Skandal um WM-Vergabe 2006 Chronologie einer Affäre

Wolfgang Niersbach ist von seinem Amt als DFB-Präsident zurückgetreten. Einer der Protagonisten im vom SPIEGEL enthüllten Skandal um die Vergabe der WM 2006 gibt damit auf. Die Chronologie der Affäre.
Ex-DFB-Präsident Niersbach: Rücktritt nach Skandal um die WM 2006

Ex-DFB-Präsident Niersbach: Rücktritt nach Skandal um die WM 2006

Foto: DANIEL ROLAND/ AFP

16. Oktober: Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) räumt in einer Pressemitteilung Ungereimtheiten rund um eine Zahlung in Höhe von 6,7 Millionen Euro an den Weltverband Fifa ein.

16. Oktober: Der SPIEGEL berichtet über die Existenz einer schwarzen Kasse beim deutschen Bewerbungskomitees für die WM 2006 und legt den Verdacht nahe, dass damit mutmaßlich vier entscheidende Stimmen im Fifa-Exekutivkomitee gekauft worden sein könnten. Das Geld kam vom ehemaligen Adidas-Boss Robert Louis-Dreyfus. Der DFB weist den SPIEGEL-Bericht als haltlos zurück.

17. Oktober: Erstmals äußert sich DFB-Präsident Wolfgang Niersbach zu den Vorwürfen: "Ich kann versichern, dass es im Zusammenhang mit der Bewerbung und Vergabe der WM 2006 definitiv keine schwarzen Kassen weder beim DFB, noch dem Bewerbungskomitee noch dem späteren Organisationskomitee gegeben hat."

18. Oktober: Franz Beckenbauer meldet sich zu Wort und dementiert den SPIEGEL-Bericht: "Ich habe niemandem Geld zukommen lassen, um Stimmen für die Vergabe der Fußballweltmeisterschaft 2006 nach Deutschland zu akquirieren. Und ich bin sicher, dass dies auch kein anderes Mitglied des Bewerbungskomitees getan hat."

19. Oktober: Die Staatsanwaltschaft prüft einen Anfangsverdacht für ein Ermittlungsverfahren. Als mögliche Tatbestände nennt eine Sprecherin Betrug, Untreue oder Korruption.

19. Oktober: Niersbach weist die Korruptionsvorwürfe erneut vehement zurück, räumt aber erstmals "den einen offenen Punkt" ein: "Dass man die Frage stellen muss, (...) wofür diese Überweisungen der 6,7 Millionen verwendet wurden."

19. Oktober: Ex-DFB-Boss Theo Zwanziger äußert Zweifel an der internen Aufarbeitung des DFB.

21. Oktober: Die DFB-Landesverbände fordern von Niersbach eine schnelle Aufklärung der Korruptionsvorwürfe.

22. Oktober: Niersbach tritt in Frankfurt sichtlich erschöpft vor die Presse und bringt nur wenig Licht ins Dunkel um die WM 2006.

23. Oktober: Das DFB-Präsidium stärkt Niersbach den Rücken, hält aber "strikt daran fest [...], dass lückenlos aufgeklärt wird."

23. Oktober: Zwanziger bezichtigt Niersbach der Lüge und spricht im SPIEGEL von der Existenz einer schwarzen Kasse "in der deutschen WM-Bewerbung". Es sei "ebenso klar, dass der heutige Präsident des DFB davon nicht erst seit ein paar Wochen weiß, wie er behauptet, sondern schon seit mindestens 2005".

26. Oktober: Beckenbauer räumt in der Affäre erstmals einen "Fehler" ein. Das Organisationskomitee hätte nicht auf einen Vorschlag der Fifa-Finanzkommission eingehen dürfen, um einen Finanzzuschuss zu bekommen, teilte der damalige OK-Präsident mit.

