Football Leaks und Cristiano Ronaldo Geldfußballer des Jahres

Cristiano Ronaldo
Foto: Denis Doyle/ Getty ImagesKürzlich haben Sportler, Fans und Journalisten in geheimer Wahl abgestimmt, wer im Januar in Zürich zum Weltfußballer gekürt wird. Und wer jetzt denkt, Fußballer des Jahres, das sei doch nur ein Operettentitel, der Bambi der Fifa, keine Meisterschaft, kein Champions-League-Triumph, der hat Cristiano Ronaldo noch nicht weinen gesehen. So wie vor drei Jahren, als er gewann und so ergriffen von sich selbst war, dass er die Tränen nicht mehr halten konnte.
Für Ronaldo ist die Trophäe für den besten Fußballer der Welt "die höchste Auszeichnung" und "der Höhepunkt eines Jahres". Umgekehrt gilt: Nichts kann ihm ein Jahr schon im Januar so zuverlässig vermiesen wie die Wahl von Lionel Messi, der fünfmal gewonnen hat, er selbst erst dreimal.
Die Enthüllungsplattform Football Leaks sammelt vertrauliche Daten und E-Mails zu den Geldflüssen im Fußball. So deckt sie illegale Zahlungen an Spielerberater und Investoren ebenso auf wie die Versuche, Millionen an der Steuer vorbeizuschmuggeln dank Offshore-Geschäften. Football Leaks schweigt zu seinen Quellen, hat die Dokumente allerdings dem SPIEGEL und anderen Medien im Verbund der European Investigative Collaboration zur Verfügung gestellt. Mit einem Umfang von 1,9 Terabyte handelt es sich um den bisher größten Datensatz im Sport.
Jetzt also der vierte Titel? Ronaldo ist nominiert, unter den letzten dreien, in Wahrheit kann man sich auch nur einen Sieger vorstellen: Ronaldo. Er hat nicht nur mit Real die Champions League geholt. Er ist Europameister geworden, mit Portugal, eine Sensation. Das Endspiel gewann er halb als Spieler, halb als Assistenztrainer, nachdem er verletzt vom Platz musste.
Die Sache scheint gelaufen. Wer, wenn nicht er?
Jeder andere. Dann nämlich, wenn der Weltfußballer des Jahres ausnahmsweise nicht nur der Beste am Ball sein soll, sondern auch der Mann, der für das Beste im Fußball steht. Ronaldo hat jahrelang seine Werbemillionen über eine Briefkastenfirma in der Karibik laufen lassen. Eine diskrete Firma, von der auch die Steuerbehörden offenbar nicht alles wissen sollten. Zumindest auf die mehr als 60 Millionen, die er von 2009 bis 2014 mit Werbung außerhalb Spaniens einsackte, hat der Star, wenn die jetzt enthüllten Dokumente nicht trügen, kaum Steuern bezahlt.

Fotostrecke: Fußballer und Werbe-Ikone
Als wäre das aber noch nicht genug, machte er auch die Werbeeinnahmen der kommenden Jahre schon 2014 auf einen Schlag zu Geld. Auf den Spanien-Anteil zahlte er dafür einen Ministeuersatz, der in jenem Jahr 2014, wie praktisch, zum letzten Mal für ihn galt. Und mindestens weitere 51 Millionen aus Werbung im Ausland - es könnten aber sogar 63,5 Millionen gewesen sein - versteuerte er wohl ganz zu null. Bei diesem Deal spielten übrigens erneut undurchsichtige Offshore-Klitschen eine Rolle.
Rafael Buschmann, Jürgen Dahlkamp, Stephan Heffner, Christoph Henrichs, Andreas Meyhoff, Nicola Naber, Jörg Schmitt, Alfred Weinzierl, Michael Wulzinger
Ronaldo will dazu nichts sagen; es ist nun Sache der Steuerbehörden, zu überprüfen, ob er ausgesprochen großzügige Sonderregelungen nur ausgesprochen großzügig ausgenutzt hat. Oder ob er gegen Regeln verstoßen hat. Auffällig ist, dass Ronaldos Berater in internen Mails sehr nervös reagierten, wenn es um seine Briefkastenfirma ging. Und fest steht schon jetzt: Ronaldo, ein absoluter Top-Verdiener, der allein von Real Madrid im Jahr 38 Millionen Euro kassiert, hat sich die Finger schmutzig gemacht. Er hat beschlossen, von seinem Reichtum der Allgemeinheit möglichst wenig abzugeben. Zumindest nicht dem Staat, der das Geld der Reichen verteilen soll, damit es auch für das Leben der Armen irgendwie reicht.
Wer sein Geld so professionell und heimlich durch eine Null-Steuer-Oase schleust, wird wissen, was er tut und warum er das tut. An der gesellschaftlichen Verantwortung, die Alltagswelt jener Fans mitzufinanzieren, die ihm sein Sonntagsleben möglich machen, hat Ronaldo deshalb versagt.
Selbst wenn das am Ende nicht strafbar gewesen sein sollte, verdient es doch eine Strafe, und wo das Strafrecht nicht hinreicht, könnte die Fußballgemeinschaft das miese Spiel ahnden. Sie könnte darauf verzichten, ihn zum Weltfußballer des Jahres zu adeln. Es wäre eine Strafe, die Ronaldo tatsächlich zum Nachdenken bringen würde. Und für den Fußball ein Zeichen, dass Fußballspielen nicht alles ist. Dass der Sport, infiziert von Geld, Gier, Größenwahn, doch noch die Kraft und den Willen hat, mehr zu sein als eine Kirmes. Eine gesellschaftliche Instanz, eine Schule der Jugend, ein Wertemodell.
Eine naive Hoffnung? Ach ja, vermutlich. Aber bevor sich alle damit abfinden: Auch das ist Fußball. Oder war es wenigstens mal.