fußball steckt in einem Dilemma. Finanziell stehen bedrohliche Zeiten bevor, die nur mit Spielen und dazugehörigem Training abgemildert werden können. Aber: "Fußball ist eine Mannschaftssportart und extrem dazu angetan, das Virus leicht zu übertragen", sagt Virologe Ziebuhr.

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