
Champions-League-Playoffs: Polizei-Schrecken in der Kurve
Polizeieinsatz bei CL-Spiel Eskalation auf Schalke
Als Horst Heldt am Mittwochabend kurz vor Mitternacht die Interviewzone betrat, um die trübe Stimmung mit ein paar Worten der Zuversicht aufzuhellen, wusste er natürlich längst, dass er auf Widerstand treffen würde. "Ich gebe jetzt meine Meinung ab, aber das muss ja nicht dieselbe sein, wie die von Ihnen", schickte der Manager von Schalke 04 seiner Analyse des fußballerisch mageren 1:1 (1:0) gegen Paok Saloniki im Hinspiel der Champions-League-Playoffs voraus.
Und dann begann Heldt mit seiner kleinen Zuversichtskampagne. Er sprach von einem "sehr intensiven Spiel", lobte die Schalker Profis dafür, dass sie "eng dran an den Männern" waren und "oftmals den zweiten Ball gewonnen haben", zumindest in der ersten Halbzeit. Und Julian Draxler sagte: "Ich bin sicher, dass wir heute einen ersten Schritt in Richtung Trendwende gemacht haben."
Für die meisten Zuhörer klang das nicht nach einer objektiven Analyse, aber zur Objektivität sind die Schalker ja auch nicht verpflichtet. Sie versuchen, dieses Spiel als Fortschritt zu verkaufen. Dabei sieht Spitzenfußball anders aus. Und gemessen an den großen Erwartungen, die dieser Club an sich selbst hat, war die Darbietung gegen die Griechen eher eine Enttäuschung. Aber scheinbar ist die Lage auf Schalke derart prekär, dass auch eine Stabilisierung auf bescheidenem Niveau zum Erfolg erklärt werden muss.
In der ersten Halbzeit war das Team tatsächlich über weite Strecken stabil, wurde wohlwollend vom Publikum unterstützt und erarbeitete sich mit Beharrlichkeit und ein wenig Glück eine durchaus verdiente 1:0-Führung, Jefferson Farfán traf in der 32. Minute. Die zweite Hälfte war schwächer, Saloniki wurde besser und kam nach einem Fernschuss durch Miroslav Stoch (73.) zum 1:1, das die Griechen feierten wie einen Titel. "Ärgerlich und unnötig", nannte Heldt dieses Gegentor.
Mazedonische Fahne angeblich Auslöser der Gewalt
Als wäre die zweite Halbzeit sportlich nicht schon schlecht verlaufen, wurde sie auch noch von einem massiven Polizeieinsatz in der Nordkurve überschattet. Ausgangspunkt der Auseinandersetzung war eine mazedonische Fahne, die seit einiger Zeit aufgrund der Fanfreundschaft zum Club Vardar Skopje bei vielen Heimspielen im Schalker Block hängt.
Griechische Polizisten, die mit den als schwierig geltenden Fans aus Saloniki angereist waren, sollen während des Spiels die Befürchtung geäußert haben, diese Fahne provoziere die Gästefans. Zwischen Griechenland und Mazedonien schwelt seit 1991 ein komplizierter politischer Konflikt. Angeblich hätten die Paok-Fans damit gedroht, einen Spielabbruch herbeizuführen. Daher bat die griechische Polizei ihre Kollegen darum, die Flagge zu entfernen. Als die verantwortliche Schalker Ultra-Gruppe sich weigerte, schritten deutsche Polizisten ein.
Bengalos und Kanonenschläge im griechischen Block
Unbeteiligte gerieten in Panik, es wurde geprügelt und Pfefferspray versprüht. Die Schalker sind empört, für Hunderte geriet der Abend zum Schreckenserlebnis. "Wenn jetzt unsere Fans am Samstag in Hannover eine Braunschweig-Fahne aufhängen, gehen die dann auch mit 200 Leuten vor, weil sich jemand provoziert fühlt?", fragte der entsetzte Heldt, der noch nicht alle Details kannte, aber sehr verärgert war. Denn im griechischen Block waren Bengalos abgebrannt worden und mehrere Kanonenschläge explodiert. Ohne Reaktion der Polizei.
Am Donnerstag teilte die Gelsenkirchener Polizei dann mit, bei der Flagge habe es sich "um volksverhetzende Tatbestände" gehandelt. "Die mehr als 2000 griechischen Fans drohten mit Blockstürmen, Spielfeldsturm und Spielabbruch. In einem solchen Fall wäre Leib und Leben zahlreicher, auch unbeteiligter Zuschauer gefährdet worden", sagte eine Polizeisprecherin und behauptete, Schalke sei über den Einsatz informiert gewesen: "Der Sicherheitsbeauftrage wusste definitiv Bescheid. Er wurde aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen, um das Banner entfernen zu lassen."
"Dieser Einsatz war völlig unverhältnismäßig"
Schalke betonte hingegen, der Einsatz sei nicht mit dem Club abgesprochen gewesen. "Dieser Einsatz war völlig unverhältnismäßig. Wir können dies absolut nicht gutheißen und bringen dafür nicht das geringste Verständnis auf. Dieser Vorfall muss unbedingt aufgearbeitet werden", wird Schalkes Finanzchef Peter Peters in einem Statement des Clubs zitiert.
Die Vorkommnisse haben auch die Fußballer abgelenkt. Schalkes besorgter Kapitän Benedikt Höwedes kam nach dem Abpfiff in den Block, um sich zu erkundigen, was vorgefallen war. Und Torhüter Timo Hildebrand sagte: "Ich habe gehört, dass da etwas im Gange ist, dann mehrmals nach hinten geschaut und viele Polizisten gesehen. Natürlich ist das nicht förderlich, es wäre besser für die Mannschaft, wenn im Stadion gute Stimmung herrscht."
Als Erklärung für die sehr durchwachsene Leistung kann die Gewalt auf den Rängen trotzdem nicht dienen. Nach nunmehr vier Partien in drei Wettbewerben kommt man langsam zu der Erkenntnis, dass der FC Schalke in diesem Jahr vielleicht doch kein Spitzenteam ist. "Wir haben junge und hungrige Spieler gekauft und wir wissen, dass die eine gewisse Zeit brauchen", sagte Trainer Jens Keller. Nur hat der Club diese Zeit nicht.
Am kommenden Dienstag (20.45 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE) geht es in Saloniki um 15 Millionen Euro, die den Schalkern fehlen, wenn sie anstatt in der Champions League nur in der Europa League spielen würden. Und in der Bundesliga hätte ein Absturz ins Mittelmaß fatale Folgen.
FC Schalke 04 - PAOK Saloniki 1:1 (1:0)
1:0 Farfán (32.)
1:1 Stoch (73.)
Schalke: Hildebrand - Uchida, Matip, Höwedes, Fuchs - Höger (78. Goretzka), Jones - Farfán (87. Pukki), Meyer (69. Clemens), Draxler - Szalai
Saloniki: Sanz - Kitsiou, Katsouranis, Vitor, Lino - Tziolis, Lazar - Stoch, Lawrence (62. Kace), Lucas (90.+1 Oliseh) - Salpingidis (62. Athanasiadis)
Schiedsrichter: Lannoy (Frankreich)
Zuschauer: 52.444
Gelbe Karten: Uchida - Kitsiou, Stoch, Tziolis, Lazar