Dortmunder Saisonabschluss Heimkehr der geschlagenen Helden
Als die Mannschaft von Borussia Dortmund um halb fünf durch den Spielertunnel im Dortmunder Stadion auf das Feld kommt, ist es für einen kurzen Moment noch einmal so wie an so vielen Tagen in der abgelaufenen Saison. Die BVB-Fans stehen auf, singen, johlen, schwenken ihre Schals. Auf dem Platz stehen Fahnenträger, und auf die Stimmung wäre manch anderer Bundesligist neidisch. Die Helden sind aus London zurück. Die geschlagenen Helden.
Beim BVB hatte man sich in den vergangenen Jahren an das Feiern gewöhnt - Meister 2011, Double 2012. Aber an diesem verregneten Nachmittag gibt es keinen Titel und keinen Sieg, den man bejubeln könnte. Also feiern die Fans sich selbst, das Team und die Stadt. Noch einmal singen sie "Wir sind alle Dortmunder Jungs" und "Nur der BVB. Unser ganzes Leben, unser ganzer Stolz".

Borussia Dortmund: Mannschaftsempfang der Finalverlierer
Es hat etwas von Selbstvergewisserung, oder auch von Selbstbeschwörung. Die Botschaft lautet: Ja, die Enttäuschung ist groß. Aber wir haben eine Nacht darüber geschlafen, und allmählich mischt sich der Frust mit der Erkenntnis, in der Champions League eine Saison gespielt zu haben, die man nicht unbedingt erwarten konnte. Zur Erinnerung werden noch einmal die Tore aus den Spielen in dem Wettbewerb gezeigt - der BVB gegen Manchester City, Ajax Amsterdam, Real Madrid, den FC Malaga und andere. Auch die Höhepunkte des Finales von London sind zu sehen, nur die Siegerehrung für die Bayern spart man sich.
"Königsklasse Saison"
Das Symbol für den trotzigen Stolz ist ein Smiley auf der Videoleinwand. Es hat einen nach oben und einen nach unten gezogenen Mundwinkel. Darunter steht: "Siegerlage. Und es war trotzdem eine königsklasse Saison."
Die Fans wollen demonstrieren, dass der Verein größer ist als Titel, und selbstverständlich größer als einzelne Spieler. Deshalb wird gejubelt, als auf den Leinwänden zu sehen ist, wie das Flugzeug mit dem BVB-Tross auf dem Dortmunder Flughafen landet. Deshalb erheben sich die Zuschauer und applaudieren, als der Mannschaftsbus zum Partyhit "Stand up for the Champions" am Stadion eintrifft.
Und deshalb pfeifen die Zuschauer Mario Götze aus und beschimpfen ihn als "Judas". Als die BVB-Kicker beim Einmarsch einzeln vorgestellt werden, gibt es Applaus für alle bis auf den Jungstar. Er gilt den BVB-Anhängern als Verräter, weil er zum Finalgegner Bayern wechselt. Das war schon beim Public Viewing am Samstag in der Dortmunder Innenstadt ziemlich deutlich geworden. Als die Mannschaft schließlich auf Hockern im Mittelkreis sitzt, dürfte er ganz froh gewesen sein, zwischen seinen Mannschaftskollegen fast verschwunden zu sein.
Die Spieler schauen zu, als Kapitän Sebastian Kehl für das Team das Wort an die Fans richtet. Er sagt, die Mannschaft sei ziemlich geknickt, der herzliche Empfang tue aber gut. Auch Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke spricht kurz, dankt den Fans für die Unterstützung, "ohne euch hätten wir das nie geschafft". Aber auch bei ihm fällt die Vokabel Enttäuschung.
"Die Nacht hat nicht alle Wunden geheilt"
Trainer Jürgen Klopp, dafür bekannt, ein Gespür für die richtigen Worte zu haben, schweigt. Von ihm hören die Fans nur, als er auf dem Rollfeld des Flughafens ein Interview gibt, das ins Stadion übertragen wird. "Die Nacht hat nicht alle Wunden geheilt", sagt Klopp.
Diese Worte klingen besonders treffend, als sich die Spieler auf eine letzte halbe Ehrenrunde machen - nur der Unterrang von West- und Nordtribüne waren besetzt, die anderen Ränge gesperrt. Die Fans halten ihre Schals hoch und singen "You'll never walk alone". Mats Hummels, Roman Weidenfeller, Marcel Schmelzer und ihre Kollegen unten auf dem Feld applaudieren zaghaft. Ihre Körpersprache zeigt deutlich, dass auch die Zuneigung der Fans nicht über den Frust der Finalniederlage hinwegtrösten kann.
Götze läuft mit seinen Teamkollegen, die in der kommenden Saison seine Gegner sein werden. Als er auf den Anzeigetafeln in Großaufnahme gezeigt wird, gibt es wieder heftige Pfiffe und "Judas"-Rufe. Wenn Götze in der kommenden Saison mit dem FC Bayern anreist, kann er sich auf einen hasserfüllten Empfang einstellen.
Dann ist die Feier vorbei. Spieler und Betreuer, beklatscht von den Fans, verschwinden wieder in den Katakomben. Ihr Auftritt dauerte nur wenige Minuten. Als sich die Fans auf den Weg zum Ausgang machen, sagt ein Junge: "Drei Stunden gewartet und zehn Minuten geguckt. Was für ein Zeitverhältnis."