

Es war der Moment, in dem auch dem letzten zweifelnden Zuschauer im Dortmunder Stadion klar war, dass nichts mehr schiefgehen konnte. Als Jürgen Klopp zur Eckfahne rannte, um den Torschützen zum 2:0, Shinji Kagawa, in den Dortmunder Nachthimmel zu heben, stand fest: Borussia Dortmund ist Deutscher Meister 2012.
Im Spiel gegen Borussia Mönchengladbach hatte der BVB mit einem 2:0 (1:0) den Titelgewinn perfekt gemacht. Anschließend kannte der Jubel unter den Spielern, den Fans im Stadion und in der Dortmunder Innenstadt keine Grenzen mehr. Kagawa, nach seinem Treffer noch mit Trainer Klopp an der Eckfahne vereint, schlich sich nun von hinten an seinen Coach heran. Der nach zahlreichen Bierduschen seiner Spieler bereits triefende Klopp drehte sich um, sah den kleinen Japaner und schaute unbesorgt wieder weg.
Wahrscheinlich hatte selbst Klopp, dessen Verhältnis zu Kagawa fast väterliche Züge trägt, nicht damit gerechnet, dass der sonst so schüchterne Japaner ebenfalls ein 5-Liter-Glas über ihn ergießen wollte. Doch genau das tat der 1,72 Meter kleine Mittelfeldspieler, begleitet von einem fast kindlichem, quiekendem Lachen. Nach der erneuten Bierdusche schaute sich Klopp irritiert um und bekam gerade noch mit, wie Kagawa sich das Trikot vom Leib riss und jubelnd Richtung Südtribüne lief, wo bereits ein Großteil seiner Kollegen feierte.
Weidenfelder, Leitner und Kehl übten immer wieder den Diver
Anders als im vergangenen Jahr jubelte die Mannschaft dieses Mal alleine auf dem Rasen, die Fans mussten in ihren Blöcken bleiben. Der BVB wollte damit verhindern, dass der Rasen vor dem letzten Saisonspiel noch einmal neu verlegt werden muss. Ob das literweise vergossene Bier dem Geläuf allerdings gut tun wird, ist fraglich.
Den Spielern war die Platzpflege egal. Torwart Roman Weidenfelder, Moritz Leitner und Kapitän Sebastian Kehl übten immer wieder den Diver, rutschten direkt vor der Südtribüne auf ihren Bäuchen über den Rasen. Wenn Leitner nicht gerade auf dem Boden glitt, spielte er mit Verteidiger Mats Hummels Bulle und Torero, Hummels ließ den jungen Mittelfeldspieler wie einen Stier auf eine Meisterschale zulaufen. Währenddessen holte der zweite Torschütze des Abends, Ivan Perisic, eingewickelt in eine kroatische Flagge immer wieder neues Bier ins Stadioninnere.
Die Spieler wurden dabei noch über eine Stunde nach Spielschluss von der vollständig gefüllten Südtribüne gefeiert. Keiner der über 20.000 Zuschauer dort verließ das Stadion vorzeitig, zeitweise wirkte die größte Stehplatztribüne Europas wie eine riesige Hüpfburg. Aufgrund der zahlreichen abgefackelten bengalischen Feuer roch es im Stadion zudem wie in der Silvesternacht. Hummels schwärmte: "Diese Südtribüne ist für jeden eine Verpflichtung. Das motiviert uns jedes Mal unglaublich. Für diese Leute spielen wir."
"Wir sind hier eine Familie"
Während die Spieler vor der Südtribüne feierten, standen ihre Frauen und Kinder am Mittelkreis und klatschten ihnen zu. Lewandowski sagte SPIEGEL ONLINE: "Wir sind hier eine Familie. Wir mögen uns. Wir kennen uns. Unsere Familien geben uns viel Kraft."
Dabei begann der Spieltag für die BVB-Zuschauer eher dramatisch. Nachdem sich Tausende Fans bereits fünf Stunden vor dem Spiel gegen Mönchengladbach zum Alten Markt und ins Kreuzviertel begaben, erlebten sie in den folgenden Stunden eine Achterbahnfahrt der Gefühle.
Als die U-Bahn, prall gefüllt mit BVB-Fans, um 17.18 Uhr am ehemaligen Westfalenstadion ankam, dröhnte aus Hunderten Kehlen der Schlachtruf: "Deutscher Meister steigt aus." Nur wenige Sekunden später brüllten Hunderte gerade angekommene Gladbacher Fans: "Vize, Vize BVB." Sekunden zuvor hatte Franck Ribéry zum Bayern-Sieg in Bremen getroffen, Dortmund musste aus eigener Kraft Deutscher Meister werden - die perfekt spannende Ausgangslage für den Abend.
Am Ende durfte das Dortmunder Team dennoch ausgelassen feiern. "Wir sind überglücklich. Das haben wir verdient", sagte Kevin Großkreutz, der wegen eines Nasenbeinbruchs nicht gespielt hatte. Auch die Verantwortlichen jubelten: "Die Mannschaft hat es heute wieder überragend gemacht. Ich glaube, es hat selten einen verdienteren Meister gegeben als Borussia Dortmund", sagte Sportdirektor Michael Zorc.
Borussia Dortmund - Borussia Mönchengladbach 2:0 (1:0)
1:0 Perisic (23.)
