Eintracht Frankfurt nach dem 27. Bundesliga-Spieltag Diesen Klub will man nicht verlassen. Oder?

Frankfurter Jubel über den Sieg gegen den BVB, mittendrin die Topstars Kostic und Silva
Foto: Lars Baron / dpaEintracht Frankfurt befindet sich auf dem besten Weg in die Champions League. Und das hat viel mit Filip Kostic zu tun: Der Serbe ist im Jahr 2021 bereits auf 17 Torbeteiligungen in 14 Ligaspielen (13 Vorlagen, vier Treffer) gekommen. Beim 2:1-Sieg bei Borussia Dortmund am vergangenen Wochenende bereitete er beide Treffer vor.
Es ist kaum mehr vorstellbar, dass Kostic im Jahr 2018 noch jener Mannschaft angehörte, die erstmals in der Geschichte des Hamburger SV abgestiegen ist. Aber das tat er, und Kostic ging im Chaos mit unter. Doch das ist lange her. Heute fällt Kostic auf, weil er nicht nur schnell rennt, sondern auch herausragend im Dribbling ist und viele Schlüsselpässe spielt. All das hat man gegen den BVB beobachten können. Kostic ist in diesem Jahr einer der besten Spieler der Bundesliga.
Aber es ist selten ein Spieler allein. Die Frankfurter Stärke hängt auch mit André Silva zusammen, der die vielen Kostic-Pässe verwertet, bei 22 Treffern steht und damit bereits mehr geschossen hat als Dauergesprächsthema Erling Haaland. Und mit Daichi Kamada, der die Offensive lenkt und die Fans vor den Fernsehern entzückt. Mit Makoto Hasebe, der mit 37 Jahren noch immer die Knochen hinhält. Oder mit Stefan Ilsanker, der beim wichtigen Sieg um die Königsklasse ein überragendes Spiel gegen den BVB in der Abwehrzentrale gemacht hat.
Eintracht Frankfurt ist aktuell Tabellenvierter und hat sieben Punkte Vorsprung auf den Fünften aus Dortmund. Jetzt habe man eine »historische Chance« auf die Champions League, sagte Trainer Adi Hütter, noch sind sieben Spiele in dieser Saison zu bestreiten. Der Österreicher ist ein weiteres Mitglied der Frankfurter Erfolgsmannschaft, genauso wie Fredi Bobic, der zusammen mit Chefscout Ben Manga und dem Sportlichen Leiter Bruno Hübner den Kader zusammengestellt hat. Und dieser begeistert nicht nur sportlich.
Das Funktionärsteam hat eine Mannschaft entwickelt, die auch aus wirtschaftlicher Sicht spannend ist. Die Marktwerte von Kostic, Silva, Kamada oder Verteidiger Evan N'Dicka haben sich seit ihrer Verpflichtung enorm entwickelt. Es gibt wohl kaum einen Spieler im Frankfurter Kader, der bei einem Verkauf ein Verlustgeschäft werden würde. Kostic kam 2018 zunächst als Leihspieler vom HSV, später verpflichtete ihn die Eintracht für angeblich sechs Millionen Euro – heute dürfte sein Marktwert um ein Vielfaches höher liegen. Die Eintracht ist der Klub, der Werte schafft.
Und es sind nicht nur Transferwerte. Die Eintracht steht für gesellschaftliche Werte, und die Mannschaft bringt sie öffentlich zum Ausdruck: Zum Jahrestag des rassistischen Anschlags in Hanau gedachten die Eintracht-Profis der Opfer mit T-Shirts, die sie vor dem Spiel gegen den FC Bayern trugen. Als Amin Younes das zwischenzeitliche 2:0 erzielte, ließ er sich ein T-Shirt reichen und hielt es in die Höhe. Das T-Shirt zeigte Fatih Saraçoğlu, eines der Opfer. »Es bringt die Opfer nicht zurück. Aber die Familienangehörigen sollen wissen, dass wir an sie denken«, sagte Younes. Ein Tor für Hanau, und ein wichtiges Statement.
Ein Umbruch droht
Es fällt schwer, die Eintracht nicht zu mögen. Und man fragt sich: Wie kann man diesen Klub eigentlich verlassen wollen? Auf die Frankfurter wartet mit der möglichen Champions-League-Teilnahme die aufregendste Spielzeit der Klubgeschichte, womöglich dann auch wieder mit Zuschauern im Stadion, sollte die Impfkampagne die Coronapandemie bis dahin ausreichend ausgebremst haben.

Silva bei seinem Siegtreffer gegen den BVB
Foto: LARS BARON / AFPSo gut die Entwicklung der Eintracht ist, sie weckt Begehrlichkeiten: Fredi Bobic hat seinen Abgang im Sommer bereits bestätigt, offiziell ist er aber noch nicht. Ihn könnte es zu Hertha BSC ziehen, wo mit viel Geld endlich das internationale Geschäft angegriffen werden soll . Hübner macht Schluss in Frankfurt, und an Trainer Hütter soll Borussia Mönchengladbach nach dem Abgang von Marco Rose baggern. Hütter wirkte nach dem BVB-Spiel genervt von der Frage, ob es ihn zu einem anderen Klub ziehen könnte; vor einem Monat hatte er gesagt, er wolle in Frankfurt bleiben. Die sportliche Perspektive ist seither nicht schlechter geworden.
Wahrscheinlicher ist eher ein Umbruch im Kader als auf der Trainerbank. Kostic, 28, und Silva, 25, befinden sich im besten Alter eines Fußballers. Auf sie werden im Sommer Angebote von Klubs warten, die womöglich mehr Strahlkraft besitzen als Eintracht Frankfurt. Von Klubs, die ihnen womöglich auch mehr Gehalt zahlen werden. Vielleicht aus einer Liga, die aufregender ist als die Bundesliga. Da kommt man ins Grübeln.
Aber wäre ein Abgang aus Frankfurt die richtige Entscheidung? Oft ist so eine Entscheidung auch Glückssache. Die Eintracht, so scheint es, bietet ein Umfeld, in dem sich Spieler prächtig entwickeln können. Der Fall Kostic verdeutlicht das, auch der von Silva, für ihn war es zuvor bei der AC Mailand und beim FC Sevilla eher mäßig gelaufen.
Zum Ende der Saison 2018/2019 hieß der wohl aufregendste Frankfurter Spieler Luka Jovic. Den damals 21-Jährigen zog es in jenem Jahr zu Real Madrid – und dort geriet die Karriere ins Stocken. Der Rest der Geschichte ist bekannt: Jovic spielt derzeit wieder für Eintracht Frankfurt.