Liverpool im Champions-League-Finale Überraschung!
Ein bisschen sah es aus, als würde Jürgen Klopp selbst nicht glauben, dass das gerade passiert.
Das Heimpublikum hatte sich schon in die warme Nacht verabschiedet. Die rund 5000 Fans aus Liverpool waren geblieben, um das weite Olympiastadion in Rom zu beschallen. Jürgen Klopp lief seine Spieler ab, er verteilte Umarmungen und andere Zärtlichkeiten, und in seinem Gesicht war noch nicht richtig angekommen, dass seine Mannschaft im Finale der Champions League steht.
Sein Gesicht schien zu sagen: Wir? Echt jetzt? Ist ja verrückt!
Der FC Liverpool gehörte zu Beginn der Saison nicht zu den Favoriten in dem europäischen Königswettbewerb, die Mannschaft geht am 26. Mai als Überraschungsgast ins Endspiel von Kiew gegen die erfahrenen Gewinner-Typen von Real Madrid. Doch sie ist gewachsen im Laufe der Kampagne und hat sich die Teilnahme am Finale verdient mit einer Mischung aus offensivem Spektakel und Widerstandsfähigkeit in der Defensive. Beide Elemente zeigten sich beim 2:4 im Halbfinal-Rückspiel gegen Rom.
In die erste Kategorie fallen Partien wie das 7:0 am letzten Vorrunden-Spieltag gegen Spartak Moskau, das 5:0 im Achtelfinal-Hinspiel beim FC Porto, das 3:0 im ersten Treffen im Viertelfinale gegen Manchester City und das 5:2 im Halbfinal-Hinspiel gegen Rom. Zur zweiten Kategorie gehören der 2:1-Erfolg im Rückspiel bei Manchester City, als Klopps Mannschaft dem Dauerdruck des neuen englischen Meisters standhielt, und phasenweise auch das Rückspiel in Rom, in einer feindseligen Atmosphäre, die schon den FC Barcelona zu Fall gebracht hat.

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Zwar verlor Liverpool 2:4, auf dem Papier schien der Einzug ins Finale bis zur letzten Sekunde auf der Kippe. Doch faktisch war Klopps Team nicht wirklich in Gefahr. Es verteidigte mit Leidenschaft, nahm Roms Hoffnungen auf das nächste Wunder mit zwei Treffern in der ersten Hälfte durch Sadio Mané (9. Minute) und Georginio Wijnaldum (26.) und kassierte die Gegentreffer zur Niederlage erst kurz vor Schluss. Zu diesem Zeitpunkt war es für Rom schon zu spät. "Zum ersten Mal waren wir nicht so gut wie wir sein können. Wir brauchten Glück und hatten es. Über die ganze Saison ist es absolut verdient", sagte Klopp.
Es, damit meinte Klopp den Finaleinzug. Er unterschlug allerdings nicht, dass Rom das Endspiel seiner Meinung nach genau so verdient gehabt hätte.
Der italienische Spitzenklub hat Außergewöhnliches geleistet in dieser Saison. Er setzte sich in einer Vorrundengruppe mit Chelsea und Atlético Madrid durch, schaffte gegen Barcelona im Viertelfinale ein Comeback, das die Gelehrten noch in 100 Jahren zitieren werden, und traf gegen Liverpool in zwei Spielen sechsmal.
Umso größer war der Zorn der Verantwortlichen über das Aus. Sie beklagten, dass Schiedsrichter Damir Skomina sie mehrfach ungerecht behandelt hätte. "Gratulation an Liverpool, aber wir brauchen den Videobeweis in der Champions League. Solche Dinge sind ein echter Witz", sagte Präsident James Pallotta über zwei Situationen, in denen sein Team einen Elfmeter hätte kriegen können.

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Das war wohl dieses Glück, das Klopp ansprach. Sein Team hat mit dem Einzug ins Endspiel einen neuen Schritt in der Entwicklung erreicht. Die Mannschaft ist immer noch im Bau, die eine oder andere Konstruktion wirkt immer noch wackelig. Torwart Loris Karius zum Beispiel hat die Zweifel an seiner Eignung für höchste Aufgaben noch nicht final zerstreut. Die Abwehr ist trotz des 80-Millionen-Euro-Zukaufs Virgil Van Dijk immer noch zu komödiantischen Einlagen wie James Milners Eigentor zum zwischenzeitlichen 1:1 in Rom im Stande. Der Angriff dagegen mit Mohamed Salah, Mané und Roberto Firmino ist ein prachtvolles, nahezu perfektes Gebilde.
Liverpool hat in der Champions League in dieser Saison 40 Tore geschossen. Alleine 29 Treffer davon entfallen auf das furiose Sturmtrio. Real Madrid kommt in dieser Kampagne auf 30 Treffer und hat den Top-Torschützen im Kader, nämlich Cristiano Ronaldo. Das Endspiel in Kiew könnte eine unterhaltsame, eine torreiche Veranstaltung werden. Mit offenem Ausgang.
Real mag Favorit sein, doch Klopp hat keine Lust, sich mit der Rolle als Außenseiter abzufinden. Vermutlich weil er weiß, dass Titel und Triumphe zur Historie des FC Liverpool gehören. Zwei Finals hat er mit dem Klub schon erreicht, 2016 im Ligapokal und in der Europa League, beide gingen verloren. Und dann ist da natürlich noch das 1:2 im Endspiel der Champions League mit Borussia Dortmund gegen den FC Bayern vor fünf Jahren. Eine weitere Niederlage will sich Klopp nicht leisten, auch nicht gegen Real Madrid. "Es ist schön, ein Finale zu erreichen. Ich habe das ein paar Mal geschafft. Aber es zu gewinnen, ist noch schöner", sagte er. Ende Mai könnte es vielleicht so weit sein.
AS Rom - FC Liverpool 4:2 (1:2)
0:1 Mané (9.)
1:1 Milner (15., Eigentor)
1:2 Wijnaldum (26.)
2:2 Dzeko (52.)
3:2 Nainggolan (86.)
4:2 Nainggolan (90.+4, Handelfmeter)
Rom: Alisson - Florenzi, Manolas, Fazio, Kolarov - De Rossi (69. Gonalons) - Pellegrini (53. Ünder), Nainggolan - Schick, Dzeko, El Shaarawy (75. Antonucci).
Liverpool: Karius - Alexander-Arnold (90.+2 Clyne), van Dijk, Lovren, Robertson - Henderson - Wijnaldum, Milner - Salah, Firmino (87. Solanke), Mané (83. Klavan).
Schiedsrichter: Damir Skomina (Slowenien)
Gelbe Karten: Florenzi, Manolas - Lovren, Robertson, Solanke
Zuschauer: 61.889