DFL-Konzept zu Geisterspielen "Verheerendes Signal für die Öffentlichkeit"

Fußball ohne Fans soll ab dem 9. Mai wieder erlaubt sein in der Bundesliga
Foto: Fabian Strauch/ dpaDas von der Deutsche Fußball-Liga (DFL) entwickelte medizinisch-hygienische Konzept, das am Donnerstag auf der Mitgliederversammlung den Bundesligaklubs präsentiert werden soll, wird schon im Vorfeld heftig kritisiert.
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach bewertet es gegenüber dem SPIEGEL nicht nur inhaltlich als "viel schwächer als erwartet". Er sieht darin auch ein "verheerendes Signal für die Öffentlichkeit", sollte auf dieser Grundlage der Spielbetrieb wieder aufgenommen werden dürfen. Lauterbach macht seine Kritik im Wesentlichen an zwei Punkten fest: An der vorgesehenen Test-Frequenz und den Quarantäne-Überlegungen.
Den Plänen der medizinischen Taskforce der DFL zufolge ist es angemessen, die Spieler nur einmal die Woche auf Corona zu testen. Lauterbach dazu: "Mit einem Test in der Woche vor einem Spiel kann ich aber keinerlei Aussage treffen, ob die Leute, die spielen, infiziert sind. Da kann man lediglich hoffen, dass niemand infiziert ist." Der Kölner Mediziner verweist auf ein Zeitfenster von mehreren Tagen, in dem jemand bereits infiziert und damit hochansteckend ist, ohne dass der Betroffene Symptome und die nötige Virenlast hätte, damit der Test auch anschlägt.
Um möglichst sicherstellen, dass kein infizierter Spieler bei einer Partie antritt, müssten Lauterbach zufolge die Fußballer zwei Tage vor einem Spiel und am Spieltag selbst getestet werden und in der Zwischenzeit isoliert leben.

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach: Das DFL-Konzept ist "viel schwächer als erwartet"
Foto:Wolfgang Kumm/ dpa
Darüber hinaus habe es ihn sehr überrascht, so der Gesundheitswissenschaftler, wie die behördlichen Auflagen für Quarantäne umgesetzt werden sollen: nämlich gar nicht.
Laut den Überlegungen der DFL ist es nicht zwingend erforderlich, dass das Umfeld eines Spielers, der sich infiziert hat, in Quarantäne geschickt wird bis alle erforderlichen Tests der Kontaktpersonen negativ sind. Die Mannschaftskollegen könnten folglich so lange weiterspielen, bis auch einer von ihnen positiv getestet wird. "Das steht im absoluten Widerspruch zu dem, was wir den Menschen erzählen, wie sie sich verhalten müssen, und was wir für so wichtig erachten, dass wir künftig mit einer entsprechenden App arbeiten wollen", sagt Lauterbach. Jeder Ministerpräsident, der dem Fußballbetrieb das abzeichne, schädige seiner Glaubwürdigkeit enorm.
Zudem sei es gerade den jungen Leuten nur noch schwer vermittelbar, so Lauterbach weiter, warum ihnen ein Ordnungsgeld droht, wenn sie sich in der Öffentlichkeit ohne Mundschutz und ohne Mindestabstand aufhalten - aber dies für die Fußballer nicht gelte. "Zumal die Profis nicht systemrelevant sind, wir reden hier ja nicht von Feuerwehrmännern", sagt Lauterbach.
Die DFL selbst sieht sich auf dem richtigen Weg, spricht davon, ein "detailliertes verbindliches Konzept mit strengen Hygiene-Vorgaben, erforderlichen Testungen und permanentem Monitoring" entwickelt zu haben, das die Hygiene- und Infektionsschutzmaßnahmen berücksichtigt. Erarbeitet wurde es in den vergangenen Wochen von der "Task Force Sportmedizin/Sonderspielbetrieb" unter Leitung von Tim Meyer, dem Teamarzt der Nationalmannschaft.
Überzeugen soll es im Wesentlichen die Politik. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zeigte sich am Mittwoch erneut offen für Geisterspiele unter besonderen Schutzvorkehrungen. "Wenn das gelingen kann bei minimiertem und so gut wie möglich ausgeschlossenem Infektionsrisiko, dann kann das sicherlich gehen", sagte der CDU-Politiker. Dies sei nun zu bewerten. Spahn verwies darauf, dass es für Millionen Fans in Deutschland wichtig und auch ein Stück Normalität wäre, wenn man am Fernsehen Spiele miteinander zu Hause in der Familie verfolgen könnte - allerdings nicht in größeren Gruppen. Dies könne für Fußball gelten, aber auch für andere Sportarten, so Spahn.
Am Montag hatte die Ministerpräsidenten Armin Laschet (NRW) und Markus Söder (Bayern) als möglichen Termin für die Wiederaufnahme der Bundesliga den 9. Mai ins Spiel gebracht. Am Dienstagabend ruderte Söder jedoch in den "Tagesthemen" zurück. Das Robert Koch-Institut (RKI) müsse "grünes Licht" für den Neustart der Bundesliga geben, so Söder. Karl Lauterbach sagt: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Kollege des RKI dabei mitzieht."
Bemerkenswert: Auf SPIEGEL-Anfrage verwies die Pressesprecherin des RKI auf die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BauA). Das RKI sei dafür gar nicht zuständig.