
Achtelfinalist KAA Gent Belgische Büffel
Die Bühnen der Champions League sind jede Saison dieselben: Camp Nou, Bernabeu, Old Trafford, Giuseppe-Meazza. Auch die Hauptrollen sind fest vergeben: Barcelona, Real Madrid, Bayern München, Ronaldo, Messi, Ibrahimovic, Lewandowski, Guardiola, Mourinho.
Was sich von Spielzeit zu Spielzeit ändert, sind die Nebenrollen. Und selten hat jemand in einer solchen dermaßen geglänzt wie die KAA Gent. Der belgische Klub wirkt wie von einem Regisseur mit sehr viel Liebe zum Detail gecastet, beginnend beim Vereinsnamen, über Präsidenten, Trainer und Klubhistorie bis hin zum Wappen. Vorhang auf für die Koninklijke Atletiek Associatie Gent.
Am letzten Spieltag gewann Gent in seiner Ghelamco Arena 2:1 gegen Zenit St. Petersburg, das zuvor noch jedes Spiel in der Gruppe gewonnen hatte. Damit setzten sich die Belgier in der Gruppe H gegen Lyon und Valencia durch und zogen auf Platz zwei hinter den Russen ins Achtelfinale ein.
"Die größte Überraschung des belgischen Fußballs im 21. Jahrhundert", titelte "Het Nieuwsblad". Seit dem RSC Anderlecht 2001 hatte es keine belgische Mannschaft mehr in die K.o.-Runde der Champions League geschafft. Nun also Gent, der Außenseiter, mit dem mit Abstand niedrigsten Etat der verbliebenen 16 Teams.
16 Jahre ist es auch her, da war der Klub eigentlich erledigt, bankrott, mit 23 Millionen Euro Schulden, wie das Magazin "11Freunde" schrieb. Präsident Ivan de Witte rettete die KAA, vor allem mithilfe der Bank, die den Verein auch sponsert. Das alte Stadion wurde an die Stadt verkauft, Spieler mit Gewinn transferiert. So schaffte man den Turnaround, 2013 war der Klub saniert.
2014 übernahm Hein Vanhaezebrouck - gesprochen: "Hein van Hasebruck" - als Trainer, ein wuchtiger 1,90-Meter-Mann, der dem Spitznamen des Klubs und seinem Wappen alle Ehre macht. Das zeigt William Frederick Cody, besser bekannt als Buffalo Bill. Der Bisonjäger tingelte als Entertainer Ende des 19. Jahrhunderts durch Europa und machte auch mitten in Belgien Station, in Gent. Dort hinterließ er mit seiner "Wild West Show" einen so bleibenden Eindruck, dass der kurz zuvor gegründete Klub ihn im Wappen verewigte. Seitdem heißen die KAA-Profis "Die Büffel".
Vanhaezebrouck, der als Spieler noch ein Verteidiger der alten Schule war, brauchte allerdings nicht den Bezug zum Wilden Westen, um mit Gent auch gegen schwere Gegner auf Angriff zu setzen. Das tat er schon bei seinen anderen Stationen als Trainer.
Gent will für Simon 20 Millionen Euro Ablöse
Auch wenn der 51-Jährige optisch wie ein Gegenentwurf zu Josep Guardiola wirkt, teilt er mit dem Katalanen doch zumindest eines: die Akribie. Da ist zuallererst das Scouting, Vanhaezebrouck hat den kleinen Etat seines Arbeitgebers als Auftrag angenommen. Einige Säulen der Mannschaft brachte er von seinem Ex-Klub KV Kortrijk mit, ansonsten setzt er vor allem auf den Nachwuchs und Transfers aus Ligen, in denen die namhafteren Vereine selten einkaufen gehen.
Beste Beispiele sind der brasilianische Spielmacher Renato Neto, der über Ungarn und Portugal nach Belgien kam, und vor allem der nigerianische Linksaußen Moses Daddy Simon, den Gent von FK AS Trenčín aus der Slowakei holte. 800.000 Euro kostete Simon, inzwischen ruft Manager Michel Louwagie für das Talent 20 Millionen Ablöse auf.
Ein nächster Schwerpunkt in der Arbeit des Coaches liegt auf der Vorbereitung. Vor der Saison bat Vanhaezebrouck seine Spieler bis zu dreimal am Tag zum Training. Aber nicht, um Kondition zu bolzen - es ging vor allem darum, die verschiedenen Systeme zu lernen. Daran schließt ein weiterer Punkt an: die Spieltaktik. In Belgien ist der Coach bekannt für seine überraschenden Taktikveränderungen während der Spiele, mit denen er seine Gegner immer wieder überrumpelt.
Ob das gegen die europäische Elite auch klappen wird, bleibt abzuwarten. Nach der relativ einfachen Gruppe kommen jetzt die schwierigeren Teams, unter anderem drohen bei der Auslosung am Montag die deutschen Klubs Bayern München und VfL Wolfsburg.
Angst hat bei Gent aber niemand, im Gegenteil. "Darauf haben wir alle gewartet", sagte Top-Torjäger Danijel Milicevic. Beim 2:1 gegen St. Petersburg erzielte er in der 78. Minute den Siegtreffer. Vor der Auslosung sagte er: "Wenn ich mir einen Gegner aussuchen dürfte, würde ich Real Madrid nehmen."