

Moderner Fußball, das heißt moderne Abwehrspieler. Verteidiger, die den Spielaufbau beherrschen, die den Angriff mit eleganten Pässen und gelungenem Kombinationen einleiten, die vielseitig auf dem Platz einsetzbar sind, die Mats Hummels oder Phillip Lahm heißen. Sie sind die Zukunft des Fußballs.
Und dann gibt es noch Pepe und Sergio Ramos.
Die Innenverteidiger von Real Madrid sind so etwas wie die Dinosaurier der Defensive. Umschaltspiel interessiert sie nur am Rande, ihr Spielaufbau konzentriert sich darauf, den Ball aus dem eigenen Strafraum möglichst weit zu entfernen. Wie früher. Abwehrarbeit begreifen sie als Handwerk - zur Not unter Risiko für die eigene Gesundheit. Besser noch für die Gesundheit der Gegner. Wenn man so will, sind sie die letzten Drecksäcke des internationalen Spitzenfußballs. Ich bin ein großer Freund von ihnen.
Und sie können das Halbfinalrückspiel der Champions League bei Bayern München am Abend entscheiden (20.45 Uhr Liveticker SPIEGEL ONLINE, TV: ZDF, Sky). Auf Ramos und Pepe wird es ankommen. Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge hat Real eine Atmosphäre angedroht, "die ein bisschen an die Hölle erinnert". Es ist der Ort, wo sich Ramos und Pepe am wohlsten fühlen.
"Das größte Ekel des Weltfußballs"
Seit 2007 verteidigen sie gemeinsam bei Real. Neben der Frisur von Cristiano Ronaldo müssen die zwei am häufigsten herhalten für das Argument, dass die "Königlichen" eine zutiefst unsympathische Mannschaft seien. Die "Welt" hat Pepe mal "das größte Ekel des Weltfußballs" getauft. Nicht viele können das von sich behaupten. Da hatte er im Clásico gegen den FC Barcelona dem auf dem Boden liegenden Lionel Messi auf die Hand getreten.
Ramos spielt seit 2005 bei Real Madrid, er hat seitdem immer in der Stammelf gestanden. Bis auf die Zeiten natürlich, wo er wegen Roter Karten gefehlt hat. 17 Platzverweise hat Ramos bei Real angesammelt - das ist einsamer Vereinsrekord. Pepe ist mal in einem Ligaspiel gegen Getafe dermaßen ausgerastet, dass der Verband ihn anschließend für zehn Spiele sperrte.
Damit war er noch gut bedient. Er hatte erst einen Gegenspieler zu Boden gestoßen und diesen dann zweimal getreten, danach schlug er einen anderen Getafe-Profi ins Gesicht und beleidigte den Schiedsrichter-Assistenten. Wenn er dagegen selbst gefoult wird, bleibt er je nach Spielstand auch mal gefühlte Ewigkeiten liegen, mimt den Todeskampf, bevor er nach einer Minute wertvollen Zeitspiels plötzlich wieder quicklebendig auf den Beinen steht.
Eigentlich gäbe es nicht viele Gründe, sie zu mögen.
Und doch: In der Zeit, in der ich Fußball kennengelernt habe, wären Ramos und Pepe Idole gewesen. Rau, eisenhart bis an die Grenze des Erlaubten - sehr, sehr gerne auch darüber hinaus. Verteidiger waren so. Berti Vogts war so. Niemand hatte Lust gegen sie zu spielen. Die Zuschauer haben sie geliebt. Ich habe sie geliebt, die Konopkas, Schwarzenbecks, Wittkamps, Höttges', Pflüglers. Sie verkörperten den Traum, dass man es auch ohne die größten fußballerischen Fähigkeiten nach ganz oben schaffen kann. Es sei denn, man betrachtet die Grätsche als höchste Kunstform.
Sie können jedem Stürmer den Spaß verleiden
Wer Mario Mandzukic im Halbfinal-Hinspiel in Madrid beobachtet hat, konnte sehen: Irgendwann hatte auch der Mittelstürmer der Bayern keine Lust mehr. Jeder hohe Ball, der auf ihn kam, wurde von den beiden weggeköpft und rausgeballert. 90 Minuten lang standen sie dem Kroaten auf den Fußspitzen. Ramos und Pepe können jedem Angreifer den Spaß am Fußball verleiden.
