Hamburger SV Mal wieder geschafft
Heribert Bruchhagen, seit Dezember amtierender Vorstandschef des HSV, hat durch seine unaufgeregte und seriöse Art entscheidend dazu beigetragen, dass es ein bisschen ruhiger geworden ist im Verein, doch am Ende der Saison erlaubte er sich dann doch einen Scherz.
Die Hamburger hatten gerade den Klassenerhalt geschafft durch das 2:1 gegen den VfL Wolfsburg am 34. Spieltag und damit den Gegner aus Niedersachsen in die Relegation geschickt. Der Siegtreffer war dem jungen Luca Waldschmidt in der 88. Minute gelungen, kurz nach seiner Einwechslung. Waldschmidt war einst bei Eintracht Frankfurt zum Profi aufgestiegen, der damalige Klubchef in Frankfurt hieß: Bruchhagen. Nun sagte er: "Ich habe ihm damals einen Vertrag gegeben in der Hoffnung, dass er heute das entscheidende Tor macht. Man muss halt langfristig planen." Dann lachte er, zumindest ein kleines bisschen.

Es ist einiges an Anspannung abgefallen von den Hamburgern durch den Sieg gegen Wolfsburg. Sie waren der dritten Relegation in vier Jahren um Haaresbreite entkommen und dürfen weiter ihren heiligen Status als ewiger Bundesligist pflegen.
Und das, obwohl sie in dieser Saison fast schon abgestiegen waren, nach zehn Begegnungen hatten sie gerade einmal zwei Punkte in der Bilanz. Den miesen Start schleppte die Mannschaft bis zum Ende mit sich herum. "Wir hatten jede Woche ein Endspiel, mussten immer kühlen Kopf bewahren", sagte Trainer Markus Gisdol.
Mit dem Abpfiff der Partie gegen Wolfsburg entlud sich der Druck, unter dem der HSV die ganze Spielzeit gestanden hatte. Die Zuschauer strömten auf den Platz, es fand eine spontane Party auf dem Rasen des Volksparkstadions statt. "Niemals zweite Liga!", sang das Publikum.
Und wenn man sieht, wie die Hamburger immer wieder die Klasse halten, wie sie sich auch im Laufe dieser Spielzeit zurückgekämpft haben und nach jüngsten Tiefschlägen wie dem 0:4 in Augsburg wieder auf die Beine kamen - dann ist man geneigt, dieser These zuzustimmen. Dann liegt die Vermutung nahe, dass dieser Klub tatsächlich niemals absteigen wird.
Minimalziel erreicht
Beim Anhang und auch bei den Spielern reagierte nach der Partie Ausgelassenheit. Lewis Holtby verabreichte Klubchef Bruchhagen vor laufender TV-Kamera eine Bierdusche. Und Gotoku Sakai berichtete, dass ihn das Zustandekommen des Sieges gegen Wolfsburg aber mal so gar nicht interessiere. "Er war kein schönes Spiel. Aber das ist mir scheißegal!", sagte der sonst stets zurückhaltende Kapitän.
Die Verantwortlichen zeigten sich weniger ausgelassen und behielten auch in der Stunde der Ekstase die Wirklichkeit im Blick. "Unglaublich! Ich bin überglücklich und wahnsinnig erleichtert, auch wenn wir nur unser Minimalziel erreicht haben", sagte Sportchef Jens Todt. Nur den Klassenerhalt. Auch in dieser Saison ist der HSV sportlich nicht vorangekommen.
Trainer Gisdol war sichtlich mitgenommen von den Strapazen der vergangenen Wochen und Monate, als er im überhitzten, saunagleichen Pressesaal seine Analyse vortrug. "Ich bin einfach froh, dass wir den Sack zumachen konnten", sagte er, hielt eine Dankesrede an die Mitarbeiter des Klubs, an die Fans, auch an Dietmar Beiersdorfer, Bruchhagens Vorgänger als Klubchef - und tadelte den DFB scharf dafür, Manuel Gräfe zum Schiedsrichter für das entscheidende Spiel gegen Wolfsburg bestimmt zu haben.
"Verantwortungslos dem Schiedsrichter gegenüber"
Gräfe hatte vor zwei Jahren in der Relegation gegen Karlsruhe mit einem umstrittenen Freistoß-Pfiff maßgeblich zur Rettung des HSV beigetragen und stand deshalb unter besonderer Beobachtung. "Das war eine unglaublich schlechte Entscheidung. So eine Ansetzung zu machen, ist verantwortungslos dem Schiedsrichter gegenüber", sagte Gisdol. Der Trainer hat selbst erfahren, welcher Druck im Abstiegskampf auf den Protagonisten lastet. Deshalb konnte er mitfühlen mit dem Unparteiischen.
Für den VfL Wolfsburg bleibt der Druck. Zwei Jahre nach Vizemeisterschaft und Pokalsieg steht in der Relegation (voraussichtlich gegen Eintracht Braunschweig) die Bundesliga-Zugehörigkeit auf dem Spiel - weil sich die Mannschaft in Hamburg Patzer leistete wie Philipp Wollscheid vor dem Ausgleich durch Filip Kostic nach einer halben Stunde, und weil sie einer fatalen Fehleinschätzung unterlag. "Wir müssen uns vorwerfen lassen, in der zweiten Halbzeit nicht auf das 2:1 zu spielen. Hamburg war nicht der Gegner, der uns das Gefühl gegeben hat: Da kommt noch mal was", sagte Angreifer Mario Gomez.
Dabei ist nicht erst seit dieser Saison klar: Beim HSV kommt immer noch mal was.