Erkenntnisse des 19. Spieltags Der Siegeszug des 3-4-3

Eintracht-Spieler Martin Hinteregger (r.) in der Partie gegen Hertha BCC
Foto: Xinhua / imago images/XinhuaSelten in der Bundesliga hat sich eine taktische Aufstellung in so kurzer Zeit so bewährt wie die 3-4-3-Formation. Eintracht Frankfurt und SC Freiburg verhalf die Formation zum Aufstieg in die obere Region der Tabelle. Leipzig gewann fünf von acht Spielen mit dieser Formation, selbst Abstiegskandidat Köln hat im 3-4-3 eine positive Bilanz. Eine Analyse anhand von drei Beispielen:
1. Die defensiven Vorteile des 3-4-3: das Beispiel Köln

Kölns Torschütze Wolf (l.)
Foto: Rolf Vennenbernd / dpaKölns Spiel gegen Arminia Bielefeld bedeutete immens viel für die Elf von Markus Gisdol. Mit einem Sieg konnten die abstiegsbedrohten Kölner an Bielefeld vorbeiziehen. Gisdol baute seine Elf um. Das 3-4-3 hatte er diese Saison bereits genutzt, musste es mangels formstarker Mittelstürmer aber verwerfen. Die Verpflichtung von Emmanuel Dennis verschaffte Gisdol die Möglichkeit, zum 3-4-3 zurückzukehren – mit Erfolg.
Der Kölner 3:1-Sieg steht exemplarisch für die defensiven Vorteile des 3-4-3. Auf der einen Seite kann man mit dieser Formation hohen Druck ausüben: Drei Spieler attackieren in vorderster Linie, dahinter können vier Spieler nachrücken, wenn dies nötig wird. Mit drei Innenverteidigern ist man in letzter Linie trotzdem gut aufgestellt. Die Aufteilung für ein hohes Pressing stimmt.
Auf der anderen Seite eignet sich das 3-4-3 aber auch, um den eigenen Strafraum zu verbarrikadieren. Dazu fallen die Außenspieler zurück. So wird aus dem 3-4-3 zunächst ein 5-2-3. Zieht sich ein Team noch weiter zurück, kann sogar ein 5-4-1 entstehen.
Das Timing, wann ein Team im 3-4-3 hoch presst und wann es sich im 5-4-1 zurückzieht, verlangt viel Koordination von den Spielern. Taktisch sind die Spieler im Zentrum gefragt, konditionell beansprucht es speziell die Außenspieler. Die Bundesliga-Spieler haben sich jedoch in den vergangenen Jahren konditionell wie taktisch weiterentwickelt.
Zugleich müssen die Spieler viel kommunizieren, um rechtzeitig den Übergang von einer Variante zur anderen zu schaffen. Die Geisterspiele ermöglichen den Spielern, sich besser zu hören. Das erklärt, warum ein vergleichsweise komplexes System wie das 3-4-3 sich gerade in Corona-Zeiten durchsetzt.
Kölns 3-4-3 war für Arminia Bielefeld kaum zu knacken. Sie stellten den Gegner schachmatt – und gewannen damit das wichtige Duell im Kampf um den Klassenerhalt.
2. Die offensiven Vorteile des 3-4-3: das Beispiel Frankfurt

