HSV-Trainer Slomka "Großartiger Verein, tolle Mannschaft"
Wenn ein Bundesliga-Verein einen neuen Mitarbeiter präsentiert, zumal einen in leitender Funktion, dann trägt dieser Mitarbeiter in der Regel Hemd, Sakko, manchmal sogar eine Krawatte. Mirko Slomka verzichtete bei seinem ersten Auftritt als Trainer des Hamburger SV auf schicke, förmliche Garderobe. Er erscheint zum obligatorischen Pressetermin nach seiner Amtseinführung im roten Trainingsshirt, auf der Brust neben dem Vereinswappen prangen seine Initialen.
Slomkas Kleiderwahl transportiert eine Botschaft: Der Mann will sich in die Arbeit stürzen. Er will sofort damit beginnen, den Verein aus der schwersten sportlichen Krise seiner Geschichte zu führen. So sagte er denn auch: "Wenn der HSV anruft, dann will man das machen. Dann will man die Mannschaft kennenlernen, will ans Werk gehen." Die neue Aufgabe bezeichnete Slomka wahlweise als "tolle" oder gar "großartige Herausforderung".
Die Wahrheit ist allerdings, dass er sich auf den schwierigsten Job einlässt, den der deutsche Fußball aktuell zu bieten hat. Acht Pflichtspiele nacheinander hat der HSV verloren. Zuletzt ließ sich das Team sogar vom Tabellenletzten Eintracht Braunschweig filetieren. Mit 51 Gegentreffern haben die Hamburger bislang die meisten Tore der Liga kassiert. Der HSV rast anscheinend ungebremst dem ersten Abstieg seiner Geschichte entgegen.
Mit Thorsten Fink und dem nach der Pleite in Braunschweig freigestellten Bert van Marwijk haben die Hamburger in dieser Saison schon zwei Trainer verschlissen. Chaotische Zustände in der Vereinsführung mit einem Aufsichtsrat, der über den Vorstand hinweg Politik macht und nun auseinanderfällt, runden das desaströse Gesamtbild ab.
Warum tut sich Slomka das an?
Der neue Trainer war natürlich auf diese Frage vorbereitet. Er weiß, dass es im Moment angenehmere Aufgaben gibt, als sich in Hamburg auf die Bank zu setzen. Slomka legt gleich eine Reihe von Gründen für seine Zusage beim HSV dar: "Das ist ein großartiger Verein mit einer tollen Mannschaft", in den Verhandlungen sei er zudem auf "durchweg kompetente Personen" getroffen. Außerdem solle Hamburg ja die schönste Stadt Deutschlands sein - "ich bin gespannt", sagt Slomka.

HSV-Trainer seit 1997: Wenig Jahre, viele Trainer
Er kam auch nicht an dem in Hamburg weit verbreiteten Klischee vorbei, wonach der Verein aufgrund seiner Tradition eigentlich Besseres verdient habe als den Kampf um die Existenz: "Der HSV gehört für ganz Deutschland zu den Top 5", sagte Slomka. Jetzt müsse der Verein - im Moment Tabellenvorletzter - erstmal "diese zwei Plätze gutmachen", die für den Klassenerhalt nötig sind, und dann zeigen, dass es "eine Vision" gebe. Es fehlte nur noch, dass Slomka vom Europapokal gesprochen hätte, wie es in Hamburg sonst üblich ist.
Slomka hat sich offenbar dafür entschieden, die Realität zu ignorieren und stattdessen demonstrativ Mut und Optimismus zu verbreiten. Was bleibt ihm auch anderes übrig? Dass der HSV am Samstag (15.30 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE) auf Borussia Dortmund trifft, ist für den Trainer eher Ansporn als Grund zur Verzweiflung: "Das ist ein phantastischer Gegner. Da kann die Mannschaft zeigen, dass sie lebt."
Seiner Meinung nach sind "nur Kleinigkeiten" zu verändern, er müsse lediglich "an ein paar Stellschrauben drehen", um den HSV aus der Krise zu befreien, sagte Slomka. Grundsätzliche Zweifel an der Qualität des Kaders hat er angeblich nicht. Auch ein Problem mit der Einstellung der Spieler will Slomka nicht erkannt haben, schließlich hat die Mannschaft bei der Niederlage in Braunschweig seiner Meinung nach vollen Einsatz gezeigt: "Wer so leidenschaftlich kämpft, hat es verdient, in der Bundesliga zu bleiben", sagt Slomka. Was die Frage aufwirft, wo dann das Problem des HSV liegt, wenn es nicht der Kader ist und nicht die Einstellung.
Slomka kennt die Arbeit im Abstiegskampf: Als er in der Saison 2009/2010 bei Hannover 96 anfing, fand er ein Team vor, das - nach dem Verlust von Torhüter Robert Enke - schwer verunsichert war und ebenfalls eine Niederlage nach der nächsten einstecken musste. Am letzten Spieltag hielten die Hannoveraner die Klasse, in den Jahren darauf führte Slomka den Verein zweimal in die Europa League. Offenbar glaubt er, dass in Hamburg Gleiches möglich ist.