Probleme bei Bayern-Gegner Hertha BSC Berliner Kuddelmuddel

Kevin Boateng (rechts) ist der bisher prominenteste Zugang der Berliner in dieser Saison
Foto:Soeren Stache / dpa
Dieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
2017 war das Transferfenster fast schon geschlossen, ehe Fredi Bobic, damals in Diensten von Eintracht Frankfurt, Stürmer Ante Rebić als Einkauf präsentierte. Zwei Jahre später tauschte er den ziemlich erfolgreichen Rebić am finalen Tag der Transferphase gegen André Silva ein, dessen Karriere bei Milan und beim FC Sevilla ein wenig ins Stocken geraten war.
Doch, hinterher weiß man es besser, es war ein kluger Deal, zwei Spielzeiten später wurde Silva zu Frankfurts Rekordtorschützen mit 28 Treffern in einer Bundesligasaison. Inzwischen spielt er in Leipzig.
In Berlin hoffen die Fans, dass Bobic seine Stärken als Last-Minute-Shopper auch bei der Hertha BSC einbringt. Dass er vielleicht wieder einen Silva aus dem Hut zaubert. Das Geschick von Bobic ist zwingend nötig. Die Hauptstädter haben den Saisonstart verpatzt: Als einziges Team in den ersten beiden Ligen sind sie nach zwei Spieltagen noch ohne Punkt. Dazu sind die beiden gefährlichsten Spieler verkauft worden.
Es droht erneut eine harte Saison zu werden.
Der Kolumbianer Jhon Córdoba ging für 20 Millionen Euro nach Russland. Unter der Woche wechselte der brasilianische Olympiasieger Matheus Cunha für 30 Millionen Euro zu Atlético Madrid. Und so hat Bobic zwar viel Geld eingenommen, aber auch Qualität verloren. Am Dienstag schließt das Transferfenster, davor wartet auf Hertha der FC Bayern in der Bundesliga (Samstag, 18.30 Uhr, TV: Sky).
Hertha befindet sich im Umbruch. Trainer Pál Dárdai möchte ein Team formen, das sich wehrhaft präsentiert. Zugleich muss Hertha Tore erzielen – und das ohne die stärksten Offensivspieler der vergangenen Saison. Es ist ein leidiger Umbruch.
150 Millionen für Transfers ausgegeben seit 2019
Seit 2019 investierte Lars Windhorst 375 Millionen Euro in den Klub. Seitdem wurden rund 150 Millionen Euro an Transfersummen ausgegeben, rund 90 Millionen Euro eingenommen. Nur Bayern München und der VfL Wolfsburg weisen im selben Zeitraum ein höheres Transferdefizit auf. Die Berliner gaben Geld aus für Konterstürmer wie Dodi Lukébakio, verpflichteten Künstler wie Cunha oder ballbesitzorientierte Spielmacher wie Mattéo Guendouzi.
Der Zukauf teurer Spieler brachte Hertha aber keinen Erfolg – im Gegenteil. In den vergangenen beiden Spielzeiten kämpfte der Hauptstadtklub um den Ligaverbleib. Es rächte sich, dass Hertha keine Strategie für die eigenen Transfers entwarf.
»In den letzten Jahren war es ein Kuddelmuddel, das ist ein Problem gewesen. Wir müssen eine klare Linie haben«, sagte Bobic der »Bild«.

Hertha-Trainer Pál Dárdai will ein wehrhaftes Team sehen
Foto: O.Behrendt / imago images/ContrastDárdai ließ in den vergangenen Monaten durchblicken, wie eine solche »klare Linie« seiner Meinung nach aussähe. Im Januar, zu Beginn seiner Rückkehr, kritisierte er, dass viele Spieler in der Kabine weder Deutsch noch Englisch verstanden. Auch die Einstellung vieler Profis gefiel ihm nicht, ihr mangelhaftes Verhalten im Spiel gegen den Ball, Teamgeist, Kampfeswille. Das alles fehlte ihm.
Der Verkauf von Cunha und Córdoba passt zur ausgegebenen Philosophie des Trainers. Bereits in seiner ersten Amtszeit bei Hertha (2015-2019) war Dardais Taktik eher konservativ. Seine Herthaner störten bissig im Mittelfeld, agierten sonst aber eher passiv.
In der vergangenen Saison gelang der Klassenerhalt, indem Dardai mithilfe eines 5-2-3-Systems die Defensive stabilisierte. Technisch anspruchsvoller Hurra-Fußball – das ist nicht Dárdais Idee. Mit dem feinen Offensivfußballer Cunha stritt Dárdai sich häufig.
Der zweite Teil des Umbruchs fehlt
Für die neue Saison kamen bisher eher Kämpfer ins Team wie Suat Serdar und Kevin-Prince Boateng, oder Angreifer wie Marco Richter und Ishak Belfodil, die sich für Arbeit im Pressing nicht zu schade sind. Der Fokus soll wieder verstärkt auf die Defensive liegen.
Das Problem nur: Alle 18 Minuten war Cunha an einem Hertha-Schuss beteiligt, sei es als Schütze oder Passgeber. Der zweite große Abgang, Córdoba, war alle 21 Minuten an einem Schuss beteiligt. Auf Rang drei folgte mit Nemanja Radonjić (alle 26 Minuten) ein weiterer Spieler, der nicht mehr das Hertha-Trikot trägt. Seine Leihe endete, Hertha wollte ihn erneut verpflichten, aber Radonjić entschied sich für Benfica Lissabon.

Cunha: Er soll jetzt das Publikum von Atlético Madrid begeistern
Foto: via www.imago-images.de / imago images/Cordon Press/Miguelez SportsErst auf Rang vier folgt mit Dodi Lukébakio (alle 29 Minuten) ein Spieler, der noch im Trikot der Hertha kickt. Der aus Hoffenheim verpflichtete Belfodil und der nach einer Leihe zu Werder zurückgekehrte Davie Selke können diesen Verlust an Torgefahr nicht auffangen.
In den letzten Zügen soll der Transfer von Jurgen Ekkelenkamp sein. Der offensive Mittelfeldspieler von Ajax Amsterdam überzeugt vor allem mit seinen Läufen in den Strafraum und seiner Zielstrebigkeit im Angriff. Der Niederländer bringt Kreativität mit – eine Eigenschaft, die dem Herthaner Kader derzeit fehlt. Aber er ist auch erst 21, bei Ajax ist er kein Stammspieler, ob er das Team sofort verstärken kann, muss man bezweifeln.
Dass Hertha nach zwei Saisonspielen ohne Punkt dasteht, hatte einen Grund: Ausgerechnet in Dardais Lieblingsdisziplin, der Kampf- und Laufbereitschaft, war man unterlegen. Der 1. FC Köln (1:3) und VfL Wolfsburg (1:2) hatten am Ende der Partei jeweils mehr Sprints vorzuweisen. In beiden Partien waren die Berliner in Führung gegangen. Nach dem jeweiligen 1:0 hörten sie aber auf, den Gegner zu stören. Stattdessen zogen sie sich weit zurück. Es war das Gegenteil von Dárdais Ideal eines wehrhaften Teams, das dem Gegner auf den Füßen steht.
In Berlin ist noch so einiges Kuddelmuddel. Viel wird von Bobic und seinen Last-Minute-Shopper-Qualitäten abhängen.