Karius-Patzer im Champions-League-Finale Nicht zu fassen

Loris Karius
Foto: Laurence Griffiths/ Getty ImagesLoris Karius ging langsam Richtung Liverpool-Fans. Er wusste ja nicht, wie sie reagieren würden. Gerade war das Champions-League-Finale gegen Real Madrid zu Ende gegangen, das durch seine beiden Fehler maßgeblich entschieden worden war. Karius weinte, vergrub sein Gesicht im Trikot, er hob immer wieder die Hände, entschuldigte sich bei den Fans der Reds. Die applaudierten ihm, nach seinem dritten Gegentreffer hatten sie "You'll never walk alone" angestimmt, ihre Hymne. Selten hatte der Song so gut gepasst, wie zu diesem Zeitpunkt.
Emotionale Szene nach dem Spiel: Unter Tränen entschuldigt sich @LorisKarius bei den @LFC-Fans! #RMALFC #UCLFinal pic.twitter.com/V68YgN0iyE
— ZDF sportstudio (@sportstudio) May 26, 2018
Das Drama des Loris Karius begann mit einer Szene wie aus einer YouTube-Zusammenstellung der kuriosesten Torwartfehler aus der Kreisklasse oder aus einer fernen Liga, Thailand vielleicht, oder Kolumbien. Einen weiten Ball hatte der Liverpool-Keeper unbedrängt aufgenommen, dann wollte er ihn schnell nach rechts werfen, doch da stand Real Madrids Angreifer Karim Benzema. Der Franzose hielt seinen Fuß in den Wurf, der Ball prallte von ihm ab und kullerte ins Tor.
"Der erste Treffer war eine große Überraschung. Mit so etwas hatte keiner gerechnet, das hat niemand erwartet", sagte Liverpools Abwehrspieler Dejan Lovren nach der Partie. Recht hatte er mit dieser Einschätzung. Doch noch weniger konnte man damit rechnen, dass Karius auch noch ein zweiter folgenschwerer Fehler unterlaufen sollte.
Sieben Minuten vor dem Ende der regulären Spielzeit bekam Gareth Bale, der Karius zuvor mit einem traumhaften Fallrückzieher schon einmal bezwungen hatte, auf der rechten Seite den Ball, legte ihn sich ein bisschen vor und zog einfach mal aus knapp 25 Metern ab. Der Ball flog genau auf Karius zu, doch der Keeper ließ ihn durch seine Finger ins Netz gleiten - die Entscheidung des Endspiels.
Dass die Partie nach diesem Patzer gelaufen war, wusste auch Liverpool-Trainer Jürgen Klopp. Ungläubig fasste er sich an den Kopf. Auch nach dem Spiel war er fassungslos: "Nein, dafür habe ich keine Erklärung", sagte er im ZDF: "Das wünscht man seinem schlimmsten Feind nicht, das ist Wahnsinn, das ist ganz, ganz hart. Es tut mir total leid für ihn."

Champions League: Eine Verletzung, zwei Patzer, drei Titel in Folge
Klopp sah Karius beim dritten Gegentor noch vom ersten Fehler beeinflusst. "Das war natürlich nicht sein Abend", sagte er. "Es ist eine Fehlentscheidung in einer Millisekunde. Es ist sehr unglücklich für ihn." Er müsse damit nun umgehen, sagte Klopp, "und wir müssen es auch". Auch die anderen Liverpool-Spieler nahmen Karius nach dem Spiel in Schutz - auch wenn ihn auf dem Platz kaum einer in den Arm nahm.
"Wir wollten alles und bekamen nichts"
Das tat hingegen Matchwinner Gareth Bale. Der Mann also, der zweimal gegen Karius getroffen hatte. Doch weder diese Geste - noch der Gesang der Liverpool-Fans - konnten die Laune des Keepers aufhellen. "Meine Fehler haben das Finale verloren", sagte er dem "Independent", bevor er in den Bus einstieg.
Karius ist seit Sommer 2016 beim FC Liverpool. Er wechselte von Mainz 05 in die Premier League und hatte dort einen schweren Start: Zunächst brach er sich die Hand, dann leistete er sich einige schwere Fehler. Doch Klopp hielt an seinem Keeper fest - und der zeigte sich zuletzt stabil. "Ich wäre der größte Idiot im Weltfußball, wenn er kein guter Torwart wäre und ich ihn trotzdem aufstellen würde", hatte Klopp jüngst gesagt.

Jürgen Klopp
Foto: Mike Egerton/ dpaFür den Coach war es das zweite verlorene Endspiel in der Königsklasse nach der 1:2-Niederlage gegen den FC Bayern München 2013 - damals noch als Trainer von Borussia Dortmund. Auf der Pressekonferenz nach der Partie in Kiew wirkte Klopp niedergeschlagen, seine Schultern hingen herunter, sein Blick war glasig. "Ich habe das Beste gemacht, was ich konnte und es war nicht genug. Sorry", sagte er.
Klopp hatte vor der Partie gesagt, dass er nicht glaubt, dass dieses Finale das letzte Endspiel in der Königsklasse für Liverpool und ihn sein werde. Doch nach dem Spiel dachte er erstmal nur an die Reise nach Hause, die sicher kein Vergnügen werden würde. Es war ja nun einmal so - und da gab es einfach nichts zu beschönigen: "Wir wollten alles und bekamen nichts."