2:0 Kagawa (59.)
Dortmund: Weidenfeller - Piszczek, Subotic, Hummels, Schmelzer - Gündogan (73. Leitner), Kehl - Blaszczykowski (88. S. Bender), Kagawa (73. Götze), Perisic - Lewandowski
Mönchengladbach: ter Stegen - Stranzl, Brouwers, Dante, Daems - Nordtveit, Jantschke - Herrmann (64. Ring), Arango (69. Wendt) - Reus, Hanke
Schiedsrichter: Florian Meyer
Zuschauer: 80.720 (ausverkauft)
Gelbe Karten: Kagawa - Stranzl (5)
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Kollektives Erlebnis: Am 32. Bundesliga-Spieltag trat der BVB eigentlich erst am frühen Abend gegen Borussia Mönchengladbach an. Dennoch fanden sich wie hier am Alten Markt in Dortmund bereits am Nachmittag etliche BVB-Fans zusammen, um gemeinsam das Spiel zwischen Werder Bremen und Bayern München zu verfolgen. Denn hätten die Münchner in dieser Partie Punkte gelassen, wäre der BVB ohne eigenes Zutun Deutscher Meister 2012.
Im Schein der Leinwände verfolgten die Anhänger die Partie und hatten in der 51. Minute...
...bereits Grund zum Jubeln, weil Bremens Naldo die Führung gegen den Rekordmeister erzielt hatte. Anschließend...
...bestimmte gespanntes Warten den weiteren Verlauf der Partie. Wer nicht vor Ort war, wurde von den anwesenden Fans stets ausreichend informiert. Ab der 75. Minute mussten die Dortmunder Fans dann zittern, denn Naldo hatte per Eigentor zum 1:1 ausgeglichen.
Doch auch bei einem Remis hätten die Dortmunder die Meisterschaft feiern können, die dieser Fan schon einmal mit einer Papp-Meisterschale vorbereitet hatte.
Daraus wurde jedoch vorerst nichts: Franck Ribéry hatte die Münchner in der 90. Minute zum Sieg geschossen.
Also mussten die Dortmunder Fans weiter warten.
Doch vom Münchner Erfolg ließen sich die Fans im Stadion nicht entmutigen. Sie feierten ihr Team trotzdem schon vor dem Anpfiff.
Und selbst wenn es doch nichts mit der Meisterschaft geworden wäre, für diese Fans ist der Derbysieg in der Vorwoche gegen Schalke 04 genauso viel wert.
Allerdings wäre es ihnen wohl doch lieber gewesen, wenn sie ihren Trainer wie in dieser Nachbildung am Ende mit der Meisterschale in der Hand sehen könnten.
In Augenschein nehmen konnten die Anhänger im Stadion dafür vorab schon einmal Marco Reus, der in der kommenden Saison für Borussia Dortmund spielen wird.
Nach dem Führungstreffer durch Ivan Perisic wurde die Dortmunder Meisterschaft immer wahrscheinlicher. Auch bei den Fans, die keine Karte...
...für einen Stadionbesuch ergattern konnten, war der Jubel nach dem Führungstreffer riesig.
Kollektiv versanken sie im Jubeltaumel, allerdings mussten sie zu diesem Zeitpunkt noch 67 Minuten warten, ehe der Titelgewinn perfekt war.
Bis dahin musste gezittert werden, Trainer Jürgen Klopp war die Anspannung anzusehen.
Durchatmen konnten Klopp und die Zuschauer erst, als Shinji Kagawa das 2:0 erzielt hatte.
Da ließ es sich Klopp nicht nehmen, von der Bank...
...zur Eckfahne zu sprinten, um seinen japanischen Star hochleben zu lassen.
Auf der Südtribüne wurde ebenfalls kräftig gefeiert, gab es nun doch kaum noch Zweifel am feststehenden Meistertitel.
Nachdem auch die einminütige Nachspielzeit vorbei war, ging es auf dem Platz hoch her. Klopp kassierte von mehreren Spielern eine Bierdusche.
In der Dortmunder Innenstadt flippten die Fans völlig aus.
Die Spieler jubelten dann mit einem echten Klassiker - der "Raupe", angeführt von Sebastian Kehl. Der Kapitän hielt eine Plastik-Meisterschaftsschale in der Hand.
Eine zärtliche Belohnung gab es für Mats Hummels. Der Innenverteidiger und seine Freundin küssten sich auf dem Rasen des Dortmunder Stadions.
Gemeinsam feierte die Mannschaft den Triumph vor den Fans. Das Stadion war mit knapp über 80.000 Zuschauern ausverkauft.
Stadionsprecher Nobert Dickel (unten) erhielt auch noch eine standesgemäße Bierdusche. Er spielte zwischen 1986 und 1990 selbst für die Borussia.
Im Anschluss nahm ihn Kevin Großkreutz in den Arm. Der Nationalspieler, früher selbst Ultra, gab vor den Anhängern den Anpeitscher.
Die Fans feierten auch am späten Abend am Alten Markt weiter, zündeten dabei auch Pyrotechnik. Am 12. Mai könnte der nächste Partyrausch folgen: Dann trifft der BVB im Finale des DFB-Pokals auf den FC Bayern. Bislang hat Dortmund noch nie das Double geholt.
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