Frankfurts André Silva im Spiel gegen Hertha BSC
Foto: Jan Huebner / imago images/Jan HuebnerEintracht Frankfurt befindet sich am anderen Ende der Tabelle. Bei Gegner Hertha BSC wollte der neue, alte Trainer Pal Dardai das kriselnde Team stabilisieren und legte den Fokus dafür auf eine kompakte Defensive.
Frankfurt musste diese Berliner Mauer knacken. Zu Beginn der Saison waren sie häufig an solchen Aufgaben gescheitert – bis Trainer Adi Hütter eine Lösung fand. Er stellte auf ein 3-4-3-System um, tat das aber nicht aus defensiven, sondern aus offensiven Motiven.
Das 3-4-3 bietet Platz für mehr Kreativspieler. Daichi Kamada und Amin Younes besetzen die Positionen neben Stürmer André Silva. Sie sind keine klassischen Außenstürmer, sondern eher im Zentrum beheimatet. Beide bilden eine Art Doppelzehn hinter Silva. Eigentlich müsste man das Frankfurter 3-4-3 daher als 3-4-2-1 bezeichnen: drei Verteidiger, vier Mittelfeldspieler, zwei Zehner plus Silva.
Die neue Anordnung löste ein Frankfurter Problem. Vorher hatten die Frankfurter zu wenig Präsenz hinter Silva. Gerade die Halbräume, der Korridor zwischen Zentrum und Flügel, blieben verwaist. Frankfurt musste sich auf Flügelangriffe konzentrieren, die für den Gegner leicht zu durchschauen waren.
Nicht nur sind Kamada und Younes zwei technisch starke, verspielte Dribbler, die Abwehrreihen im Alleingang auseinandernehmen können. Ihre Position im Halbraum nimmt zudem Druck von den Außenspielern. Der Gegner muss sich zusammenziehen, um sie zu decken. Die Flügelspieler erhalten mehr Freiraum.
Auftritt Filip Kostic: Frankfurts Linksverteidiger ist wesentlich besser ins Spiel integriert als zu Beginn der Saison. Gegen Hertha leitete er das 1:1 ein, auch sonst war er ein Aktivposten im Frankfurter Spiel. Die Eintracht gewann 3:1, es war der sechste Sieg im achten Spiel im 3-4-3. Die Frankfurter sind in dieser Formation sogar noch gänzlich ungeschlagen.
3. Das Gegenmittel: Wie Wolfsburg den SC Freiburg schlug

Jubelnde Wolfsburger
Foto: Darius Simka / imago images/regios24Das 3-4-3 zeigte sich am Wochenende hocheffektiv: Zu den erwähnten Siegen von Frankfurt und Köln kam noch der Stuttgarter 2:0-Erfolg gegen Mainz, auch die Leipziger wandten es zeitweise an beim 1:0-Sieg gegen Leverkusen.
Nur ein Vertreter des 3-4-3 ging baden – und das ziemlich deutlich. Der SC Freiburg hatte in dieser Formation zuvor nur 1:2 gegen den FC Bayern verloren. Gegen den VfL Wolfsburg hatten sie bei der 0:3-Niederlage kaum eine Chance. Nach dem Treffer zum 0:1 fand die Elf von Christian Streich nicht zurück ins Spiel.
Dabei sind die Freiburger ein Paradevertreter des 3-4-3-Trends: Mal stören sie am gegnerischen Strafraum, mal verbarrikadieren sie sich in der eigenen Hälfte. Wie in Frankfurt besetzt die Doppelzehn konsequent den Halbraum.
Wolfsburgs Trainer Oliver Glasner entwarf allerdings den passenden Matchplan gegen Freiburgs 3-4-3. Defensiv verteidigte Wolfsburg im 4-4-2. Sie konzentrierten sich darauf, die Wege ins Zentrum zu versperren: Freiburg sollte den Flügel entlang spielen, aber keinesfalls in den Halbraum passen dürfen. Flügelangriffe und Flanken können die Wolfsburger mit ihrer kopfballstarken Innenverteidigung leicht neutralisieren.
Offensiv fand der VfL die Lücken im Freiburger System. Die Außenstürmer beorderte Glasner in die Spielfeldmitte. Wenn die Freiburger Außenverteidiger im 3-4-3 hoch anliefen, sollten sie im Halbraum bereitstehen. Das ist der blinde Fleck des 3-4-3: Da auch die Sechser im Pressing hochschieben, ist die Defensive hier anfällig.
Wolfsburg Stärke nach Standards besorgte den Rest. Defensiv stellten sie den Gegner kalt, offensiv setzten sie immer wieder Nadelstiche. Fußball ist eben nicht am Reißbrett planbar. Eine Formation ohne Schwächen gibt es nicht.