Champions League Barça hat die Macht
Für Real-Trainer José Mourinho ist es sicher schwer einzusehen, aber: Am Schiedsrichter lag es diesmal wirklich nicht, dass Real Madrid in der Champions League gescheitert ist. Der belgische Referee Frank de Bleeckere tat im Halbfinal-Rückspiel der europäischen Königsklasse zwischen den spanischen Rivalen FC Barcelona und Real Madrid sein Mögliches, um jeglichen Verdacht der Parteinahme zugunsten der Katalanen zu zerstreuen. Mehrfach wandelten Real-Spieler am Rande des Platzverweises, aber de Bleeckere war gnädig. Madrid ist nach dem 1:1 (0:0), gleichbedeutend mit dem Ausscheiden, gestraft genug.
Mourinho, der noch nach dem Hinspiel Gott, die Uefa und die Welt für die hochverdiente 0:2-Heimniederlage seines Teams verantwortlich gemacht hatte, gab sich diesmal mucksmäuschenstill. Mehr noch: Der Portugiese, nach den Vorfällen aus dem Hinspiel ohnehin gesperrt, war überhaupt nicht im Stadion, sondern schaute sich die Partie vor dem hoteleigenen Fernseher an.
Mourinhos Rolle übernahm dafür nahtlos sein Landsmann, Real-Stürmerstar Cristiano Ronaldo: "Barcelona wird gut geschützt. Im nächsten Jahr sollten sie ihnen den Pokal direkt geben", übte er sich nach der Partie ebenfalls in der Kunst der Verschwörungstheorie. Er hatte dabei eine Szene vor Augen, als der Schiedsrichter ein Tor Reals wegen eines angeblichen Foulspiels vorzeitig abpfiff. Das war aber nicht mehr als ein schwacher Versuch Ronaldos, die eigene dürftige Vorstellung in diesen zwei Halbfinals zu bemänteln.
Machtverhältnisse im spanischen Fußball demonstriert

Viermal haben Madrid und Barcelona in den vergangenen 17 Tagen gegeneinander gespielt, zweimal in der Champions League, je einmal in Liga und Pokal. Zweimal ging es Unentschieden aus, einmal siegte Real, einmal Barcelona. Die nackte Statistik gaukelt ein Duell zweier gleichwertiger Teams vor. Aber der Abschluss dieser Serie, das Aufeinandertreffen an diesem regnerischen Dienstagabend im Stadion Camp Nou, zeigte die aktuellen Machtverhältnisse im spanischen Fußball noch einmal ganz deutlich auf. Barcelona ist die Nummer eins, dann kommt lange nichts, dann Real Madrid.
Schon nach der ersten Halbzeit stand das Torschussverhältnis der beiden Rivalen bei 8:0 zugunsten Barcelonas. Lediglich Real-Keeper Iker Casillas in Manuel-Neuer-Gedächtnis-Form sorgte dafür, dass es zum Erstaunen aller Beobachter zur Halbzeit noch 0:0 stand. Nach etwa 20 Minuten Aufwärmzeit hatte Barcelona den Turbo angeworfen und Torgelegenheiten im Minutentakt kreiert. Belohnt wurde dieses Anrennen allerdings erst in der 55. Minute durch Pedros Führungstreffer. Marcelo nutzte in der 65. Minute Reals erste echte Torchance zum 1:1-Endstand.
Wer den FC Barcelona nicht mag, bringt dafür gerne zwei Argumente. Zum einen heißt es dann gewöhnlich, das Kurzpassspiel der Elf von Trainer Josep Guardiola erfülle den Tatbestand der Langeweile. Gefühlt minutenlang schieben sich die Blau-Roten den Ball in den eigenen Reihen zu, ohne dass ein gegnerisches Team die Gelegenheit bekommt, einzugreifen. Das mag man langweilig nennen. Perfektion ist eben langweilig.
Messi ist viel, aber er ist nicht alles
Das zweite Argument: Barcelona ist nichts ohne Lionel Messi. Es ist sicher kein Wettbewerbsnachteil, den besten Fußballer der Welt in seinen Reihen zu haben. Aber wer Barça auf Messi verengt, ignoriert letztlich das System Barcelona. Ein System, das die einmaligen Fähigkeiten des Argentiniers in seine Struktur einbaut, ohne sich allein auf sie zu verlassen.
Real Madrid hatte in 180 Minuten Champions-League-Duell mit Barcelona generös geschätzt insgesamt zwei Tormöglichkeiten - und das, obwohl im Rückspiel mit Gonzalo Higuaín, Kaká und Cristiano Ronaldo drei der besten Angreifer der Welt bei Real auf dem Platz standen. Das ist nicht das Verdienst Messis, sondern einer überragenden Defensive der beiden ungleichen Verteidiger-Hünen Gerard Piqué und Carles Puyol.
Dazu kommt der wuchtige Außenverteidiger Dani Alves, der spielintelligente Schlussmann Victor Valdes und der dynamische Abräumer Sergio Busquets. Davor ziehen Xavi und Iniesta im Mittelfeld das Spiel auf, im Angriff rochieren Jungstar Pedro und David Villa. Eine solche Mannschaft hätte auch ohne Messi alle Chancen, die Champions League zu gewinnen.
Für Mourinho wird es unangenehm
Barcelona steht jetzt zum dritten Mal innerhalb von sechs Jahren im Endspiel der Königsklasse. Real dagegen wartet jetzt seit neun Jahren darauf, in ein solch großes europäisches Finale einzuziehen. Mourinho ist damals vor allem geholt worden, um Real endlich wieder an die Spitze Europas zu bringen - dahin, wohin der Club nach seinem Selbstverständnis gehört.
Nun wird der mächtige Präsident und Bau-Multimillionär Florentino Pérez zusehen müssen, wie trotz aller Investitionen, die er in den Verein gepumpt hat, doch der verhasste FC Barcelona die Chance erhält, die Trophäe zu gewinnen. In der Meisterschaft liegt Real zudem acht Punkte hinter Barça - das ist kurz vor Saisonende uneinholbar.
Beim FC Chelsea hat es einst dem mächtigen Geldgeber Roman Abramowitsch irgendwann gereicht, nachdem Mourinho es nicht gelungen war, all die russischen Öl-Millionen des Sponsors für einen Champions-League-Sieg des Vereins zu nutzen. Der Trainer musste gehen. Pérez ist nicht dafür bekannt, sehr viel geduldiger zu sein als Abramowitsch. Zudem mehrten sich zuletzt die Anzeichen, dass Mourinho selbst nicht mehr die große Lust ausstrahlt, noch lange in Madrid zu wirken.
So freigiebig wie Abramowitsch und Pérez in den vergangenen Jahren ist derzeit nur Mansur Bin Sajid. Der Scheich aus Abu Dhabi hat Manchester City bislang mit geschätzten 450 Millionen Euro gemästet. Manchester City ist der reichste Club der Welt und liegt dennoch in der Tabelle der Premier League nur auf Platz vier. Der Verein dürstet nach Erfolg.
Ein Club wie geschaffen für José Mourinho.