Fanvertreter gegen Abschaffung der 50+1-Regel "Was wäre so schlimm daran?"

Noch im März wollen die Bundesliga und ihre Vereine über die Öffnung des deutschen Fußballs für Investoren beraten. Viele Anhänger wollen das verhindern. Fanvertreter Manuel Gaber im Gespräch.
Fans des VfB Stuttgart

Fans des VfB Stuttgart

Foto: Marijan Murat/ dpa

SPIEGEL ONLINE: Herr Gaber, in den vergangenen Tagen haben sich Vereinsvertreter und Investmentbanker zur 50+1-Regel geäußert. Jetzt werden die Fans aktiv. Gibt es eigentlich kein wichtigeres Thema im deutschen Fußball?

Manuel Gaber: Zurzeit nicht, denn wenn sich die Leute durchsetzen, die die Regel abschaffen wollen, wird sich der Fußball schnell ganz grundsätzlich zum Negativen verändern. Die DFL hat eine Debatte eröffnet, die Vereine werden sich am 22. März zusammensetzen. Und viele fordern, dass man 50+1 abschaffen soll. Umso mehr freut uns, dass sich die Fanbasis so klar für den Erhalt von 50+1 positioniert. Unsere Erklärung  haben schon mehr als 1000 Fanklubs unterzeichnet - innerhalb von vier Tagen. Die großen Fanverbände wie Unsere Kurve, Football Supporters Europe, BAFF, ProFans sind auch alle dabei.

SPIEGEL ONLINE: Wer hat die Aktion initiiert?

Gaber: Fans aller Altersklassen unter anderem aus Freiburg, Hannover und Köln, wir sind dann auf die anderen Gruppen zugegangen. In der nächsten Woche wollen wir die Erklärung an DFB und DFL übergeben.

SPIEGEL ONLINE: Die 50+1-Regel soll gewährleisten, dass Investoren nicht die Mehrheit der Anteile an einem Verein übernehmen dürfen. Was wäre so schlimm daran, wenn das gekippt würde?

Gaber: Dann erhöht sich der Wettbewerbsdruck für alle Vereine und die Finanzkraft eines Investors wird wichtiger als die gute Arbeit, die vor Ort geleistet wird. Wenn 50+1 fällt, werden mehr Leute reinreden, die sich weniger für Fußball als für kurzfristige Rendite interessieren. Wir sind da ganz auf der Seite von Max Eberl.

SPIEGEL ONLINE: ...dem Gladbacher Manager und 50+1-Befürworter.

Gaber: Er hat gesagt, er habe keine Lust, sich irgendwann mal von einem Mehrheitseigner sagen lassen zu müssen, welchen Spieler er verkaufen und welchen Trainer er wann entlassen soll.

Die 50+1-Regel...

...besagt, dass Investoren ungeachtet der Höhe ihrer Anteile nicht die Stimmenmehrheit an einem Fußballklub erlangen. Viele Bundesligaklubs haben ihre Lizenzspielerabteilungen als Kapitalgesellschaften ausgegliedert, um so Investoren anzulocken. Mit der Regel soll verhindert werden, dass diese Geldgeber die Entscheidungshoheit über diese Bereiche übernehmen können.

SPIEGEL ONLINE: Ein Verein, der das nicht will, muss ja seine Anteile nicht verkaufen. Was spricht dagegen, dass jeder Klub selbst entscheidet, wie er seine Zukunft gestaltet?

Gaber: Dass die Entscheidungsfreiheit nur theoretisch ist. Wenn die Jagd nach dem reichsten Investor eröffnet ist, werden alle versuchen, hinterherzuhecheln, weil sie sonst ganz abgehängt werden.

SPIEGEL ONLINE: Sie tun so, als sei der Status quo gerecht. Dabei gibt es schon jetzt vier Klubs, die von 50+1 ausgenommen sind. Müsste man die Regel nicht abschaffen, um wieder Chancengleichheit herzustellen?

Gaber: Es gab schon immer die Ausnahmen für Leverkusen und Wolfsburg. Ansonsten gibt es klare Regeln, wer eine Ausnahme beantragen kann. Deswegen musste 96-Präsident Martin Kind ja auch seinen Antrag zurückziehen. Die DFL fand offensichtlich nicht, dass er seinen Verein 20 Jahre lang "in erheblichem Maße" unterstützt hat.

SPIEGEL ONLINE: Sie glauben also nicht an eine weitere Erosion?

Gaber: Wenn die DFL auch künftig so konsequent entscheidet, kann die Regel noch lange eine Leitplanke sein. Die nächsten Wochen sind also entscheidend für Fairness und Wettbewerb.

SPIEGEL ONLINE: "Finger weg von 50+1" steht auf vielen Fanplakaten. Die Zuschauer wissen offenbar, was sie nicht wollen. Aber was wollen sie?

Gaber: Kaum einer fragt sich, woran es liegt, dass sich der Profifußball schon jetzt so weit von der Lebensrealität der normalen Leute entfernt hat. Der Fußball bringt jede Woche Hunderttausende Menschen zusammen, hat enorme Strahlkraft in den Breitensport. Aber bei der DFL hat man den Eindruck, es gehe nur noch um Finanzen. Der Sport tritt in den Hintergrund. Das monieren Fans seit Jahren.

SPIEGEL ONLINE: Aber sprechen Zusammenschlüsse wie Ihrer überhaupt für die Mehrzahl der Fans?

Gaber: Wir haben jedenfalls eine sehr breite Basis bei den Erstunterzeichnern, vom Stehplatz bis zur Haupttribüne. Und vom FC Bayern bis zur TuS Koblenz.

SPIEGEL ONLINE: Aber alle haben gemein, dass sie Stadiongänger sind. Vielen Fans, die am Wochenende Pay-TV schauen, dürfte es egal sein, wem ein Verein gehört. Die wollen schönen, erfolgreichen Fußball sehen.

Gaber: Natürlich sprechen wir für die Fans, die gerne ins Stadion gehen. Aber das sind jene, die den Fußball stark machen, die Stadien vollmachen auf der Tribüne wie in der Kurve. Immerhin spielen wir mit offenen Karten.

SPIEGEL ONLINE: Was meinen Sie damit?

Gaber: Wir hören aus den Vereinen, dass da fleißig Lobbyarbeit gemacht wird. Nicht zuletzt von Aktionären, die hoffen, dass ihre Anteile im Wert steigen, wenn 50+1 fällt. Einer der Gründe, warum wir die Initiative ins Leben gerufen haben, ist auch, dass wir Vereinen wie Dortmund oder Freiburg, die sich pro 50+1 positioniert haben, zeigen wollen: Gut so, damit habt ihr eure Basis hinter euch. Im Idealfall stehen Vereine und Fans gemeinsam dafür ein, dass die Regel bestehen bleibt. Leider ist das nicht in allen Vereinen der Fall.

SPIEGEL ONLINE: Es scheint, als sei das Lager der Befürworter zuletzt lauter geworden. Aus Dortmund, Gladbach, St. Pauli oder Düsseldorf gab es zuletzt deutliche Statements.

Gaber: Es wird um eine rote Linie gehen, die man überschreiten kann oder nicht. Das haben ja auch viele Vereine erkannt. Es geht jetzt wirklich um alles.

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