
Debatte über WM-Schiedsrichter Gute Karten fürs Fairplay
- • Schiri-Schelte bei der WM: Pfeifen, patzen, schweigen
- • Deutsche Gruppengegner: Ghana verpasst Sieg gegen zehn Australier
Über die Schiedsrichter zu klagen, ist die leichteste Übung bei einer Fußball-Weltmeisterschaft. Es gehört geradezu zur Folklore einer WM. Die Schiedsrichter seien zu kleinmütig, sie verteilten viel zu schnell Gelbe und Rote Karten, in entscheidenden Spielsituationen träfen sie falsche Entscheidungen.
Alle vier Jahre wieder.
Ein kleiner Querschnitt durch die bisherigen Reaktionen zu den Schiedsrichterleistungen bei dieser WM: "Es macht hier keinen Spaß mehr, Fußball zu spielen." Das sagt Bastian Schweinsteiger, verwarnt gegen Serbien. "Der Schiedsrichter ist Richter, Jury und Henker. Der Typ hat meine WM gekillt." Das sagt der Australier Harry Kewell, vom Platz gestellt gegen Ghana. "Die schlechteste Schiedsrichterleitung seit langem. Ich hoffe, ich muss sein Gesicht nie wieder sehen." Das sagt Südafrikas Trainer Carlos Alberto Parreira über den Schweizer Massimo Busacca. "Es macht keinen Sinn, dass solche Leute WM-Spiele pfeifen. Er sollte lieber in der Wüste Kamele treiben." Das schreibt der Schweizer "Blick" über den saudischen Schiedsrichter Khalil Al Ghamdi. "Die Reihe der das Spiel zerstörenden Schiedsrichter-Entscheidungen bei dieser WM setzt sich fort." Das sagt ZDF-Reporter Béla Réthy.
"Das Niveau aller Schiedsrichter ist sehr, sehr hoch." Das sagt der Chef der Fifa-Schiedsrichterkommission José Maria Garcia-Aranda.
Selbst Hitzfeld giftet gegen die Schiedsrichter
Eine Weltmeisterschaft ist der perfekte Resonanzboden für Ressentiments gegen die Unparteiischen. Das liegt allein schon an der Nominierungspraxis der Fifa: In Südafrika pfeifen Referees aus El Salvador, aus Saudi-Arabien, aus Guatemala, aus Usbekistan, von den Seychellen. Top-Schiedsrichter aus Europa, so die regelmäßig wiederkehrende Kritik, müssen daheim bleiben, weil auch Referees aus der gesamten weiten Fußballwelt zum Zuge kommen sollen. "Bei einer WM sollten nur die besten Schiedsrichter pfeifen, die auch sonst in den großen Ligen pfeifen - und nicht irgendwo am Strand." Das sagt der Schweizer Trainer Ottmar Hitzfeld.
Die beiden Schiedsrichter, über die sich die Fußballwelt bisher am meisten aufgeregt hat, waren die Referees der Partien Deutschland gegen Serbien und Brasilien gegen Elfenbeinküste. Sie kamen aus den europäischen Fußballländern Frankreich und Spanien.
Der Hauptvorwurf gegen die Referees lautet: Die Gelben und Roten Karten sitzen viel zu locker. Es werde viel zu schnell verwarnt, Schiedsrichter agierten mit ihren Karten "wie Revolverhelden mit ihrem Colt", schreibt der Schweizer "Tagesanzeiger". "Man darf nichts mehr machen auf dem Platz. In der Champions League würde man lachen über so etwas. Es gab noch nie so viele Gelbe und Rote Karten", beklagt sich Schweinsteiger.
So sehen die Fakten aus: In der ersten WM-Woche wurden 91 Gelbe Karten verteilt, 3,5 pro Partie. In den vergangenen Turnieren gab es nur 1990 noch weniger Verwarnungen. Spitzenwert bei den Karten erreichte ein anderes Turnier: 2006 in Deutschland. Bei den Platzverweisen ist es ähnlich. Auch da liegt 2006 vorn. Der Wert in Südafrika entspricht exakt dem Level der Turniere von 1990, 1994, 1998 und 2002.
Platzverweise fast nur wegen Fouls
Es gab bislang elf Feldverweise, fünfmal Gelb-Rot, sechsmal glatt Rot. Bis auf zwei Handspiele wurden dabei ausnahmslos Foulspiele geahndet, kein Meckern, kein Ballwegschießen. Genau die Bestrafungen, die im Fußball seit Jahren gefordert werden, um die Offensivspieler vor unfairen Attacken der Verteidiger zu bewahren. Bayern-Präsident Uli Hoeneß hat mal die Diskussion losgetreten, als er den Schutz der Referees für seinen Starspieler Franck Ribéry einforderte, Werder Bremen hat einmal eine ähnliche Debatte angeschoben, als es um die Gesundheit seines damaligen Regisseurs Diego ging.
Als der vermeintliche Skandal-Schiedsrichter Alberto Undiano aus Spanien im Spiel Deutschlands gegen Serbien beinahe jede Attacke von hinten oder der Seite in die Beine des Gegners mit Gelb sanktionierte, hat er im Grunde genau diese Forderung erfüllt: den Schutz der Offensivspieler. Dass der einzige Akteur, der dabei mit Gelb-Rot vom Platz geschickt wurde, mit Miroslav Klose ausgerechnet ein Stürmer war, ist ein bizarrer Nebenaspekt.
Zwei schwere Fehlentscheidungen
Vier Feldverweise bei der WM betrafen echte oder vermeintliche Ellbogenschläge, Attacken, die im Zweikampf in der Vergangenheit zu übelsten Verletzungen geführt haben. Die hässliche Sitte, zu Kopfballduellen mit ausgefahrenen Ellbogen hochzusteigen, war bei dieser WM wieder regelmäßig zu beobachten. Stattdessen herrscht Aufregung, wenn ein Spieler vom Platz geschickt wird, der den Ellbogen einsetzt, aber seinen Gegenspieler dabei nicht voll erwischt. Zerstören die Schiedsrichter, die so etwas ahnden, den Spielfluss? Oder sind die Spieler, die zu solchen Mitteln greifen, die wahren Spielzerstörer?
Es fielen an den ersten zwei Gruppenspieltagen tatsächlich zwei gravierende Fehlentscheidungen. Als der Schiedsrichter Koman Coulibaly aus Mali einem regulären Tor der US-Amerikaner gegen Slowenien kurz vor Schluss aus unerfindlichen Gründen die Anerkennung versagte. Und als der französische Unparteiische Stephane Lannoy das Handspiel des Brasilianers Luis Fabiano vor dessen Tor übersah.
Auf der anderen Seite gab es nach der Hälfte aller absolvierten WM-Spiele bisher kaum eine strittige Elfmeter-Entscheidung. Kein Referee lag bei seinem Strafstoßpfiff daneben. Es wurde kein wirklich folgenschweres Foul im Strafraum übersehen.
In der Bundesliga, wo die mutmaßlichen Top-Schiedsrichter ihrem Job nachgehen, passiert das Wochenende für Wochenende.
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