Fußball in Spanien Am Ende der Welt

Immer mehr Positivfälle beim spanischen Aufstiegskandidaten Fuenlabrada paralysieren den spanischen Fußball. Die Politik zürnt, die Liga rückt ins Zwielicht.
Von Florian Haupt, Barcelona
Spieler von Fuentelabrada im Stadion: Das Zweitligaspiel zwischen Deportivo La Coruña und CF Fuenlabrada ist am 20. Juli. abgesetzt worden, nachdem einige Spieler positiv auf Covid19 getestet wurden

Spieler von Fuentelabrada im Stadion: Das Zweitligaspiel zwischen Deportivo La Coruña und CF Fuenlabrada ist am 20. Juli. abgesetzt worden, nachdem einige Spieler positiv auf Covid19 getestet wurden

Foto: Joaquin Corchero/ dpa

Diese Bilder kennt inzwischen ganz Spanien: Terrakotta-farbene Fassade, weiße Fensterrahmen, am Sims ein paar junge Männer mit Maske. Die Bilder kommen aus der Quarantäne einer Fußballmannschaft. Seit Montag sitzt der spanische Aufstiegskandidat CF Fuenlabrada in einem Hotel in La Coruña fest.

In Zoom-Interviews aus dem Etablissement mit dem passenden Namen "Finisterre" - Ende der Welt – versucht der Präsident des Vereins, aus der Buhmann-Rolle zu kommen. Ein schwieriges Unterfangen, wenn trotz vier Covid-Fällen im Team – ein Spieler, drei Mitarbeiter – die übrige Mannschaft nicht isoliert wurde und gar die Reise zu einem Auswärtsspiel angetreten hat. Dort ereilten sie am Montagabend wenige Stunden vor dem geplanten Anpfiff zum letzten Saisonspiel bei Deportivo La Coruña sechs Positivergebnisse von Spielern, weshalb die Partie abgesagt und sowohl Aufstiegs- als auch Abstiegskampf der zweiten Liga beeinträchtigt wurden. Am Donnerstag musste CF Fuenlabrada erneut Covid-Fälle vermelden. Insgesamt sind es jetzt 16.

Der Fall ist in Spanien längst ein Politikum. Die Stadt La Coruña hat die Staatsanwaltschaft eingeschaltet, Bürgermeisterin Inés Rey schimpft über Privilegien der Kickerbranche. "Sind Fußballer etwa ein anderer Menschenschlag, der nicht ansteckend ist?" Es ist der erste Infektionsherd in ihrer Stadt seit Ende des Lockdowns, den gerade wieder zart angelaufenen Tourismus kann sie jetzt vergessen. Das Finisterre, bestes Hotel am Platz, bekommt eine Stornierung nach der anderen herein.

Regierung prüft juristische Schritte

Auch die Regierung der betroffenen Region Galicien prüft juristische Schritte, und der spanische Fußballverband hat ein außerordentliches Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die Frage lautet: Wie konnte diese Mannschaft bloß auf Reisen gehen? Zumal dieser Tage, wo in Spanien die Fallzahlen in die Höhe schießen und eine Sprecherin der staatlichen Gesundheitsbehörde den Satz sagte, den alle fürchteten: "Es kann sein, dass wir es mit einer zweiten Welle zu tun haben."

Der Klubpräsident also. Jonathan Praena behauptet, es wäre "ungerechtfertigt gewesen, aus Angst nicht zu reisen", und dass bis zum Montagabend "kein Infektionsherd" bestanden habe. Fuenlabrada habe in ständigem Austausch mit der Liga gestanden und sich stets nach deren Empfehlungen gerichtet. 

Praena, 37, gilt in der Region Madrid als Unternehmerjungstar. Vor fünf Jahren  übernahm er den Verein aus einer der vielen Trabantenstädte im Süden Madrids, im vorigen Sommer gelang der Aufstieg in die zweite Liga. Praena hat Vorwürfe überstanden, wonach er Geld zwischen dem Klub und seiner Immobilienfirma verschiebe, nachdem diese vorigen Sommer ein Projekt stornierte, in das Häuslebauer schon kräftig eingezahlt hatten. Aber Skandälchen um Ziegelsteine gehören im spanischen Fußball mit seinen vielen Baulöwen ja schon fast zur Folklore.

