
United vs. City: Derby-Demütigung in Manchester
Derby-Sieger ManCity Lauter Nachbar auf Meisterkurs
Hamburg - Ziemlich genau 25 Jahre ist Sir Alex Ferguson nun schon als Trainer bei Manchester United, zwölf Mal gewann er mit der Mannschaft die englische Meisterschaft, auch in dieser Saison ist ManUnited Titelverteidiger. Hinzu kommen Dutzende Pokaltitel, zweimal holte Ferguson den Champions-League-Titel.
Auch in dieser Saison lag die Mannschaft schon an der Tabellenspitze, ungeschlagen, alle vier Heimspiele wurde gewonnen, insgesamt waren es bisher sechs Siege aus acht Spielen. Alles lief nach Plan für Ferguson und sein Team.
Doch dann kam der Nachbar zu Besuch - und Ferguson erlebte den "schlimmsten Tag, seit ich bei Manchester United bin". In Zahlen bedeutete das: Ein eigener Treffer, sechs Gegentore und ein Platzverweis im heimischen Old Trafford. Das "Theater der Träume" war die Kulisse eines Alptraum-Nachmittags für ManUnited.
"In der Kabine sind alle sehr beschämt. Aber wir werden reagieren", sagte Ferguson. "Ich denke nicht, dass ich jemals ein Spiel 1:6 verloren habe, auch nicht als Spieler. Das ist auch für mich eine Herausforderung", so der 69-Jährige. Vor 22 Jahren hatte sein Team 1:5 bei Manchester City verloren. Nur ein Gegentor mehr und der Club hätte seine bisherige Rekord-Heimpleite gegen Newcastle United (1:7) aus dem Jahr 1927 eingestellt.
Balotelli in Bestform macht ManCity zum Titelfavoriten
"Ein 1:3 oder 1:4 wäre eine Gnade gewesen", sagte Ferguson. Doch Manchester City war unbarmherzig und vor allem: torhungrig. Als Edin Dzeko nach 70 Minuten in die Partie kam, stand es 3:1 (1:0) für die "Citizens". Der ehemalige Wolfsburger (89./90.+3 Minute) und David Silva (90.+1) machten mit ihren späten Toren den Erfolg für die Gäste perfekt, die nun mit 25 Punkten aus neun Spielen fünf Zähler vor dem Titelverteidiger an der Tabellenspitze stehen.
Entschieden war die Partie allerdings schon vorher, und das lag vor allem an Mario Balotelli. Der Italiener traf zweimal (32./60.) und erzwang eine Rote Karte nach Notbremse für Uniteds Verteidiger Jonny Evans (47.). Maradona-Schwiegersohn Sergio Agüero (69.) erzielte mit seinem neunten Treffer im achten Saisonspiel das dritte City-Tor des Tages. Balotelli traf bereits fünfmal in fünf Spielen, bereits vor dem Derby hatte der 21-Jährige gesagt: "Ich bin mittlerweile glücklich bei Manchester City und ich verstehe mich immer besser mit unserem Trainer."
Das war nicht immer so. Roberto Mancini hatte in der Vergangenheit meist seinen anderen Angreifern den Vorzug gegeben. An spielerischer Klasse mangelte es Balotelli zwar nie, jedoch verging kaum eine Woche, in der er nicht mit einer Eskapade auf sich aufmerksam machte. Im Trainingszentrum soll er mit Dart-Pfeilen auf Jugendspieler geworfen haben. Die "Sun" berichtete vor einiger Zeit, Balotelli habe Strafzettel in Höhe von über 11.000 Euro erhalten, zudem sei sein Maserati 27 Mal abgeschleppt worden. Auf YouTube kursiert ein Video, auf dem Balotelli minutenlang vergeblich versucht, ein Trainingsleibchen anzuziehen, mehr als vier Millionen Mal wurde es bereits aufgerufen.
"Die lauten Nachbarn sind hier"
Mit seiner Bekleidung hatte Balotelli dieses Mal keine Probleme: Nach seinem ersten Treffer zog er sein Trikot über den Kopf, darunter trug er ein T-Shirt mit der Aufschrift "Why always me?" ("Warum immer ich?"). Ob Balotelli mit der Aktion seine Torjäger-Qualitäten hervorheben wollte, ist nicht bekannt, der Angreifer äußerte sich nicht. Gut möglich aber, dass Balotelli auf ein Missgeschick anspielte, das sich in der Nacht vor dem Spiel zugetragen hatte: Beim Abbrennen von Feuerwerkskörpern in seinem Badezimmer hatte ein Handtuch Feuer gefangen, sein Haus brannte teilweise ab, Balotelli verbrachte die Nacht vor dem Spiel im Hotel.
So unberechenbar der 21-Jährige für seine Umwelt ist, er verkörpert die herausragende Qualität, die ManCity zum großen Favoriten auf die erste Meisterschaft nach 43 Jahren macht. Seit Scheich Mansur Bin Sajid al-Nahajan aus Abu Dhabi den Club 2008 übernahm, pumpte der Milliardär Hunderte Millionen Euro, allein 450 Millionen für neue Spieler. Jetzt könnte das Mega-Investment endlich auch Erträge, sprich Titel, abwerfen. Es klang wie eine Drohung an die Konkurrenz, was City-Verteidiger Micah Richards nach der Partie sagte: "Die Leute nennen uns die lauten Nachbarn. Nun ja: Hier sind wir."