Bundesliga-Prognose Wie Mainz den Bayern wirklich zusetzt

Schalke und Stuttgart im Abstiegskampf, Mainz und Dortmund auf Meisterkurs - und die Bayern in der Mitte. Hätten Sie's geahnt? Physiker Andreas Heuer hat sich dem Phänomen genähert und blickt streng wissenschaftlich in die Zukunft: Wer Meister werden kann und wer wohl absteigen muss.  
Mainzer Holtby gegen Bayerns Butt: 23-prozentiger Vorteil im Kampf um Platz eins bis drei

Mainzer Holtby gegen Bayerns Butt: 23-prozentiger Vorteil im Kampf um Platz eins bis drei

Foto: Matthias Schrader/ AP

Neun Spieltage der besonderen Art hat Fußball-Deutschland jetzt hinter sich - und noch immer wundern sich Fans, wenn sie die Tabelle sehen. Mainz und Dortmund stehen an der Spitze, die Bayern treten im Mittelfeld auf der Stelle, Schalke und Stuttgart kämpfen gegen den Abstieg.

Wie außergewöhnlich ist diese Konstellation eigentlich im Vergleich zu den Überraschungen aus früheren Jahren?

Und vor allem: Was können wir von dieser Saison noch erwarten?

Das Bundesliga-Modell

Antworten lassen sich durch ein statistisches Modell der Fußball-Bundesliga finden, das an der Universität Münster in den vergangenen Jahren entwickelt wurde (siehe Kasten). Mit dessen Hilfe sind nun zwei Fragen untersucht worden: Wie viele Punkte hätte man zu Saisonbeginn von jeder Mannschaft nach dem neunten Spieltag erwartet? Und mit welcher Wahrscheinlichkeit wird jede Mannschaft zu Saisonende auf den ersten oder letzten drei Plätzen landen?

Das erste Ergebnis: Diese Saison ist tatsächlich eine spezielle. Wenn man die tatsächliche Punktzahl der Clubs mit jener vergleicht, die dem Modell zufolge aufgrund der Leistungen der vergangenen Spielzeit zu erwarten war, dann beträgt die Abweichung im Schnitt 4,9 Punkte. Während der vergangenen 15 Jahre waren 3,3 Punkte üblich. Die aktuelle Spielzeit fällt aus dem Rahmen.

Abweichungsspitzenreiter ist natürlich Mainz mit 14 Punkten nach oben; der Verein liegt sozusagen auch hier überraschend an der Tabellenspitze. Darauf folgt Schalke in der Gegenrichtung (9 Punkte nach unten) und auf den weiteren Plätzen Dortmund (9 nach oben) und Stuttgart (8 nach unten, siehe auch Tabelle).

Überraschungen und Perspektiven

Aktuelle Punkte Erwartete Punkte Prognose in % (1.-3.) Prognose in % (16.-18.)
Mainz 24 10 60 0
Dortmund 22 13 80 0
Hannover 16 9 3 7
Hoffenheim 15 13 17 1
Leverkusen 15 16 32 0
Hamburg 15 14 21 0
Freiburg 15 9 1 19
Bremen 14 15 27 0
Frankfurt 13 11 3 6
St. Pauli 13 11 1 20
München 12 18 43 0
Nürnberg 12 9 0 31
Wolfsburg 10 15 9 2
Stuttgart 7 15 2 11
K'lautern 7 10 0 49
Schalke 6 15 1 13
M'gladbach 6 9 0 78
Köln 5 11 0 63

Die aktuelle Saison ist am ehesten noch mit der Spielzeit 2003/04 zu vergleichen (4,2 Punkte mittlerer Abweichung). Die damaligen Positiv-Spitzenreiter nach neun Spieltagen, Leverkusen und Stuttgart (8 Punkte nach oben), haben die Saison am Ende tatsächlich achtbar absolviert (dritter beziehungsweise vierter Platz) - während sich der Negativspitzenreiter Hertha BSC (-10 Punkte) zum Schluss noch ins gesicherte Mittelfeld absetzen konnte.

Wie sicher kann also eine Prognose nach dem neunten Spieltag sein? Natürlich ist die Aussagekraft noch begrenzt. Die eigentliche Leistungsstärke der Mannschaft beeinflusst die Gesamtpunktzahl im Modell augenblicklich durchschnittlich nur zu 28 Prozent; 65 Prozent werden es am Ende der Saison sein. Der übrige Wert kommt durch Zufallseffekte zustande, die den Fußball so spannend machen: Lattenschüsse, Eigentore, Elfmeter, ob zurecht gegeben oder nicht.

Trotzdem hat der bisherige Verlauf Folgen für die Saisonprognose. Die Top-3-Prognosen für Mainz und Dortmund sehen inzwischen ziemlich günstig aus. Die beide Top-Teams der Liga treffen am Sonntag in Mainz (15.30 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE) zum Spitzenspiel aufeinander. Die Rechnungen ergeben, dass es am Ende wohl auf ein Unentschieden hinausläuft.

Schreibt man die Rechnung weiter fort, betrüge die mittlere Meister-Punktzahl des BVB übrigens 65 Punkte. Ein Saisonziel haben die Dortmunder damit so gut wie erreicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass Lokalrivale Schalke Schwarz-Gelb noch überholt, beträgt bloß noch 1,5 Prozent.

Düstere Aussichten für Mönchengladbach

Und wie wird die Saison dem Modell zufolge nun enden? Für eine optimale Prognose sind die Informationen aus den Vorjahren zum jetzigen Zeitpunkt noch immer deutlich aussagekräftiger als die Tore und Punkte der aktuellen Saison. Aktuell werden die Daten sieben zu drei gewichtet - und damit ist München vorn, wegen der geschätzten Leistungsstärke. Aus der Simulation der restlichen Spiele der Saison ergeben sich für den FC Bayern 1,85 Punkte pro Spiel. Entsprechend haben neben den Münchnern (43 Prozent) auch noch die Bremer (27 Prozent) realistische Chancen, am Ende der Saison unter den ersten Dreien zu landen.

Bei den Abweichungsspitzenreitern Mainz und Schalke hat der bisherige Saisonverlauf hingegen schon zu deutlichen Anpassungen geführt - von 1,25 beziehungsweise 1,65 Punkten pro Spiel zu Saisonbeginn auf jeweils 1,5 Punkte pro Spiel.

Top-Abstiegskandidat ist derzeit Mönchengladbach mit knapp 80 Prozent Wahrscheinlichkeit für einen der letzten drei Plätze. Dieser Wert resultiert nicht nur aus dem aktuellen Tabellenstand, sondern auch aus der schlechtesten Leistungsprognose aller Teams (0,9 Punkte pro Spiel). Die Tordifferenz hat sich nämlich in den statistischen Untersuchungen als besonders aussagekräftige Größe für Prognosezwecke erwiesen - und da sieht es sowohl in den vergangenen Jahren als auch in dieser Saison bei der Borussia bedenklich aus. Mönchengladbach kann mit 0,05 Prozent Wahrscheinlichkeit aber noch immer einen Platz unter den ersten fünf erreichen. Wie auch sonst ist nach neun Spieltagen noch fast alles möglich.

So ist das mit Wahrscheinlichkeiten. Es sei auf die Selbsteinschätzung des Mönchengladbacher Spielers Thorben Marx verwiesen, man müsse ganz schnell anfangen, in der Liga wieder Spiele zu gewinnen. Jenseits aller Wahrscheinlichkeiten hilft das immer.

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