Bundestrainer Löw: "Kroos war wirklich überragend"
Foto: Joern Pollex/ Bongarts/Getty ImagesFrage: Joachim Löw, wie bewerten Sie das turbulente 3:3 in der Ukraine ?
Löw: Ich denke, wir haben ein Spiel gesehen, in dem sehr viel drin war. Viele Tore, viele Offensivaktionen. Es spricht für eine gute Moral unserer Mannschaft, dass wir das Spiel nach dem 1:3-Rückstand noch umgebogen haben. Natürlich haben wir Fehler gemacht, die zu Toren geführt haben. Dennoch habe ich eine klare Dominanz unserer Mannschaft gesehen. Ich wusste wirklich nicht, warum wir zur Halbzeit mit zwei Toren zurückgelegen haben.
Frage: Ihre Mannschaft hatte zunächst große Probleme mit der Umstellung des Systems auf eine Dreierabwehrkette.
Löw: Insgesamt war ich sehr zufrieden, auch wenn ich einer der wenigen mit dieser Ansicht bin. Zwei der drei Tore sind nach Eckbällen für uns gefallen, da waren alle Abwehrspieler vorne. Das dritte Tor war ein Schuss aus 30 Metern in den Winkel. Da haben wir andere Fehler in der Zuordnung gemacht, das darf uns natürlich nicht passieren. Das hatte aber nichts mit der Dreierkette zu tun. Hummels, Badstuber und Boateng haben das in vielen Situationen sehr gut gemacht. Fehler sind passiert, aber nicht in der Dreierkette.
Frage: Können Sie sich vorstellen, auch gegen die Niederlande dieses System mit drei Abwehrspielern auszuprobieren?
Löw: Wir haben ein Hauptsystem, das über viele Monate auch sehr gut funktioniert hat. Aber wir wollen uns weiterentwickeln und bei der EM unberechenbar und flexibel sein. Vor einigen Wochen wollte ich 4-4-2 Spielen, aber durch die Verletzung von Miroslav Klose ist bei uns diese Idee gereift. Eine gute Mannschaft muss in der Lage sein, verschiedene Systeme zu spielen. Beim Spiel gegen Holland werden wir nicht mit Dreierkette spielen. Wir werden sehen, ob wir mit zwei Spitzen spielen können. Das hängt davon ab, ob Miroslav Klose am Sonntag wieder trainieren kann.
Frage: Das Duo Mesut Özil und Mario Götze kam auch nicht richtig zur Entfaltung. Wie haben Sie die Leistung der beiden gesehen?
Löw: Man hat auf dem Platz schon gemerkt, dass wir dank Özil und Götze unheimlich ballsicher waren. Dass wir die Chancen rausgespielt haben, hat gezeigt, dass die beiden ein absoluter Gewinn für uns sind. Und da beide derzeit stark belastet sind, habe ich sie dann rausgenommen. Beide haben absolut zufriedenstellend gespielt.
Frage: Wie haben Sie das Debüt von Ron-Robert Zieler gesehen, der nach drei Gegentoren in der ersten Halbzeit nach der Pause das Remis rettete?
Löw: Ron-Robert Zieler war nach den drei Gegentoren zur Halbzeit sehr enttäuscht, weil er keinen Ball gehalten hatte. Als wir dann in der zweiten Halbzeit alles nach vorne geworfen haben, hat er zwei Tore verhindert. Das hat er klasse gemacht. Deshalb war das absolut zufriedenstellend.
Frage: Stärkster Feldspieler war Toni Kroos. Wie bewerten Sie seinen Auftritt in Kiew?
Löw: Toni Kroos war wirklich überragend, bei ihm sind alle Fäden zusammengelaufen. Er war stets anspielbar und hat die Mannschaft nach vorne mitgezogen.
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Ron-Robert Zieler (Torwart, Hannover 96): Konnte einem bei seinem Debüt von Beginn an leidtun. Statt hinter einer Viererkette stand er hinter einer Dreierkette und musste schon nach 45 Minuten dreimal hinter sich greifen. Beim ersten Treffer sah er noch unglücklich aus, wie die gesamte deutsche Abwehr. An den anderen Gegentoren war er völlig schuldlos. Verhinderte mit den Fingerspitzen kurz nach der Halbzeit das 1:4 und kurz vor Ende das 3:4.
Mats Hummels (Linke Abwehr, Borussia Dortmund): Leitete mit einem Fehlpass im gegnerischen Sechzehner den Konter zum 0:2 ein und machte auch beim 0:1 keine besonders glückliche Figur. Klärte in der zweiten Hälfte immerhin bei einem Konter in höchster Not. War einer von drei Beweisen dafür, dass Deutschland besser nicht mit einer Dreierkette spielen sollte.
Holger Badstuber (Zentrale Abwehr, FC Bayern München): Der zweite Beweis gegen eine Dreierkette. Nach vorne ging bei Badstuber fast gar nichts, hinten schwamm er mit seinen beiden Kollegen um die Wette.