Auch gegen die Liga wird ermittelt

Spezieller ist die Beziehung zwischen Fuenlabrada und der Fußball-Liga LFP. Der gleichnamige Sohn von Ligachef Javier Tebas dient dem Verein als Aufsichtsratssekretär und Jurist. Noch 2018 soll Tebas Senior selbst laut Recherchen von "eldiario.es" dem Klub für Anwaltstätigkeiten ein Honorar von 130.000 Euro in Rechnung gestellt haben. Nun besteht erneut der Verdacht von Kooperation: Haben Liga und Verein im Doppelpass die Positivfälle zu vertuschen versucht?

Die staatliche Sportaufsicht CSD spricht von "schweren Fehlern". Der Verein und die für die Einhaltung des sanitären Protokolls zuständige Liga hätten die Gesundheitsbehörden spätestens dann einschalten müssen, als sie am Sonntagabend von den Positivtests zwei bis vier erfuhren. Tatsächlich wurde die Verwaltung der Region Madrid nach eigenen Angaben erst am Montag um 17.54 Uhr durch das untersuchende Labor über die Covid-Fälle des Wochenendes informiert. Die galicischen Behörden wollen sogar erst am Montag nach 20 Uhr unterrichtet worden sein – als dann sowieso alles schon in den Medien stand.

In den anstehenden Verfahren wird nun auch gegen die Liga ermittelt. Tebas soll laut einer Meldung des Radiosenders "Cope" schon seinen Rücktritt in Erwägung ziehen. Die Klubs waren über die Tätigkeit seines Sohnes zwar seit dem Aufstieg Fuenlabradas informiert und hatten keine Einwände vorgebracht. Aber es war auch vereinbart worden, dass er sich wegen eines möglichen Interessenkonflikts aus allen den CF Fuenlabrada betreffenden Angelegenheiten heraushalten solle. Dies will er wenigstens jetzt tun; seit Tagen schweigt der sonst omnipräsente Funktionär.

Feilschen um die Spieltermine

Deportivo La Coruña forderte am Freitagmittag beim spanischen Fußballverband die einstweilige Suspendierung der zweiten Liga sowie den Zwangsabstieg für Fuenlabrada. Aktionäre und Fans von "Depor" bereiten derweil ihrerseits eine Sammelklage vor. "Druck auf Herrn Tebas ausüben, der ins Gefängnis gehen könnte", will Anwalt Xaime da Pena. Einen Kuhhandel schlägt er gleich mit vor: "Vielleicht können sich die Dinge entspannen, wenn eine Liga mit 24 Teams beschlossen wird."

Eine Aufstockung der zweiten Liga ist seit Tagen die Forderung Deportivos und des ebenfalls abgestiegenen Numancia: Sie argumentieren, dass durch die Spielabsage nur der Partie in La Coruña, aber nicht der Parallelspiele das Fernduell um den Abstieg verzerrt wurde. Das noch größere Problem bleibt allerdings der Aufstiegskampf: Dort eroberte Elche den sechsten Platz von Fuenlabrada, der zur Teilnahme am Playoff berechtigt.

Sollte die ausgefallene Partie noch jemals nachgeholt werden, würde Fuenlabrada allerdings ein Punkt reichen, um wieder vorbeizuziehen – gegen ein Deportivo, für das es um nichts mehr geht, dessen Team sich in Auflösung befindet und das aus Protest, so heißt es, wohl gar nicht antreten würde. 

Wann der dritte Aufsteiger neben Cádiz und Huesca feststeht, ist unter diesen Umständen nicht vorherzusagen. Das Playoff besteht aus Halbfinals und Finals in Hin- und Rückspielen. Die sicher qualifizierten Zaragoza, Almería und Girona haben bisher kein Update erhalten, wann es starten könnte. Quarantäne und juristische Verfahren lassen einen Termin nicht mal erahnen, die Liga ist auf Tauchstation. Fuenlabrada-Trainer José Ramón Sandoval schwant: "So wird die nächste Saison nie beginnen." Der Coach gehört nicht zu den Infizierten. Er hatte das Virus schon im Frühjahr.

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