Chemnitzer FC im DFB-Pokal Einer von ihnen

Stürmer Daniel Frahn musste in Chemnitz wegen der Nähe zu rechtsextremen Fans gehen. Im DFB-Pokal solidarisierten sich Anhänger mit ihm. Das Spiel zeigt, wie tief die Probleme in der Chemnitzer Fanszene reichen.
Chemnitzer Fans und ihre Pro-Daniel-Frahn-Aktion

Chemnitzer Fans und ihre Pro-Daniel-Frahn-Aktion

Foto: Hannibal Hanschke REUTERS

Minuten vor dem Anpfiff des Pokalspiels gegen den HSV dominierte die Nummer elf die Südkurve im Stadion des Chemnitzer FC. Die Anhänger hielten Trikots, vor allem aber schlichte weiße Zettel mit schwarzem Aufdruck in die Luft. Auch im Rest des Stadions war die Rückennummer des ehemaligen Kapitäns Daniel Frahn Dutzende Male zu sehen.

Fußballspiele, die in ihrer Wahrnehmung von einem einzelnen Spieler beherrscht werden, gibt es immer wieder. Selbst wenn dieser Spieler gar nicht auf dem Platz steht. Was aber am Sonntagabend in Chemnitz passierte, war außergewöhnlich: Hier solidarisierte sich eine Fankurve mit Unterstützung etlicher Fans auf den Sitzplätzen mit einem Fußballer, der erst eine Woche zuvor seine Nähe zu rechtsextremen Anhängern offen demonstriert hatte. Und der dafür von seinem Verein entlassen worden war.

Was im Duell mit dem HSV folgen sollte, ein packendes Pokalspiel mit einem Hamburger Sieg im Elfmeterkrimi, rückte damit lange in den Hintergrund. Als die Stadionsprecherin die Chemnitzer Aufstellung verlas, schallte es zwölfmal "Frahn Fußballgott" durch das Stadion. Vom Torwart bis zum Trainer. Während des Spiels wurde der Name ebenfalls gefeiert. Auch für die Führungstreffer zum 1:0 und zum 2:1 war Frahn laut großer Teile der Fans verantwortlich. Dabei wird der Torschützenkönig der vergangenen Aufstiegssaison keine Treffer mehr für den CFC erzielen.

Frahn fiel schon zum zweiten Mal auf

Am Sonntag der Vorwoche hatte der verletzte Frahn das Auswärtsspiel in Halle auf der Tribüne neben Fans verfolgt, die der rechtsextremen Szene zugeordnet werden. Der 32-Jährige soll auch mit ihnen angereist sein. Am Montag folgte der Rauswurf. "Der Vorfall ist eine Bestätigung seiner Kontakte, über die es immer wieder Gerüchte gab", sagte Hooligan-Experte Robert Claus dem SPIEGEL.

Schon vorher wurde Frahn Nähe zu gewaltbereiten Fans nachgesagt: Bei einem Heimspiel, das Anhänger zur Gedenkveranstaltung für den verstorbenen Hooligan und Neonazi Thomas Haller machten, jubelte er mit einem T-Shirt mit der Aufschrift "Support your local hools". Es folgten eine Sperre und eine Geldstrafe. Frahn distanzierte sich von der rechtsextremen Szene.

Das Trikot von Daniel Frahn als Monstranz

Das Trikot von Daniel Frahn als Monstranz

Foto: Hannibal Hanschke REUTERS

Bis heute ist diese Szene in Chemnitz stark: "Dass die rechten Hools fast uneingeschränkt das Gewalt- und Machtmonopol in der Fanszene haben, ist das, was Cottbus und Chemnitz herausstechen lässt im deutschen Fußball", sagt Claus.

Ein kleiner Kern mit großem Zuspruch

Im Mittelpunkt stehen zwei Gruppen, zu denen Frahn Nähe vorgeworfen wird: die NS Boys, die sich offiziell aufgelöst haben, aber weiter existieren, und Kaotic Chemnitz. Teile der Mitglieder haben in Chemnitz Stadionverbot, zudem sind die Gruppen nicht besonders groß. Sie finden in der Region aber viel Zustimmung. "Die NS Boys und Kaotic Chemnitz machen zusammen kaum 30 Leute aus. Aber das politische, soziale, kulturelle Milieu außen herum ist riesig, weil Chemnitz schon immer ein Hotspot für extrem rechte Jugendkultur war", sagt Claus.

Auf diesem Weg schafft es die gut organisierte, gewaltbereite Szene schnell, viele Menschen zu mobilisieren. So wie im August vergangenen Jahres: Damals war es die Gruppe Kaotic Chemnitz, die zu dem Protestmarsch in Chemnitz aufgerufen hatte, der sich schließlich in schwere Krawalle verwandelte und bundesweit für Entsetzen sorgte.

Vor diesem Hintergrund wurde auch ein Protestmarsch der Chemnitzer Fans vor dem Spiel gegen den HSV mit Sorge erwartet. Die Demonstration mit mehr als tausend Fans verlief aber friedlich. Auch Daniel-Frahn-Rufe waren kaum zu hören. Vielmehr äußerten die Fans ihre Wut über den Insolvenzverwalter Klaus Siemon. Vertreter von Kaotic Chemnitz und NS Boys sollen kaum dabei gewesen sein.

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Laut dem Bündnis Chemnitz Nazifrei zeigten einige Personen allerdings den Hitlergruß, zudem seien vereinzelt Menschen verfolgt worden. Von beiden Fällen hatte die Polizei keine Kenntnis.

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Beim CFC fehlt ein Gegengewicht

Dass Rechtsextreme innerhalb der Chemnitzer Fanszene so stark sind, liegt auch daran, dass es kein einflussreiches Gegengewicht gibt. Erst vor Kurzem gründeten wenige Anhänger die Gruppe CFC-Fans gegen Rassismus. Aber bis das Netzwerk, das schon jetzt Gegenwehr von anderen Anhängern erfährt, tiefere Strukturen in der Fanszene entwickeln kann, dürften Jahre vergehen. Waren die Reaktionen auf den Frahn-Rauswurf im Netz noch gespalten, gab es nun im Stadion auch deshalb keine offene Gegenwehr gegen die Solidarisierung.

Die CFC-Spieler vermieden eine Bewertung der Fanreaktion. Trainer David Bergner zeigte Verständnis, dass die Fans Zweifel daran haben, einen so wertvollen Spieler auszuschließen. Die Entscheidung aber sei unumgänglich gewesen: "Es sind Werte verletzt worden", sagte Bergner.

Bakery Jatta dankt den HSV-Fans

Bakery Jatta dankt den HSV-Fans

Foto: Robert Michael DPA

HSV-Coach Dieter Hecking wünschte Bergner, dass er jetzt "die nötige Ruhe bekomme", um sich allein auf den Fußball konzentrieren zu können. "So wie wir uns auch nur auf den Sport konzentrieren wollen." Denn auch in Hamburg dominiert derzeit ein Thema abseits des Platzes: die Debatte um Bakery Jatta , dessen Identität und Alter angezweifelt wurden.

Das Spiel in Chemnitz nutzten auch die HSV-Fans, um sich zu positionieren: "Bakery, no matter what, we got your back", hieß es vor dem Anpfiff auf einem Banner im Auswärtsblock. "Bakery, komme, was wolle, wir stehen hinter dir."

So klangen die Botschaften beider Fanlager an diesem Abend ähnlich. Und doch waren sie unglaublich weit voneinander entfernt.

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