Jérôme Boateng (Rechte Abwehr, FC Bayern München): Der dritte Beweis, wobei von dem Münchner immerhin noch ein bisschen Gefahr in der Offensive ausging. Wie seine beiden Nebenmänner ist Boateng aber in einer Viererkette deutlich besser aufgehoben.
Dennis Aogo (Linkes Mittelfeld, Hamburger SV): Hätte beim Konter zum 0:2 an der Mittellinie einrücken können, stattdessen trabte er nur hinterher. Für jemanden, der um einen der wenigen vakanten Plätze im deutschen Team kämpft, war das sicher genauso wenig ein Argument wie seine harmlosen Flankenläufe.
Toni Kroos (Defensives Mittelfeld, FC Bayern München): In der ersten Halbzeit einer der wenigen DFB-Akteure, bei denen man den Eindruck hatte, dass sie auch Freundschaftsspiele halbwegs ernst nehmen. Sein herrlicher Distanzschuss zum 1:2 brachte Deutschland immerhin für kurze Zeit zurück ins Spiel. Auch in der Folgezeit der beste DFB-Spieler auf dem Platz.
Sami Khedira (Defensives Mittelfeld, Real Madrid): Vielleicht lag es am Fehlen von Bastian Schweinsteiger, dass Khedira sich in der ersten Hälfte nach vorne mehr zutraute als sonst üblich. Neben Kroos einer der wenigen, die Einsatz zeigten. Beinahe wäre der Madrilene durch einen kuriosen Kopfballtreffer belohnt worden, doch der Ball sprang von der Latte vor die Linie.
Ab 45. Simon Rolfes (2. von links, Mittelfeld, Bayer Leverkusen): Brachte Ruhe in die Defensiv-Anarchie. Als er damit halbwegs durch war, erzielte der Leverkusener vorne den wichtigen 2:3-Anschlusstreffer. Einer der wenigen Gewinner des Abends - trotz des Unentschiedens.
Christian Träsch (rechtes Mittelfeld, VfL Wolfsburg): Das 2:0 erinnerte an einen Bug bei der neuesten Ausgabe des Konsolen-Klassikers Pro Evolution Soccer. Dort werden die Abwehrspieler automatisch langsamer, wenn der gegnerische Stürmer den Ball hat. Träsch war beim Konter von Evgen Konoplyanka ohne Ball langsamer als der Ukrainer mit - und erlebte die zweite Halbzeit nicht mehr auf dem Platz. Das sagt eigentlich alles (Archivbild).
Ab 46. André Schürrle (Mittelfeld, Bayer Leverkusen): Kam für Träsch und konnte daher nicht mehr viel falsch machen. Sorgte für mehr Schwung im Angriff, doch die entscheidende Szene wollte auch ihm heute nicht gelingen.
Mesut Özil (Zentrals Mittelfeld, Real Madrid): Mesut Özil nahm sich seine Pause auf dem Platz. Vom Madrilenen war kaum etwas zu sehen außer Verzweiflungsgesten und Flanken ins Nirwana.
Ab 66. Lukas Podolski (Mittelfeld, 1. FC Köln): War ähnlich unauffällig wie zuvor Özil.
Mario Götze (Zentrales Mittelfeld, Borussia Dortmund): Engagiert, aber wenig effektiv. Der Dortmunder lief viel, brachte aber wenig zustande. Das fing bei einem halbherzigen Verteidigungsversuch vor dem 0:1 an und endete bei einer Vielzahl verunglückter Flanken. Vielleicht sollte Löw auch Götze mal eine Pause gönnen.
Ab 66. Thomas Müller (Mittelfeld, FC Bayern München): Sein 3:3 war eine Kampfansage an Arjen Robben für das Länderspiel am Dienstag gegen die Niederlande. Müller kam, trat an, zog von außen in die Mitte, dann kraftvoll ab und traf - allerdings unter kräftiger Mithilfe des ukrainischen Torhüters. Trotzdem erinnerte der Treffer stark an die gute alte Robben-Masche.
Mario Gomez (Sturm, FC Bayern München): Der Ersatzkapitän breitete öfter die Arme aus als ein Schülerlotse auf einer sechsspurigen Straße. Muss zudem Schulterschmerzen vom vielen Achselzucken haben. War Opfer des teilweise chaotischen deutschen Spielaufbaus. Hatte zudem Pech, dass es bei einem mit der Hand geblockten Kopfball in der zweiten Hälfte keinen Elfmeter gab, sonst wäre er wohl auf sein Tor gekommen.
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...durfte mit seinen Mannschaftskollegen jubeln. Und für die Gastgeber kam es noch besser: Wieder nach einem Konter...
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...Toni Kroos zwei Minuten später zum 1:2 (39.), aber noch vor der Pause...
...sorgte Sergej Nasarenko wieder für den Zwei-Tore-Vorsprung der Ukrainer (45.). Am Ende entging Deutschland jedoch einer Blamage. Weil erst Simon Rolfes (65.) und dann...
...Thomas Müller (78.) für die DFB-Elf trafen und so wenigstens noch ein Remis retteten.