27. Oktober: Die vom DFB beauftragte Wirtschaftskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer erklärt, mit Ergebnissen in der Affäre sei nicht schnell zu rechnen.

28. Oktober: Zwanziger sagt vor den externen Ermittlern der Anwaltskanzlei aus: "Ich habe dort alle meine Dokumente vorgelegt, meine Anmerkungen und meine Einschätzungen präsentiert."

3. November: Die Staatsanwaltschaft führt beim DFB in Frankfurt eine Steuer-Razzia durch. Zudem durchsucht sie die Wohnungen von Niersbach, Zwanziger und dem ehemaligen DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt. Die Beamten ermitteln im Zusammenhang mit der 6,7-Millionen-Euro-Zahlung wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall.

6. November: Der SPIEGEL veröffentlicht ein Faksimile mutmaßlich von Niersbach stammender handschriftlicher Notizen auf einem Schreiben des WM-OK an die Fifa aus dem Jahr 2004. Diese sollen belegen, dass der heutige DFB-Präsident nicht erst in diesem Jahr von den umstrittenen Vorgängen Kenntnis hatte.

9. November: Wolfgang Niersbach zieht die "politischen Konsequenzen" und tritt von seinem Amt als DFB-Präsident zurück. Reinhard Rauball und Rainer Koch übernehmen die Geschäfte kommissarisch.

10. November: Die Suche nach einem Nachfolger für Wolfgang Niersbach beginnt. Und Oliver Bierhoff sagt direkt ab. Er wolle bei der Nationalmannschaft bleiben. Auch Rauball erklärte, nicht kandidieren zu wollen. Koch sowie DFB-Schatzmeister Reinhard Grindel gelten alsdie wahrscheinlichsten Kandidaten.

11. November: Franz Beckenbauer rückt ins Zentrum der Affäre. In einem von Beckenbauer unterschriebenen Vertrag werden dem mittlerweile lebenslang gesperrten früheren Fifa-Vizepräsidenten Jack Warner "diverse Leistungen" zugesagt. Der DFB wertet das als möglichen Bestechungsversuch.

12. November: Eine persönliche Verfehlung Niersbachs könnte die Ursache für seinen Rücktritt gewesen sein. Der ehemalige DFB-Präsident soll schon länger von dem dubiosen Vertrag mit Warner gewusst und ihn verdeckt gehalten haben.

12. November: Auch Rainer Koch verzichtet angeblich auf eine Kandidatur als DFB-Präsident.

13. November: Bundeskanzlerin Angela Merkel äußert sich zu der Affäre. Sie hoffe auf eine transparente Aufklärung und ergänzt mit Blick auf das Sommermärchen: "Die Erinnerungen sind unveränderbar."

17. November: Die Chefs der Landesverbände wollen Reinard Grindel als neuen DFB-Präsidenten. Die Landesverbände besitzen bei einem Außerordentlichen Bundestag zwei Drittel der Stimmen, eine Wahl Grindels als Niersbach-Nachfolger gilt daher als sehr wahrscheinlich - auch weil er ankündigt, im Falle einer Wahl seine politischen Ämter abzulegen. Rainer Koch verzichtet zudem offiziell auf eine Kandidatur und will Grindel unterstüzten.

19. November: Die dubiosen 6,7 Millionen Euro, der Auslöser für den DFB-Skandal, könnten nach Angaben des SPIEGEL in die Karibik, auf die British Virgin Islands, geflossen sein.

20. November: "Ja, wo samma denn?" In einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" kritisiert Franz Beckenbauer die DFB-Führung. Er habe ein persönliches Gespräch mit Reinhard Rauball und Rainer Koch angeboten, um alle Ungereimtheiten zu klären, aber keine Antwort erhalten. Die Interims-Präsidenten erklärten indes den Wunsch, dass Beckenbauer ein zweites Mal vor den externen Ermittlern der Kanzlei "Freshfields Bruckhaus Deringer" spricht.

aev/dpa
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