Lobby-Arbeit für den Profifußball Die wichtigsten Vorbereiter der Liga

Bisher dürfen die Bundesligaklubs wie hier der FC Schalke 04 nur zum Training unter Auflagen aufs Feld
Foto: INA FASSBENDER/ AFPDer deutsche Profifußball ist eine ziemlich kleine Branche. Mit allen Zulieferfirmen beschäftigt sie rund 56.000 Mitarbeiter. Der Jahresumsatz liegt bei rund fünf Milliarden Euro - etwa so viel wie die Deutschen jährlich für Wasch-, Reinigungs- und Geschirrspülmittel ausgeben.
Dass sich dennoch am Donnerstag die Ministerpräsidenten und die Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer großen Corona-Runde mit dem Spielbetrieb der Bundesliga und Zweiten Liga beschäftigen werden, hängt auch mit der hohen Symbolkraft dieses Sports zusammen. Der Fußball wurde oft schon zum Spielball der Politik. Und manchmal benutzt er die Politik auch selbst für seine Zwecke. Beide Richtungen der Instrumentalisierung lassen sich im Moment gut beobachten.
Noch im Mai möchte die Bundesliga wieder den Betrieb aufnehmen - ohne Zuschauer. Dafür hat die Deutsche Fußball Liga (DFL) ein medizinisches Konzept entworfen. DFL-Chef Christian Seifert hat zudem seit über sechs Wochen Lobbyarbeit bei hochrangigen Politikern verrichtet. Wichtige Vereinsvertreter wie der Geschäftsführer von Borussia Dortmund, Hans-Joachim Watzke, treten in Talksendungen auf und werben für die eigene Sache.
DFL bessert Hygiene-Konzept nach
Einen Teil der Politiker hatte der Fußball damit schon überzeugt. Eine weitere Hürde nahm die DFL am Dienstag. Da schickte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) ein Schreiben an das Kanzleramt, das Innen- sowie an das Gesundheitsministerium. Das BMAS, dessen Referat Arbeitsschutz damit beauftragt war, das Hygienepapier der DFL unter arbeitsschutzrechtlichen Gesichtspunkten zu bewerten, hatte Ende der vergangenen Woche Mängel am Konzept ausgemacht. Vor allem die ausgearbeiteten Quarantänemaßnahmen sollten überdacht werden, hieß es in einem internen Papier.
Nun aber hat das BMAS grünes Licht für den Re-Start der Bundesliga gegeben. In einem Schreiben von Staatssekretär Björn Böhning (SPD) heißt es: "Aus Sicht des BMAS ist die Weiterentwicklung des DFL-Konzepts sinnvoll, reduziert Risiken und ist daher arbeitsschutzrechtlich akzeptabel. Der Arbeitsschutz der Spieler, Trainer und Betreuer kann bei vollständiger Umsetzung des Konzepts weitgehend sichergestellt werden."
Aber wie genau hat die DFL das Hygenie-Konzept überarbeitet? Nach SPIEGEL-Informationen sollen darin zwei wesentliche Punkte angepasst worden sein:
Auf Covid-19-Erreger getestet werden sollen künftig nicht nur die Spieler, Trainer und Betreuer einer Mannschaft, um Infektionen auszuschießen, sondern auch die Familienmitglieder. Dafür braucht es die Zustimmung der betroffenen Personen.
Mannschaften und ihre Familien sollen sich noch stärker von der Außenwelt abschotten, um eine Ansteckung zu vermeiden, und in "Quasi-Quarantäne" gehen.
Ein großer Kritikpunkt am ursprünglichen DFL-Konzept war, dass im Falle eines infizierten Spielers nur der Erkrankte in Quarantäne gehen sollte, nicht aber die ganze Mannschaft. Das sollte verhindern, dass bei einem angesteckten Profi das gesamte Team vom Spielbetrieb ausgeschlossen werden muss, was letztlich den kompletten Spielbetrieb in Gefahr bringen würde.
Auch die Sportminister hatten auf diesen Aspekt hingewiesen, als sie sich am Montag für den Neustart der Bundesliga aussprachen. In einer Beschlussvorlage für das Kanzleramt heißt es, "dass im Falle einer positiven Testung von Spielern und Betreuern Quarantänemaßnahmen für das betroffene Team erforderlich sind."
An diesem Punkt aber gab es nach SPIEGEL-Informationen keine Anpassung im medizinischen Konzept der DFL.

