HSV vor Abstieg Die Hoffnungslosen
Nach dem Spiel trotteten die Spieler des Hamburger SV brav in die Fankurve und bekamen zu hören, dass man dort die Schnauze voll habe. Hakan Calhanoglu klatschte dazu Beifall. Eigentlich wollte er sich mit dieser Geste nur für die Unterstützung bedanken, die dem Team zumindest in der ersten Halbzeit zuteil geworden war. Doch es sah aus, als ob Calhanoglu gerne mitsingen würde.
Dann verließen die Spieler mit hängenden Köpfen den nassen Augsburger Rasen, auf dem sie gerade 1:3 verloren hatten. "Nie mehr zweite Liga", sangen dann die Fans. Allerdings jene der Heimmannschaft.
Vor zwei Jahren steckten noch die Augsburger im Abstiegskampf. Aber nach Niederlagen gegen den FC Bayern und den VfB Stuttgart sagte der damalige Trainer Jos Luhukay, er sei stolz darauf, wie seine Mannschaft spiele. Und der damalige Manager Andreas Rettig war "hundertprozentig überzeugt", dass man die Klasse halte. So kam es dann auch, Augsburg rettete sich am 33. Spieltag.

Beim Hamburger SV, der noch nie in der zweiten Bundesliga gespielt hat, ist die sportliche Lage zwar ähnlich wie jene damals in Augsburg, doch die Stimmung ist eine völlig andere. Abstiegskampf ist hier schon aus traditionellen Gründen überhaupt nicht eingeplant, deshalb trifft er den Verein jetzt so hart.
Zuversicht hört sich anders an
Die Spieler scheinen mit diesem historischen Druck nicht umgehen zu können. "Ich hoffe natürlich, dass wir trotzdem...naja, gegen Bayern wird es jetzt schwer, aber ich hoffe, dass wir mindestens gegen Mainz gewinnen", sagt Calhanoglu über die beiden letzten Spieltage. "Man sieht die Woche kommen und es ist keine schöne Woche", sagte Mittelfeldspieler Tolgay Arslan. Zuversicht hört sich anders an.

Eigentlich hatte Hamburg in Augsburg nicht schlecht gespielt. Doch die Fehler, die es in jedem Bundesliga-Spiel gibt, waren sofort bestraft worden, und ein ernsthaftes Aufbäumen war danach nicht sichtbar gewesen, dafür fehlte es an Mut und Kreativität.
Die beiden ersten Tore waren über Hamburgs linke Abwehrseite gefallen. Dort spielte zum ersten Mal nach sieben Wochen wieder Marcell Jansen. Er fühlte sich ein wenig alleingelassen. Wenn man schon nach vorne so harmlos sei, dann müsse man wenigstens lernen, "dass du kompakt stehst, als Mannschaft verteidigst und nicht nur den vier da hinten irgendwie die Daumen drückst", so der 28-Jährige.
Nur noch Hoffnung auf die Relegation
Beim überflüssigen 3:0 faustete Torwart René Adler einen Fernschuss von André Hahn ins eigene Netz (42.). "Es ist auch irgendwie wie verhext, ich mache auch nichts anders als sonst", so der ehemalige Nationaltorhüter. Trainer Mirko Slomka sprach seinem Team zwar nicht den Willen, aber die "Durchschlagskraft" nach vorne ab. Nach drei Gegentoren hat sein Team die meisten der Liga kassiert (68). Es besteht demnach also auf beiden Seiten des Feldes kaum noch Grund zur Hoffnung.
Die Hamburger waren schon am Freitag nach Augsburg gereist, man wollte die Atmosphäre eines Mini-Trainingslagers schaffen. Doch am Sonntagabend herrschte der Eindruck vor, dass die Saison tatsächlich schon abgehakt sei. "Wir müssen begreifen, dass es um den 16. Platz geht. Das war glaube ich schon relativ lange klar", sagte Jansen. Dabei wäre man mit einem Sieg am Sonntag nur noch zwei Punkte hinter dem 15. Platz und dem VfB Stuttgart gestanden, der auch nicht gerade vor Selbstvertrauen strotzt.
Niemand sagte: Wir schaffen das noch, niemand macht Hoffnung. Für solche Gedanken ist offensichtlich kein Platz beim Hamburger SV. "Wir versuchen, so gut es geht den Kopf von solchen Dingen freizuhalten." Das sagt René Adler über den Abstiegskampf und die finanzielle Situation des Vereins - bei dem noch gar nicht sicher ist, ob er Ende Mai von der DFL überhaupt die Lizenz für die kommende Saison erhält. Die Spieler sind nach einer Saison voller schlechter Schlagzeilen abgestumpft, selbst eine Niederlage am drittletzten Spieltag nehmen sie hin wie geprügelte Hunde.
Man hoffe jetzt auf die Relegation, sagt Adler, dort könne man "in zwei Spielen die Saison geraderücken und einen großen Schlussstrich ziehen". Deshalb dürfte es für die Stimmung tatsächlich gut gewesen sein, dass man in Augsburg nach einem 0:3 nach 42 Minuten nicht komplett unter die Räder kam. Vor der Relegation sollte das Team auch möglichst nicht auseinanderfallen: Um sie zu erreichen, braucht man wahrscheinlich noch ein paar Punkte. Zum Beispiel in der kommenden Woche: Dann kommt zum letzten Heimspiel der FC Bayern München.