Das Duo widerspricht allem, was sich Trainer-Schöngeister wie Bayern-Coach Josep Guardiola wünschen können. Limitiert in Schnelligkeit und Technik; bei spielstarken Angreifern wie Dortmunds Robert Lewandowski geraten sie rasch in Panik; mit der lässigen Eleganz eines Dante hat Pepe lediglich die Wuschelfrisur gemeinsam.
Ohnehin: diese Frisur. Sie ist eine fast perfide Maskerade der Harmlosigkeit. Jahrelang trug Pepe einen kahlen Schädel, er sah dadurch so furchterregend aus, wie er auch spielte. Unter dem damaligen Real-Coach José Mourinho galt er lange Zeit als dessen Vollstrecker auf dem Feld, ein fußballerischer Scharfrichter. Spiele gegen den Intimfeind FC Barcelona waren für Pepe eine Mission. Er zog in den Krieg, und Pardon wurde nicht gegeben.
Mourinho wäre an sich der ideale Trainer für Pepe und Ramos gewesen. Einer, der es liebt, das Spiel zu zerstören, den Gegner mit allem zu bekämpfen, was möglich ist. Trotzdem hatte er sich am Ende mit beiden überworfen, Pepe gar auf die Ersatzbank degradiert. Unter Nachfolger Carlo Ancelotti sind beide wieder gesetzt. Der Italiener weiß genau, was er an solchen Typen hat. Er kommt aus dem Land, in dem Spieler wie Giuseppe Bergomi und Claudio Gentile verehrt wurden. Sie haben das italienische Spiel berühmt und gleichermaßen berüchtigt gemacht.
Am Abend wird es wieder so sein: Vorne werden Cristiano Ronaldo, Gareth Bale und Karim Benzema versuchen, ihre Schnelligkeit, ihre Technik, ihre Leichtigkeit auszuspielen, hinten werden Ramos und Pepe die Bälle aus dem Sechzehnmeterraum herausbolzen. Es ist womöglich die perfekte Mischung, um die Bayern zu schlagen.
Josep Guardiola steht vor seiner schwierigste Prüfung als Bayern-Trainer. Gegen die Konterspezialisten von Real Madrid müssen die Münchner vorne wie hinten brillieren und die besondere Schwäche der Spanier nutzen. Die Taktikanalyse.
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Sergio Ramos (l.) und Pepe - für die Stürmer dieser Welt ein Abwehrduo aus der Hölle. Die Innenverteidiger von Real Madrid werden beim Halbfinal-Rückspiel in München besonders gefordert sein.
Der Spanier und der Portugiese wirken wie Abwehrspieler aus einer früheren Zeit: hart, kopfballstark, mit Schwächen im Aufbauspiel. Aber es reicht immer noch, um Franck Ribéry im Hinspiel nachhaltig zu beeindrucken.
Beide stehen seit 2007 gemeinsam in der Innenverteidigung, seitdem haben sie zahlreiche Titel gesammelt. Auf einen Champions-League-Triumph warten sie allerdings noch.
Vor allem die Spiele gegen den Rivalen FC Barcelona sind für die beiden eine Art Mission. Bei der sie die Aggressivität oft übertrieben haben. Hier sieht Ramos eine seiner insgesamt 17 Roten Karten in seiner Real-Zeit. Übrigens Vereinsrekord.
Nach dem Erfolg über Barcelona in der Copa del Rey in diesem Monat mimte Ramos den Stierkämpfer.
Kämpfer ist er auch in der spanischen Nationalmannschaft. 116-mal lief er für die Spanier bisher auf, er ist mit ihnen Welt- und Europameister geworden.
Bereits 2008 gehörte er zu der erfolgreichen Mannschaft, die den Nimbus der Spanier begründete und die bei der EM in Österreich und der Schweiz triumphierte.
Solche Erfolge hat Pepe mit Portugal nicht vorzuweisen: Dafür ist er umso intensiver für Real am Werk, wenn es gegen den FC Barcelona geht.
In Partien gegen den Erzrivalen fiel Pepe immer wieder negativ auf. Einmal trat er Lionel Messi, der schon am Boden lag, absichtlich auf die Hand.
In der Nationalelf ist er unverzichtbar. 57 Einsätze stehen für die Portugiesen zu Buche, am 16. Juni kommt es zum WM-Duell mit Deutschland.
Die Grätsche hat er auch hier kultiviert. Zlatan Ibrahimovic wirkt durchaus eingeschüchtert, was bei dem Schweden schon einiges bedeutet.
Siege über Barcelona wie hier bei der Copa del Rey genießen höchsten Stellenwert für Pepe.
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