DFL-Geschäftsführer Christian Seifert
Foto:HANDOUT/ REUTERS
Das Unterfangen bleibt weiter fragil - und die Bundesbürger scheint das Thema zu spalten: Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presseagentur finden es 46 Prozent der Befragten nicht richtig, möglichst zeitnah die neun noch ausstehenden Spieltage ohne Zuschauer zu absolvieren. 34 Prozent der Befragten sprachen sich für die Geisterspiele aus.
Von den Ministerpräsidenten gibt es offenbar größtenteils Rückhalt für den Geisterspiel-Plan. Mit Armin Laschet (NRW) und Markus Söder (Bayern) haben sich bereits die Vertreter der beiden größten Bundesländer klar pro baldigen Spielbeginn positioniert. In Laschets und Söders Hoheitsgebieten sind die beiden wichtigsten deutschen Klubs beheimatet: Borussia Dortmund und der FC Bayern.
Am Mittwoch sprang den beiden auch FDP-Chef Christian Lindner bei: "Die Bundesliga ist bereit zum Start. Das Gesundheitskonzept ist mustergültig und kann ein Standard auch für andere Lebensbereiche werden", sagte Lindner dem SPIEGEL. "Ich appelliere also an Frau Merkel, den Ball wieder rollen zu lassen. Die Liga darf nicht zum Beispiel dafür werden, dass die Kanzlerin auch symbolisch an ihrer strikten Linie festhalten will. Im Gegenteil kann die Wiederaufnahme des Spielbetriebs ein optimistisches Zeichen sein." Lindner sitzt auch im Wirtschaftsrat von Borussia Dortmund.
Für die Politik hat der Fußball durchaus Gewicht. In fast allen Bundesländern sind Erst- oder Zweitligisten beheimatet. Man braucht sich gegenseitig. Thomas Kutschaty, früher Justizminister in Nordrhein-Westfalen und heute SPD-Oppositionsführer im Landtag, erklärt gegenüber dem SPIEGEL das Dilemma der Politik: "Nordrhein-Westfalen ist ein Fußballland. Da kann man als Ministerpräsident schwer gegen die Vereine regieren. Aber manchmal muss man es tun, weil es höherwertige Ziele gibt, zum Beispiel den Gesundheitsschutz." Kutschaty sagt, es sei schwer zu vermitteln, wenn man wegen der Coronakrise "das Demonstrationsrecht massiv einschränkt" und auf der anderen Seite den Bundesligavereinen Ausnahmegenehmigungen erteilt.
Merkel war bisher skeptisch gegenüber Geisterspielen
Und es gibt weitere Kritiker. Neben dem Gesundheitsexperten der SPD-Bundestagsfraktion, Karl Lauterbach, ist da auch Ute Vogt, die innenpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion. "Wie erkläre ich allen anderen Vereinen und vor allem Kindern und Jugendlichen, dass sie sich nicht zum Spielen treffen dürfen? Wir können doch nicht Spiel- und Bolzplätze schließen und gleichzeitig Profispieler spielen lassen. Das ist ein miserables Vorbild", sagt Vogt. Skeptisch ist auch der Bremer Bürgermeister Andreas Bovenschulte: "Das wäre ein sehr problematisches Signal. Überall schreiben wir vor, dass die Menschen Abstand halten sollen – und dann lassen wir auf einmal eine Veranstaltung mit Körperkontakt zu? Das trägt nicht gerade zu besonderer Glaubwürdigkeit bei", sagte er der "Welt".
Offen ist, ob sich die Bundeskanzlerin vom Fußball überzeugen lässt. Angela Merkel, die sich auch schon im Glanzlicht des Fußballerfolgs sonnte (bei der WM 2010 etwa), war bisher skeptisch gegenüber Geisterspielen, heißt es. Bei der DFL gehen sie nicht davon aus, dass am Donnerstag eine Entscheidung fallen wird.
Letztlich können Merkel und die Ministerpräsidenten in Absprache mit den Ministerien für Arbeit und Soziales, Gesundheit und des Inneren aber auch nur die Richtlinie vorgeben. Absegnen müssen die Geisterspiele am Ende die Gesundheitsbehörden vor Ort. Aber auch diese Hürde wäre für die Bundesligisten zu überwinden. Sollten sich tatsächlich irgendwo Amtsärzte gegen den Druck der Politik auflehnen und Geisterspiele verhindern, können die Vereine auch vorübergehend in ein anderes Stadion umziehen. Dorthin, wo Geisterspiele erlaubt sind.