Dortmunds Aus gegen Real Madrid Es ist Liebe
Es gibt diesen Werbespot, in dem das ausnehmend leidenschaftliche Dortmunder Publikum überschüssige Glücksgefühle spendet, die dann in Dosen verpackt an die Konkurrenz verkauft werden. Dortmund ist ein Fußballstandort der großen Gefühle, die anderswo künstlich erzeugt werden müssen, lautet die Botschaft des Filmchens. Und in den Minuten nach dem mitreißenden 2:0-Sieg gegen Real Madrid hätten die Geschäftemacher, die mit Emotionsüberschüssen dealen, Substanzen der allerhöchsten Güteklasse abzapfen können.
Allerdings war es keine Euphorie, die durch die ergriffenen Körper zirkulierte, die beiden Treffer reichten nicht, um das 0:3 aus dem Hinspiel zu egalisieren. Es war ein noch größeres Gefühl: Liebe. Die Menschen in Schwarz-Gelb waren ihrem Club mal wieder verfallen, noch eine Viertelstunde nach dem Schlusspfiff standen Tausende vor ihren Sitzschalen und applaudierten hingerissen.
Und natürlich war es Kevin Großkreutz, der die treffendsten Worte fand, um diese ganz besondere Atmosphäre der kollektiven gegenseitigen Zuneigung zu beschreiben: "Wir können stolz sein, auf die Mannschaft und die Fans und den Verein", sagte der Ur-Dortmunder.
"Ich weiß auch nicht, was mit mir passiert ist"
Die Enttäuschung über den Moment verschwand hinter dem Glück, Teil einer unbestreitbar großen Sache zu sein, und deshalb sagte Trainer Jürgen Klopp irgendwann: "Unter einer Million Möglichkeiten, auszuscheiden, war das die beste." Selbst die Floskeln, mit denen die Dortmunder ihren tragischen Helden des Abends in Schutz nahmen, klangen nicht nach Höflichkeit, sondern ehrlich aufrichtig und zugeneigt.
Die entscheidende Figur war nämlich nicht der exzellente Marco Reus, der beide Tore schoss (24., 37.), nun sieben der acht jüngsten BVB-Treffer erzielt hat und sich einer Form nähert, die auch den deutschen WM-Gegnern Furcht einflößen könnte. Die Schlüsselfigur dieser beiden Viertelfinalduelle war der glücklose Henrich Mchitarjan. Für 27,5 Millionen Euro ist der Armenier im vorigen Sommer von Schachtjor Donezk als Ersatz für Mario Götze ins Revier gewechselt, und es war von Anfang an zu sehen, was für ein großartiger Fußballer er ist. Aber in der Phalanx der Allerbesten hat er in den entscheidenden Momenten versagt.
Im Hinspiel stand Mchitarjan komplett neben sich, an diesem Rückspiel-Abend hatte er drei wunderbare Gelegenheiten, das beachtliche 2:0 in ein magisches 3:0 zu verwandeln. "Ich weiß auch nicht, was mit mir passiert ist", sagte er später sehr gefasst und berichtete, er sei "unglücklich", weil er "die Tore nicht gemacht habe". Der Mangel an Effizienz dieses Fußballers wurde zum entscheidenden Problem für das gesamte Team, aber niemand nahm ihm das übel. "Da braucht kein Einzelner mit sich hadern", sagte Großkreutz, "wir haben als Mannschaft ein sensationelles Spiel gezeigt."
Klopp stellt sich vor glücklosen Mchitarjan
Tatsächlich hatte beinahe alles gepasst. Klopps überraschende Aufstellung mit Milos Jojic und Oliver Kirch in der Mittelfeldzentrale stellte die Spanier vor Rätsel. "Unser Plan ist total aufgegangen, die wussten wirklich nicht, was wir machen", sagte Mats Hummels. Und als nach schon 37 Minuten das 2:0 fiel, war das Stadion beglückt von einer zauberhaften Mischung aus Hoffnung, Zuversicht und Sensationslust, wie es sie nur in den ganz großen Europapokalnächten gibt. "Wir haben unsere Chance bekommen, aber wir haben sie leider nicht genutzt", sagte Hummels, und die meisten Zuhörer dachten: Mchitarjan hat sie nicht genutzt.
Aber so einen Vorwurf hätten die Dortmunder niemals gegenüber einem der Ihren erhoben. Erst recht nicht nach diesem großen Erlebnis, das geprägt war von einer tief empfundenen Gemeinsamkeit. Klopp behauptete sogar, der Armenier habe "ein überragendes Spiel gemacht", was natürlich übertrieben war. Aber allzu deutliche Kritik hätte tatsächlich irgendwie unpassend gewirkt an diesem Abend.
Das fand auch Großkreutz, der irgendwann grundsätzlich wurde: "Wir haben bis hierher eine sensationelle Saison gespielt, ich weiß gar nicht, was die Leute immer wollen", sagte er. "Wir stehen im Pokalhalbfinale, sind in der Bundesliga Zweiter und haben Real Madrid an die Wand gespielt."
Und dieses positive Gesamtgefühl schien zumindest an diesem Abend beinahe genauso viel wert zu sein wie das Erreichen der nächsten Runde.
Borussia Dortmund - Real Madrid 2:0 (2:0)
1:0 Reus (24.)
2:0 Reus (37.)
Dortmund: Weidenfeller - Piszczek (81. Aubameyang), Manuel Friedrich, Hummels, Durm - Kirch - Mchitarjan, Jojic, Reus, Großkreutz - Lewandowski
Madrid: Casillas - Carvajal, Pepe, Ramos, Coentrao - Illarramendi (46. Isco), Alonso, Modric - Di Maria (73. Casemiro), Benzema (90.+2 Varane), Bale
Schiedsrichter: Skomina (Slowenien)
Zuschauer: 65.829 (ausverkauft)
Gelbe Karten: Reus (2), Aubameyang - Ramos (2), Alonso (2), Carvajal, Casemiro, Benzema
Besonderes Vorkommnis: Weidenfeller hält Handelfmeter von Di Maria (17.)
Ballbesitz in Prozent: 51 / 49
Schüsse: 12 / 10
Torschüsse: 6 / 5
Gewonnene Zweikämpfe in Prozent: 53 / 47
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