Nachruf auf Colin Bell Niemand bekam mehr Applaus in Manchester

Manchester City trauert um einen seiner größten Fußballer. Colin Bell feierte mit City Erfolge, als das große Geld noch nicht im Klub war. Wenige verbanden Eleganz und Laufstärke so wie er. Wenige wurden so verehrt.
Colin Bell, Herz, Hirn und Lunge von Manchester City

Colin Bell, Herz, Hirn und Lunge von Manchester City

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Den englischen Fußball trifft es in diesen Wochen und Monaten hart. Jack Charlton ist tot, Nobby Stiles ist tot, Ray Clemence ist tot, vor drei Tagen starb Gerry Marsden, der den Fans des FC Liverpool ihr berühmtestes Lied schenkte. Colin Bell setzt diese unselige Serie fort, der King of the Kippax starb am Dienstag im Alter von 74 Jahren.

Kippax – so hieß die alte Tribüne im früheren Stadion von Manchester City an der Main Road, dem Königssitz von Colin Bell. Es war die Zeit, als der Erfolg von Manchester City noch nicht vor allem erkauft war. Als Bell 1966 nach Manchester wechselte, kam er zu einem Klub, der sich gerade erst aus der Zweitklassigkeit nach oben gearbeitet hatte, ein Aufsteiger, fast mitleidig belächelt vom großen Stadtrivalen United.

Zwei Jahre später lächelte keiner mehr über sie. Manchester City feierte sensationell die englische Meisterschaft, und die Experten schwärmten vom Team des Trainers John Mercer. Sie schwärmten von den Stürmern Francis Lee und Mike Summerbee, aber allen war klar: Ohne Colin Bell, seine Passgenauigkeit, seinen Vorwärtsdrang, seine Laufstärke, sein strategisches Denken wäre City nie dort oben angekommen.

Keinen Zentimeter, den er nicht beackert hatte

Die Fans sangen: »Number one is Colin Bell, Number two is Colin Bell, Number three is Colin Bell, and Number four is Bell as well.« Bell war das Hirn dieses Teams, er war sein Herz, und er war gleichzeitig die Lunge der Mannschaft. An der Main Road gab es keinen Zentimeter, den Bell nicht beackert hatte. Dass Fußball ein Laufspiel ist, hatte er stets vorgelebt, einer seiner Spitznamen war »Nijinski«, er hatte ihn von jenem berühmten Rennpferd jener Zeit, das Jockey Lester Piggot von Erfolg zu Erfolg geführt hatte.

Erfolge sammelte auch Bell ein, der Meisterschaft mit City folgte der FA-Cup im Jahr danach, 1970 gewann City den Ligapokal und als Krönung den Europapokal der Pokalsieger im Finale gegen den polnischen Verein Gornik Zabrze. Es bleibt bis heute der einzige Europapokalerfolg des Klubs.

Colin Bell in seinem City-Trikot

Colin Bell in seinem City-Trikot

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Und bei allen Triumphen stand Bell im Mittelpunkt, nominell war er Mittelfeldspieler, trug die Nummer acht auf seinem hellblauen City-Trikot durch die Stadien, aber gleichzeitig traf er, wie er wollte, wie ein Mittelstürmer: Am Ende seiner Karriere in Manchester waren es 117 Ligatore.

Und es wären noch viel mehr dazu gekommen, wenn ihm das schottische Raubein Martin Buchan im Derby gegen United 1975 nicht das Knie kaputt getreten hätte. Vielleicht war es die Revanche dafür, dass Bell 1972 gegen United alle drei Tore zum 3:0 erzielt hatte, vielleicht war es auch der Frust, dass dieser Colin Bell zu elegant, zu leichtfüßig, zu schnell war für die Abwehrspieler. All das entlud sich in dem Tackling. Die City-Fans haben Buchan die Aktion nie verziehen, Bell selbst sprach von einer »unglücklichen Aktion«.

Zwei Jahre Verletzungspause

Zwei Jahre lang konnte Bell danach kein Fußball mehr spielen, am Boxing Day 1977 kehrte er als Einwechselspieler gegen Newcastle United auf den Platz zurück. Es heißt, nie wieder hätte die Menge an der Main Road so einen Jubelsturm entfacht als in dem Augenblick, in dem der König aufs Feld zurückkam.

Aber die Verletzung hatte Spuren hinterlassen, seine alte Klasse fand Bell nicht mehr wieder, er spielte noch zwei Jahre für die Citizens und ließ seine Laufbahn danach bei den San Jose Earthquakes in den USA ausklingen. Nachdem er aufgehört hatte, versank City über Jahre wieder in der Tristesse.

Es hat 44 Jahre gedauert, bis der Klub wieder einen Meistertitel errang, 2012 war das, in einer inzwischen ganz anderen Zeit, in der Zeit der Investoren in der Premier League, die Main Road war längst Vergangenheit, abgerissen 2004. Im neuen Stadiontempel im Osten der Stadt blieb und bleibt Bell aber allgegenwärtig, die Westtribüne trägt seinen Namen, die Fans haben damals mit überwältigender Mehrheit dafür abgestimmt. Auf dem Colin Bell Stand stehen die Fans und haben seinen Nachfolgern Kevin De Bruyne und David Silva zugeschaut. Wenn die City-Fans nach Vergleichen mit Bell aus der heutigen Zeit suchen, fallen meistens diese beiden Spielernamen. Bell vereinte das Beste aus beiden.

Bei City war er ein ganz Großer, in der Nationalmannschaft hat er diesen Status nie ganz erreicht. Zwischen all den Ikonen, zwischen Bobby Moore, Geoff Hurst, Bobby Charlton tat er sich schwer, seinen Platz zu finden, trotz immerhin 48 Länderspielen. Sein Name bleibt weniger mit den großen Siegen der Three Lions verbunden, sondern mit zwei großen Niederlagen: dem 2:3 im WM-Viertelfinale von Mexiko gegen Deutschland, bei dem er für Bobby Charlton eingewechselt wurde, und dem 1:3 in Wembley zwei Jahre später im EM-Viertelfinale, wieder gegen die Elf von Helmut Schön. Die Helden dieser Partien hießen am Ende Uwe Seeler und Gerd Müller in Mexiko, Günter Netzer in Wembley, nicht Colin Bell.

Es ist nur ein Zufall, aber am Tag nach seinem Tod treffen am Mittwochabend im Ligapokal wieder Manchester United und Manchester City aufeinander. Die City-Spieler wollen dabei allesamt mit dem hellblauen Trikot mit der Nummer acht auflaufen. Zu Ehren von Colin Bell.

Es gibt noch ein Lied, das von den Fans über Bell gesungen wird. Es geht so: »We'll drink a drink a drink, To Colin the king, The king the king the king.« Der Guardian schreibt heute: »Wenn es je eine Zeit gab, um auf den König zu trinken, dann ist es jetzt.« Cheers, Colin Bell.

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