Chelseas Matchwinner Havertz in der Champions League In acht Minuten mehr bewegt als Lukaku in 90

Torschützen unter sich: Kai Havertz jubelt gemeinsam mit Christian Pulisic
Foto: DAVID KLEIN / REUTERSDieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Der Quervergleich des Spiels: Eigentlich war das letzte Ligaspiel des FC Chelsea kaum der Rede wert, doch nach dem 1:0-Erfolg über Crystal Palace kursierte eine bemerkenswerte Statistik : Stürmer Romelu Lukaku hatte durchgespielt, den Ball aber nur siebenmal berührt – einmal beim Anstoß. Man hätte »Probleme gehabt, ihn zu finden und einzusetzen«, erklärte Chelsea-Coach Thomas Tuchel. Also fiel diesmal Lukakus Platz in der Sturmspitze an den umtriebigeren Kai Havertz. Der hatte nach acht Minuten immerhin schon fünf Ballkontakte, zwei Großchancen vergeben – und per Kopfball-Aufsetzer die Führung gegen den OSC Lille erzielt.
Das Ergebnis: Mit einem 2:0 (1:0)-Erfolg im Rücken gehen die Blues ins Achtelfinal-Rückspiel der Champions League, das am 16. März in Lille stattfindet. Hier geht es zum Spielbericht.
Sie fahren nach… Wohin? Bevor der Ball an der Stamford Bridge rollte, stand er im Fokus der TV-Bilder: In Großaufnahme, ehe die Spieler dem Einlauftunnel entstiegen. Auf dem Ball deutlich lesbar: St. Petersburg. Der Ort, an dem das Finale der Königsklasse Ende Mai stattfinden soll. Spätestens seit der von Russland provozierten Eskalation in der Ostukraine ist die Vergabe umstritten. Ob das Endspiel wirklich in Russland stattfindet, hielt sich die Uefa offen: Man werde »zu gegebener Zeit« eine Entscheidung treffen. Leicht dürfte sie nicht fallen: Über den CL-Großsponsor und russischen Staatskonzern Gazprom ist der Verband verbandelt – ebenso wie Titelverteidiger Chelsea, seit 2003 im Besitz des Oligarchen Roman Abramowitsch.
Erste Hälfte: Die Havertz-Show startete mit einem Fehlschuss aus fünf Metern (4. Minute), ein von Torhüter Léo Jardim zur Ecke parierter Schlenzer kam der Sache dann schon näher (7.). Besagter Eckball verschaffte Havertz die dritte Gelegenheit, ungedeckt und mit Anlauf köpfte der Nationalspieler die Hereingabe Hakim Ziyechs ins Tor. Mit der Führung im Rücken konnten die Londoner dann so spielen, wie sie es am liebsten tun: Dosiert, selten mit mehr Aufwand als nötig – aber auch nie mit mehr defensiven Lücken, als ein N'Golo Kanté stopfen kann.
Der Chef schaut zu: Beste Sicht auf das Geschehen hatte ein prominenter Gast: Bundestrainer Hansi Flick war zugegen, um sich live ein Bild von der Form seiner DFB-Profis zu machen. Havertz bot Gefahr und Geschmeidigkeit, Antonio Rüdiger alles zwischen schönen Diagonalbällen und kleineren Aussetzern. Timo Werner durfte erst in der Schlussphase mittun, in Tuchels Startelf war erneut kein Platz für den Stürmer.
Endlich geschliffen: Zwar darf Lille sich nach der Sensation des Vorjahres französischer Meister nennen, allzu viel meisterliche Qualität aber ist im Team nicht mehr vorhanden. Etliche Leistungsträger haben den Klub verlassen, auch Erfolgscoach Christophe Galtier zog im Sommer weiter. Zu den wenigen verblieben Juwelen zählt Renato Sanches: Der ehemalige Bayern-Profi ist in Nordfrankreich vom Rohdiamanten zum Leistungsträger gereift, überzeugte mit unbändiger Energie, technischem Vermögen und guten Ideen. Im Alleingang den Tabellenelften der Ligue 1 mitreißen konnte aber auch Sanches nicht.

Renato Sanches zeigte eine gute Partie
Foto: Andy Rain / EPADie zweite Hälfte: Das änderte sich auch nach dem Seitenwechsel nicht. Zwar hatte Lille seine Spielanteile, aber für Gefahr sorgte nur Chelsea: Sei es Marcos Alonso mit einem von Zeki Çelik abgefälschten Schuss (54.), Havertz aus spitzem Winkel (59.) oder Christian Pulisic, der nach Zuspiel Kanté einen sauber ausgespielten Konter mit Erfolg abschloss (63.). Es war die Entscheidung für den Abend, und wohl auch die Vorentscheidung für das Achtelfinale. Und für die Statistikfreunde: Bis zum Spielende brachte es Havertz auf 46 Ballkontakte.
Er darf nicht: Vier Auswechslungen nahm Tuchel bis zum Abpfiff vor, zwei davon nicht ganz freiwillig, weil Ziyech und Mateo Kovačić sich verletzten. Bankdrücker Lukaku aber blieb außen vor. Es war erst das zweite Mal in dieser Saison, dass der 113-Millionen-Euro-Zugang von Inter Mailand im Kader stand, aber nicht zum Einsatz kam. In der Gruppenphase gegen Juventus war dies auch dem Umstand geschuldet, dass Lukaku eine mehrwöchige Verletzungspause hinter sich hatte. Tuchel muss aufpassen, dass sein Star-Transfer nicht endgültig zur Problempersonalie wird – denn gegen stärkere Gegner als Lille könnten Lukakus Wucht und seine Laufwege in die Tiefe wieder gefragt sein.