Deutschland gegen Argentinien 2006: Elfmetertriumph bei der Heim-WM
Die großen WM-Duelle mit Argentinien
Als die Fäuste flogen
2006, Deutschland: Der Gastgeber gewinnt das WM-Viertelfinale im Elfmeterschießen. Argentinien will das nicht hinnehmen, es geht zur Sache. Mittendrin der damalige DFB-Sprecher Harald Stenger. Was war da los? Der Final-Countdown, Teil 5.
Wir standen beim Elfmeterschießen alle Arm in Arm vor der Trainerbank. Als dann die Entscheidung gefallen war und die deutsche Mannschaft im Halbfinale stand, sind wahrlich alle Dämme gebrochen und wir sind auf den Platz gestürmt. Relativ schnell bemerkte ich aber, dass sich auf der einen Seite ein Konflikt entwickelte. Also bin ich dort hingelaufen und habe gesehen, dass es heftige Auseinandersetzungen gibt. Die Argentinier stürmten in Richtung von Oliver Bierhoff, der sich mit Händen und Worten wehrte. Es dauerte nicht lange, bis Jürgen Klinsmann, Joachim Löw und viele Spieler in diesen Tumult verwickelt waren.
Ich habe mich dann irgendwann schützend vor Bierhoff gestellt, worauf auch ich allmählich von den Argentiniern attackiert wurde. Schon nach wenigen Sekunden wurde mir klar, dass es möglicherweise nicht mehr lange dauert, bis ich selbst einen Schlag abbekomme und nicht mehr auf den Beinen stehen kann. Just in diesem Moment kam einer unserer privaten Sicherheitsmänner und hat quasi die Front zwischen den Argentiniern und Bierhoff verbreitet und stabilisiert. Wir standen beide mit ausgebreiteten Armen da und haben versucht zu schlichten.
Studio Stenger
Ich habe in der ganzen Hektik den Argentiniern, allen voran Gabriel Heinze, mehrfach mit deutlichen Gesten gezeigt, sie mögen doch zurückgehen und sich beruhigen. Doch es gab einfach keine Ruhe, sie waren fuchsteufelswild. Ich geriet dabei von außen gesehen in Schieflage, was bis heute Bilder von mir mit nach vorne fliegender Krawatte zeigen. Aber während die Argentinier mich oben gestenreich beschimpften, haben sie mir unten gegen die Beine getreten. Das war wie ein Dreschflegel, der gegen die Wade knallt.
Ich kann bis heute nicht sagen, was der Auslöser für diese Auseinandersetzung war. Es wurde unter anderem danach gesagt, dass Tim Borowski von den Argentiniern nach seinem Elfmeter wüst beschimpft worden sei und dann eine abfällige Handbewegung gemacht habe. Aber das war in dem Moment der Entscheidung eigentlich schon abgehakt.
Serie: Die WM-Duelle zwischen Deutschland und Argentinien
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Dramen, Titel und hässliche Tritte: Der Klassiker Deutschland gegen Argentinien hat große WM-Geschichten geschrieben. Bereits sechs Mal trafen die beiden Nationalteams bei Weltmeisterschaften aufeinander, zweimal sogar im Finale. Im legendären Maracanã-Stadion von Rio de Janeiro kommt es nun zum erneuten Showdown. In einer Serie stellt SPIEGEL ONLINE bis zum Anpfiff am Sonntag um 21 Uhr alle Duelle vor.
Die WM stand damals bekanntlich unter dem Motto "Die Welt zu Gast bei Freunden", aber in diesem Spiel sind wir nicht als Freunde auseinandergegangen. Die Erregung legte sich nur langsam, bis uns dann doch recht schnell bewusst wurde, dass dieser Tumult nebensächlich ist und die Freude über den Einzug ins Halbfinale das ist, was uns wirklich bewegt.
Zum Tumult gehört aber auch die Nachricht, dass Nationalspieler Torsten Frings anschließend von der Fifa für eine Tätlichkeit gegen Julio Cruz gesperrt wurde - und das aufgrund von TV-Material, das von italienischen Medien an die Fifa lanciert worden war. Auf dem Weg zum Halbfinalspiel in Dortmund erreichte die Mannschaft die Nachricht.
Just als wir in Dortmund landeten und das Handy wieder einschalteten, kam die Meldung, dass Frings gesperrt ist. Ich habe mich damals mit Torsten, der bis heute ein guter Kumpel ist, unterhalten und versucht, ihn zu trösten. Aber das war sicherlich eine ganz schwierige Situation. Es war nichts mehr zu ändern und wir alle mussten nach vorne schauen.
Die Vorbereitung auf das Halbfinale gegen Italien stand im Vordergrund, und daher haben alle im Team bei allem Ärger gesagt: Wir lassen uns jetzt von dieser Sperre nicht irritieren oder beeinträchtigen. Trotz allem schwebt diese Diskussion natürlich noch immer über diesem Spiel. Auch wenn man nicht sagen kann, ob wir mit Frings im Finale gestanden hätten oder nicht.
Am Sonntag werde ich in meiner Videokolumne "Studio Stenger" zum letzten Mal von dieser Schlägerei in Berlin 2006 erzählen. So interessant diese Geschichte auch sein mag - irgendwann ist einfach alles gesagt.
Stengers Tipp für das Finale
"Nach der Leistung gegen Brasilien ist die deutsche Mannschaft der klare Favorit. Aber die Argentinier sind unberechenbar, deswegen tun sich alle gut daran, sich auf dieses Spiel zu konzentrieren und Messi und seine Mitstreiter nicht zu unterschätzen."
6 BilderDeutschland gegen Argentinien 2006: Elfmetertriumph bei der Heim-WM
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Nach dem dramatischen Elfmeterschießen im Viertelfinale der WM 2006 kam es zu einem Eklat, als Spieler der Albiceleste den deutschen Abwehrspieler Per Mertesacker attackierten. Sie verwechselten ihn mit Tim Borowski, der nach seinem Elfmeter angeblich eine provozierende Geste in Richtung der Argentinier gemacht hatte. Der damalige Sprecher der DFB-Auswahl, Harald Stenger (vorne links), ist mittendrin.
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In der regulären Spielzeit hatte Argentiniens Abwehrspieler Roberto Ayala zunächst getroffen. Jens Lehmann erreichte den Ball nicht mehr. Miroslav Klose traf später zum Ausgleich.
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Im Elfmeterschießen wurde Lehmann zum Helden - auch dank seines Spickzettels, auf dem die Ecken standen, in die Argentiniens Schützen zielen würden.
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Tim Borowski freut sich nach seinem verwandelten Elfmeter. Der eingewechselte Mittelfeldspieler war einer der Matchwinner. Er bereitete Kloses Ausgleichstreffer vor und traf vom Punkt sicher. Allerdings soll er auch den Konflikt mit ausgelöst haben.
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1:0-Schütze Ayala scheiterte im Elfmeterschießen an Lehmann. Seinen Schuss in die rechte untere Ecke hielt der damalige Keeper des FC Arsenal sogar fest.
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Nach einer weiter Lehmann-Parade konnte sich die DFB-Auswahl über den Erfolg und damit den Einzug ins Halbfinale freuen.