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Bayern-Remis gegen Donezk Hinten fest, vorne fahrig

Das torlose Remis gegen Schachtjor Donezk im CL-Achtelfinale zeigt: Die Bayern haben ihre Leichtigkeit verloren. Vor allem in der Offensive boten sie viel Stückwerk. Coach Guardiola ist auf der Suche nach Konstanz.

Noch bevor Mircea Lucescu zum Spiel seiner Mannschaft befragt werden konnte, gab der Trainer von Schachtjor Donezk die Interpretationsrichtung dieses eisigen Abends von Lwiw vor. "Diese Pressekonferenz wird sehr viel fröhlicher als die vorherige, unsere Stimmung ist gut", sagte der Rumäne. Beim Betreten des Saals hatte er sich kurz mit seinem Münchner Kollegen Josep Guardiola ausgetauscht, der zuvor seinen Auftritt vor der Presse hatte. Und er hatte diesem dabei angesehen: Zum Jubeln war dem Katalanen nach dem 0:0 im Champions-League-Achtelfinale des FC Bayern beim ukrainischen Meister nicht zu Mute.

Zwar hatte Guardiola kurz zuvor mehrfach betont, zufrieden mit dem Ausgang des Spiels zu sein. Was er auf dem Platz gesehen hatte, konnte ihm aber nicht nur gefallen haben. Die Bayern waren über 90 Minuten das bestimmende Team gewesen, hatten 64 Prozent Ballbesitz, verzeichneten mehr als doppelt so viele angekommene Pässe (580:287), dazu kommen 8:1 Torschüsse. Ein Treffer war ihnen jedoch nicht gelungen, der Offensive hatte es an Präzision und Abstimmung gefehlt.

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Nur mit einen Sieg im Rückspiel am 11. März in München (20.45 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE) ist der Einzug ins Viertelfinale noch möglich. "Ein 0:0 ist immer auch ein gefährliches Resultat", sagte Bayerns Sportdirektor Matthias Sammer.

Der Münchner Chefmahner kritisierte diesmal zwar nicht nur die Spieler, sondern auch die "merkwürdige" Leistung von Schiedsrichter Alberto Undiano Mallenco, der Xabi Alonso mit Gelb-Rot vom Platz geschickt und ein hartes Foul von Douglas Costa gegen Franck Ribéry nicht geahndet hatte.

Doch in Sammers Worten schwang auch mit: Der FC Bayern muss sich in drei Wochen gegen Donezk deutlich steigern, um keinen Totalschaden zu erleiden. Denn nichts anderes wäre das frühzeitige Aus in der Champions League.

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Bayerns Remis gegen Donezk: Volle Kontrolle trotz Unterzahl

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Keiner weiß das besser als Guardiola, den die Niederlage gegen Real Madrid im Halbfinale der vergangenen Saison noch immer beschäftigt. Er hatte für dieses Spiel deshalb eine Sicherheitsstrategie gewählt, die in erster Linie darauf abzielte, keine Gegentore von den gefährlichen brasilianischen Angreifern Schachtjors zu fangen. "Unser wichtigstes Ziel war es, das Spiel zu kontrollieren, das ist uns gelungen. Donezk hatte keine Chance, null", sagte Guardiola.

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Als Trainer des FC Barcelona verlor der Katalane 2008 schon einmal eine Partie gegen die Ukrainer, damals ging es um nichts mehr, Barça hatte den Gruppensieg längst sicher. Doch diesmal geht es um viel, es geht um nicht weniger als Guardiolas großes Ziel in München: den Triumph in der Champions League. Und Guardiola ist bereit, dafür jede nötige Maßnahme zu treffen.

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FC Bayern in der Einzelkritik: Neuer friert, Alonso fliegt

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Gegen Schachtjor war ihm Kontrolle durch eine stabile Defensive wichtig. Tatsächlich ließ die Abwehrreihe um Jérôme Boateng so gut wie nichts zu. Seine Vorderleute hätten gut verteidigt, bestätigte Torwart Manuel Neuer. Diese Taktik war allerdings zugleich einem Problem in einem anderem Bereich des Teams geschuldet: Seit der Winterpause hat die Guardiola-Elf mit Ausnahme des 8:0-Schützenfestes gegen den Hamburger SV wiederholt Mühe, ihren Angriff zu sortieren. Zuspiele kommen nicht an, Räume bleiben ungenutzt. Auch diesmal schaffte sie es selten, Schachtjors Abwehrriegel aus dem Spiel heraus zu knacken, sondern kam oft nur über das Gegenpressing richtig ins Spiel.

Der stetig wirbelnde Arjen Robben, sein Gegenpart Ribéry, Mario Götze und auch der an diesem Abend seltsam verloren wirkende Thomas Müller passten nicht zueinander, viele Aktionen blieben Stückwerk. Auch deshalb wunderte es, dass Guardiola Robert Lewandowski bis zur 75. Spielminute auf der Bank ließ. Der Stürmer schien darüber ebenfalls wenig erfreut, wortlos verließ er die Katakomben des Stadions.

Dabei hatte Guardiola vor Beginn dieser Saison angekündigt, er und seine Spieler würden in diesem Jahr mehr Spaß haben. Das mag für die erste Hälfte der Spielzeit gestimmt haben, doch abgesehen von der irrwitzigen HSV-Partie sieht das Münchner Spiel seit Beginn der Rückrunde kaum danach aus. Erst die öffentliche Kritik am Trainingslager in Katar sowie am Testspiel in Saudi Arabien, dann das 1:4 in Wolfsburg und das 1:1 gegen Schalke - der FC Bayern scheint verunsichert. Die absolute Deutungshoheit und die Leichtigkeit sind ihm abhandengekommen, auf dem Platz und daneben.

Guardiola ist auf der Suche danach, und er hat nun drei Wochen Zeit. "Wir werden die Partie analysieren und etwas Neues ausprobieren. Das Spiel in München wird ein anderes", versprach der Trainer. Einen Vorteil hat er: Schachtjor wird bis zum erneuten Duell zwar wieder mehr Spielpraxis gesammelt haben, eine andere Taktik wird Mircea Lucescu seinem Team aber nicht verordnen. "Sie spielen immer gleich", sagt Guardiola. Würde er wieder diese Konstanz in seine eigene Mannschaft bringen - er wäre schon einen großen Schritt weiter.

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