- • Fußball-Bundesliga: Torlinientechnik könnte schon zur nächsten Saison kommen
- • DFB-Sportgericht zum Phantomtor: Ein richtig falsches Urteil
Bayer-Stürmer Kießling (r.): "Jeder Satz wäre zu viel"
Foto: DANIEL ROLAND/ AFPHamburg - Passender hätte die Deutsche Fußball-Liga (DFL) den Zeitpunkt für ihr Treffen wohl nicht wählen können: Am Montag setzen sich die Vertreter der 36 Proficlubs zusammen, um über die Einführung der Torlinientechnik in der Bundesliga abzustimmen - genau einen Tag nachdem sich Leverkusen und Hoffenheim zum ersten Mal seit der Aufregung um das Phantomtor wieder gegenüberstehen.
Wenn Bayer am Sonntag (17.30 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE; TV: Sky) gegen die TSG antritt, soll nach Ansicht beider Teams zwar das Sportliche im Fokus stehen. "Ich hoffe, dass die Fans und die Teams das Spiel in den Mittelpunkt rücken", appellierte Leverkusens Clubchef Michael Schade; völlig aussperren lässt sich das Thema aber wohl kaum.
Denn fünf Monate nach einem der kuriosesten Tore in der Geschichte der Bundesliga ist die Erinnerung an den 18. Oktober 2013 nicht nur bei 1899-Coach Markus Gisdol noch sehr präsent: "Man hat das Spiel noch im Hinterkopf, ganz klar. Aber Rache kenne ich nicht. Das wäre auch kein guter Ratgeber", sagte er.
Am schwierigsten wird das erneute Aufeinandertreffen beider Clubs vermutlich für Bayer-Stürmer Stefan Kießling sein. Sein Kopfball war durch ein Loch im Tornetz geflogen und von Schiedsrichter Felix Brych als Treffer zum 2:0 anerkannt worden. Am Ende gewannen die Leverkusener - auch dank des Phantomtors - 2:1. Das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) wies daraufhin den Hoffenheimer Einspruch ab: An der Tatsachenentscheidung des Referees sei nicht zu rütteln, hieß es.
"Stefan ist unschuldig in eine Situation geraten"
"Wir haben Stefan Kießling geraten, zu diesem Thema vor dem Spiel nichts zu sagen", sagte Schade. "Nicht, weil wir ihm einen Maulkorb umbinden wollen, sondern weil jeder Satz, den er dazu sagen würde, zu viel wäre." Kießling hatte in den vergangenen Monaten vor allem in den sozialen Netzwerken Beschimpfungen und Beleidigungen ertragen müssen. "Stefan ist damals unschuldig in eine Situation geraten, die er nicht zu verantworten hatte und für deren Folgen er auch nichts kann" sagte Schade.
Ohnehin kann Schade die enorme Empörung über das irreguläre Tor nicht nachvollziehen: "Ich will es nicht verharmlosen, aber wie viele Tore waren an den letzten Spieltagen sichtbar deutlich falsch, durch Abseits oder andere Entscheidungen?"
Das möchte die DFL künftig ändern. Die Vertreter der Erst- und Zweitligisten wollen sich deshalb früher als geplant darüber verständigen, ob Schiedsrichter künftig ein technisches Hilfsmittel bekommen. Bei einem positiven Ergebnis könnte noch am gleichen Tag auch über die genaue Technologie abgestimmt werden. Ursprünglich hatte die DFL die Torlinientechnik erst zur Saison 2015 einführen wollen - doch zumindest in diesem Punkt hat das Phantomtor von Sinsheim für Einigkeit gesorgt.
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Man fasst sich an den Kopf: Viele verstehen das DFB-Urteil zum Phantomtor nicht, dabei blieb den DFB-Richtern kaum ein anderer Spruch möglich.
Flickwerk in der Rhein-Neckar-Arena: Nach dem Phantomtor von Stefan Kießling war das Tornetz repariert worden. Doch da war es bereits zu spät, die Bundesliga war um eine kuriose Geschichte reicher.
Es lief die 70. Minute des Bundesliga-Spiels zwischen 1899 Hoffenheim und Bayer Leverkusen. Bayer-Stürmer Stefan Kießling köpfte links am linken Pfosten vorbei, durch ein Loch im Außennetz flog der Ball dennoch ins Tor.
Die Reaktion des Torjägers sprach Bände: Kießling selbst reagierte gefrustet über die vertane Chance, schlug die Hände über dem Kopf zusammen. Doch Schiedsrichter Felix Brych entschied nach Rücksprache mit seinem Assistenten auf regulären Treffer.
Bayer jubelte über den Treffer zum 2:0, doch so ganz schien Kießling noch nicht überzeugt von dem Tor. Der Stürmer sagte bei der Verhandlung vor dem DFB-Sportgericht aus, er sei selbst überrascht gewesen und habe nicht gewusst, wie der Ball doch noch ins Tor gegangen sei: "Ich habe den Ball Richtung Außennetz fliegen sehen, aber den Einschlag habe ich nicht gesehen."
Direkt nach dem Spielende der Partie bei Hoffenheim, die Leverkusen letztlich 2:1 gewann, suchte Bayer-Sportdirektor Rudi Völler das Gespräch mit dem Phantomtorschützen. Gemeinsam saßen beide am Montag vor dem DFB-Sportgericht.
Kießling hatte stets beteuert, dass er Brych auf den Fehler hingewiesen hätte - wenn er ihn denn erkannt hätte: "Wenn es so gewesen wäre, wäre ich der Letzte gewesen, der nicht gesagt hätte, dass der Ball durch so ein doofes Loch geflogen ist."
Zwischen den Vereinen schien beim Gerichtstermin gute Stimmung zu herrschen. Sowohl Hoffenheim-Manager Alexander Rosen (Mitte) als auch Völler (2.v.r.) gingen entspannt in den Termin.
Schiedsrichter Brych schilderte erneut, wie er die Situation am Spieltag erlebt hatte: "Ich habe gedacht, der Ball geht am Tor vorbei. Ich habe den Ball aus den Augen verloren durch eine Sichtbehinderung. Danach habe ich gesehen: Der Ball lag im Tor." Von Linienrichter Stefan Lupp habe es ein zustimmenden Kopfnicken gegeben. Mit dem anderen Assistenten Mark Borsch habe er via Headset gesprochen.
Der Sportgerichtsvorsitzende Hans E. Lorenz leitete die Anhörung - und sorgte mit Sprüchen für lockere Stimmung: "Herr Kießling, jetzt haben Sie ja endlich mal eine Einladung vom DFB bekommen", sagte er in Richtung des von Bundestrainer Joachim Löw verschmähten Angreifers. Am Ende fiel die erwartete Entscheidung: Es kommt nicht zu einem Wiederholungsspiel, der Einspruch der Hoffenheimer wurde abgelehnt.
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