Champions-League-Krimi Barça zieht nach dramatischer Schlussphase ins Finale ein
Michael Ballack war außer sich. Mit rudernden Armen schrie der Kapitän der deutschen Nationalmannschaft auf Schiedsrichter Tom Henning Övrebö ein. Berührte ihn mehrfach in blinder Wut. Wenige Sekunden zuvor hatte der Offizielle dem FC Chelsea in der sechsten Minute der Nachspielzeit einen Elfmeter verweigert. Barcelonas Stürmer Samuel Eto'o hatte den Ball mit dem Arm gestoppt. So hatte es zumindest Ballack gesehen und die meisten der 37.857 Zuschauer im ausverkauften Stadion an der Stamford Bridge. Doch Övrebrö entschied auf Weiterspielen, denn Eto'o hatte sich nach Ansicht des Norwegers vom Ball weggedreht und war zwischen Schulter und Arm angeschossen worden. Der Strafstoß hätte wohl die Entscheidung gebracht, das Endspiel in Rom, die Chance zur Revanche für das Vorjahresfinale gegen ManU. Stattdessen blieben den Engländern nur Tränen der Wut und Enttäuschung.
Drei Minuten zuvor: Der FC Chelsea wähnte sich bereits als sicherer Sieger. Dann passte der bis dahin schwache Lionel Messi auf Andrés Iniesta, der den Ball aus rund 18 Metern mit dem rechten Fuß in den rechten Winkel beförderte. Der Ausgleich - und damit das Aus für die Gastgeber.
Mit dem 1:1 (1:0) beim FC Chelsea folgt Barcelona Manchester United ins Finale der Champions League am 27. Mai. Nach dem torlosen Unentschieden des Hinspiels reichte den Spaniern das erzielte Auswärtstor. "Es ist unglaublich, dieser Treffer in letzter Minute. Wir sind im Endspiel und werden das jetzt genießen", sagte Barcelonas Gerard Piqué, der Glück hatte, dass Övrebö in der 82. Minute dessen Handspiel im Strafraum nicht ahndete.
Die Partie hatte für den FC Chelsea geradezu optimal begonnen. Nach nur neun Minuten traf Mittelfeldmann Michael Essien mit einem wunderschönen Volleyschuss aus 22 Metern zu Führung. Wenig war in der Folge zu sehen vom filigranen Kurzpassspiel Barcelonas, mit dem der Club noch am Wochenende in der Liga den großen Rivalen aus Madrid vorgeführt hatte. Fahrig, fast hektisch drängte Barça in die gegnerische Hälfte. Entsprechend ungenau gerieten die Zuspiele. Auf der linken Außenbahn ließ sogar ein feiner Techniker wie Eto'o einen simplen Querpass über den Fuß rutschen.
Chelsea zeigte, mit der sicheren Führung im Rücken, jene Tugenden, die im Hinspiel einen Gegentreffer im gefürchteten Camp Nou verhindert hatten. Konsequente Defensive, die frühe Attacke auf den Ballführenden suchend, mit zehn Spieler den eigenen Strafraum umschwärmend. Im Gegensatz zur Partie in Barcelona ergaben sich aus der kompakten Verteidigung durchaus vielversprechende Konterchancen für die Spieler in blau. Eine solche schloss Frank Lampard in der 17. Minute mit Gewalt aber ohne Augenmaß ab.
Für Diskussionsstoff sorgte eine Sequenz ab der 23. Minute. Zuerst scheiterte Chelsea-Stürmer Didier Drogba nach einem weiteren schnellen Angriff am herauslaufenden Valdes. Wenige Sekunden später herrschte erneut Aufregung im Barça-Strafraum, als Abwehrspieler Daniel Alves das Laufduell gegen Florent Malouda verlor und den französischen Mittelfeldmann umriss. Övrebö erkannte zwar ein Foul, verortete dieses jedoch außerhalb des 16-Meter-Raums. Den fälligen Freistoß brachte Drogba aus spitzem Winkel aufs Tor, nach der folgenden Ecke vergab Lampard per Kopf aus guter Position.
Barças Weg nach Rom
GRUPPENPHASE |
Sporting Lissabon 3:1/5:2 |
Schachtjor Donezk 2:1/2:3 |
FC Basel 5:0/1:1 |
ACHTELFINALE |
Olympique Lyon 1:1/5:2 |
VIERTELFINALE |
Bayern München 4:0/1:1 |
HALBFINALE |
FC Chelsea 0:0/1:1 |
FINALE |
Manchester United 27.05. |
Ob die unerwartete Chelsea-Offensive, der Rückstand oder die Absenz des am Knie verletzten Thierry Henry den Angriffsfluss der Gäste lähmte, ließ sich nicht bestimmen. Klare Chancen sprangen jedoch auch in der Schlussviertelstunde der ersten Halbzeit nicht mehr heraus.
Nach der Pause sahen die Zuschauer dann das erwartete schnelle Kombinationsspiel, formvollendete Ballbehandlung und hochkarätige Chancen - allerdings von Ballack und Co. In der 52. Minute war es der sehr aktive Drogba, der nach Pass von Nicolas Anelka erst Verteidiger Piqué mit einem flinken Haken ins Leere laufen ließ, den Ball danach aber nicht an Valdes vorbeischieben konnte. Im Nachschuss traf Malouda aus 14 Metern nur das Außennetz.
Nach 66 Minuten war es dann erneut der Schiedsrichter, der dem schleppenden Spiel Farbe verlieh. Im Zweikampf von Anelka und Barças Éric Abidal erkannte Övrebö ein Trikotzupfen des Verteidigers und zeigte wegen Notbremse die Rote Karte. Zehn Barcelona-Spieler kämpften unter dem Siegesgesang der englischen Fans verzweifelt um den ersehnten Ausgleichstreffer, der den Endspiel-Einzug bedeutet hätte.
Sie mussten sich bis zur Nachspielzeit gedulden.
FC Chelsea - FC Barcelona 1:1 (1:0)
(Hinspiel 0:0)
1:0 Essien (9.)
1:1 Iniesta (90+3.)
FC Chelsea: Cech - Bosingwa, Alex, Terry, A. Cole - Essien, Ballack, Lampard, Malouda - Anelka, Drogba (72. Belletti)
FC Barcelona: Victor Valdes - Daniel Alves, Pique, Abidal, Sergi Busquets (85. Bojan) - Touré, Xavi, S. Keita, Iniesta (90+6. Gudjohnsen) - Messi, Eto'o (90+7. Sylvinho)
Schiedsrichter: Övrebö (Norwegen)
Zuschauer: 37.857 (ausverkauft)
Rote Karte: Abidal (Barcelona, 66.) wegen einer Notbremse
Gelbe Karten: Essien (74.), Alex (77.), Drogba (90.), Ballack (90+6.) / Daniel Alves (30.), Eto'o (90+1.)