Wolfsburg in der Champions League Endlich clever
Mit Geschrei fielen die Spieler des VfL Wolfsburg ins Untergeschoss des heimischen Stadions ein, gaben pflichtgemäß ihre Interviews und verschwanden im Umkleidetrakt. Dort erreichte die Party ihren Höhepunkt, wenn man den Lärmpegel richtig deutet, der durch die Glastüren nach draußen drang.
Zu feiern gab es Historisches: zum ersten Mal hatten die Wolfsburger das Achtelfinale der Champions League erreicht, und das sogar als Gruppensieger.
Während Manchester United, englischer Rekordmeister und eine der mächtigsten Sportmarken der Welt, nach der 2:3-Niederlage am Mittellandkanal das frühe Aus betrauert, dürfen sich die Wolfsburger freuen, ihren Bekanntheitsgrad auch auf internationaler Bühne zu steigern nach der Vizemeisterschaft und dem Pokalsieg in der vergangenen Saison. "Das ist ein besonderer Moment", sagte VfL-Verteidiger Naldo, der mit zwei Toren entscheidend zum Erfolg im Endspiel um den Achtelfinal-Einzug beigetragen hatte.

Champions League: Doppelter Naldo, unauffälliger Schweinsteiger
Es ist keine Sensation an sich, dass die Wolfsburger die Vorrunde überstanden haben. Der Kader berechtigt zu hohen Ansprüchen dank Spielern wie Julian Draxler, André Schürrle und Max Kruse, die zusammen rund 80 Millionen Euro gekostet haben sollen. Die Gruppe war verhältnismäßig einfach mit Gegnern wie ZSKA Moskau und dem PSV Eindhoven. Das Bemerkenswerte ist, dass sich der VfL als Tabellenerster qualifiziert hat, und dass die Mannschaft im entscheidenden Spiel gleiche mehrere Indizien dafür lieferte dass sie auf dem Weg zu neuer Reife ist - auch ohne Kevin De Bruyne, den Hauptdarsteller der erfolgreichen Vorsaison.
Gegen Manchester hatten die Wolfsburger immer wieder die richtige Antwort: den frühen Rückstand durch den Treffer von Anthony Martial in der zehnten Minute konterten sie mit den Toren von Naldo in der 13. Minute und Vieirinha nach einer knappen halben Stunde, wobei vor allem der zweite Treffer sehenswert war. Er stand am Ende einer Kombination, die aussah wie an der Spielkonsole entworfen: Schürrle flankte auf Draxler; Draxler spielte Doppelpass mit Kruse und legte auf für Vieirinha; Vieirinha traf.
Auch das frühe Verletzungs-Aus von Linksverteidiger Ricardo Rodriguez brachte den VfL nicht aus dem Tritt, und Manchesters Druck in der zweiten Halbzeit hielt die Mannschaft lange stand, auch dank einer guten Leistung von Torwart Diego Benaglio. Und als in der 82. Minute doch das 2:2 für United durch ein Eigentor von Josuha Guilavogui fiel, traf Naldo fast im Gegenzug mit seinem zweiten Treffer zum Sieg. "Wir waren ruhig, haben zu unserem Spiel gefunden und verdient gewonnen", sagte der Mann des Abends. Trainer Dieter Hecking freute sich, dass seine Mannschaft "das nötige Quäntchen Glück gehabt" habe: "Das braucht man in solchen Spielen auch."
"Ein gutes Zeichen - gerade jetzt"
Die Wolfsburger sind im Jahr nach Vizemeisterschaft und Pokalsieg nicht sicher, wo sie stehen. Immer wieder leisten sie sich schwer erklärbare Einbrüche, beim 0:2 in Eindhoven und dem 0:2 in Mainz zum Beispiel, beides Anfang November. Beim Zweitrunden-Aus im Pokal gegen den FC Bayern "haben wir eine Lektion erteilt bekommen", wie Verteidiger Marcel Schäfer in Erinnerung rief, und am Wochenende gegen Dortmund schoss der VfL in der 90. Minute den Ausgleich, nur um in der Nachspielzeit noch zu verlieren. Fehlende Cleverness lautete die Diagnose.
Gegen Manchester hat die Mannschaft gezeigt, dass sie aus ihren Fehlern lernt. Sie hat positiv überrascht und nebenbei Werbung für den Standort gemacht, der wegen der Krise bei Volkswagen turbulente Zeiten erlebt. Der Einzug ins Achtelfinale sei "ein gutes Zeichen - gerade jetzt, wo es ein bisschen schwieriger ist in Wolfsburg", sagte Sportchef Klaus Allofs.
Nach dem Spiel eilte Francisco Garcia Sanz, VW-Vorstand und Aufsichtsrats-Chef des VfL, in die Wolfsburger Kabine, um den Spielern seine Glückwünsche zu übermitteln. Auf dem Weg dorthin lief ihm Trainer Hecking in die Arme. Die beiden umarmten sich wie alte Freunde.
"Es ist toll für die Stadt und das Unternehmen, das zu erleben", sagte Sanz über das Vorrücken in die Runde der besten 16 Teams Europas. Ob der VfL wegen der Krise beim Autobauer Einschnitte fürchten müsse, wollte er nicht sagen. Vielmehr wunderte er sich, in der Stunde des Triumphs überhaupt mit dem Thema konfrontiert zu werden: "Es wäre falsch, mit solchen Fragen die gute Stimmung zu betrüben", sagte Sanz.
VfL Wolfsburg - Manchester United 3:2 (2:1)
0:1 Martial (10.)
1:1 Naldo (13.)
2:1 Vieirinha (29.)
2:2 Guilavogui (83. Eigentor)
3:2 Naldo (84.)
Wolfsburg: Benaglio - Träsch, Naldo, Dante, Ricardo Rodriguez (16. Schäfer) - Guilavogui, Arnold - Vieirinha (78. Klose), Kruse, Draxler (85. Caligiuri) - Schürrle
Manchester: De Gea - Darmian (43. Borthwick-Jackson), Smalling, Blind, Varela - Fellaini, Schweinsteiger (69. Carrick) - Lingard, Mata (69. Powell), Depay - Martial
Schiedsrichter: Mazic (Serbien)
Zuschauer: 26.400 (ausverkauft)
Gelbe Karten: Schürrle, Naldo (3) - Darmian, Varela