
DFB-Torhüter: Kuscheln in der Warteschleife
Neuer-Konkurrenz beim DFB Löws Zoff-Vermeidungsstrategie
Am Samstag in Warschau wird es wieder das vertraute Bild auf der deutschen Ersatzbank geben. Dort werden Roman Weidenfeller (alt) und Ron-Robert Zieler (jung) Platz nehmen und zuschauen, wie Kollege Manuel Neuer beim EM-Qualifikationsspiel in Polen (20.45 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE; im TV: RTL) seinen Torwart-Job erledigt.
Neuer, Weidenfeller, Zieler - die Hierarchie der deutschen Torhüter scheint seit der Weltmeisterschaft in Beton gegossen. Um die Nummer eins muss es ohnehin keine Debatte geben. Manuel Neuer ist Anwärter auf das Ehrenamt des Weltfußballers 2014, er war in der engsten Auswahl bei der Kür von Europas besten Fußballern, seine Leistung bei der Weltmeisterschaft in Brasilien ist mit "überragend" noch zurückhaltend umschrieben. Niemand hätte Grund und Absicht, ihn in irgendeiner Weise infrage zu stellen.
Aber dahinter ist eigentlich viel mehr offen, als es der DFB mit seinen kontinuierlichen Nominierungen von Weidenfeller und Zieler suggeriert. "Hinter Neuer tobt der Achtkampf", hat der "Kicker" etwas martialisch in dieser Woche getitelt, aber in der Sache hat das Magazin recht. Gute Torleute - das hat immer schon zu Deutschland dazugehört, es ist fast schon ein deutsches Klischee wie Graubrot oder Bier nach dem Reinheitsgebot. Aber eine solche Fülle an sehr guten jungen Keepern wie derzeit hat es lange nicht gegeben.
Neun Top-Leute für einen Job
"Die Tür ist nicht zu", hat Torwarttrainer Andreas Köpke betont und allein sechs Schlussmänner aufgezählt, die der Bundestrainer und sein Stab zusätzlich im Auge haben: Marc-André ter Stegen (FC Barcelona), Kevin Trapp (Eintracht Frankfurt), Bernd Leno (Bayer Leverkusen), Ralf Fährmann (Schalke 04), Oliver Baumann (1899 Hoffenheim) und Timo Horn (1. FC Köln). Neun Keeper für einen Posten - da muss es in Sachen DFB-Ambitionen zwangsläufig Enttäuschungen geben.
Marc-André ter Stegen hat sie schon erlebt. Der junge Gladbacher, der im Sommer zum großen FC Barcelona gewechselt ist, hat mehrfach seine Chance im DFB-Dress erhalten, "seine Länderspiele waren dann allerdings nicht so prickelnd", sagt Köpke in ungewöhnlicher Deutlichkeit. Der 22-Jährige ist fußballerisch vielleicht der beste deutsche Torwart, besser wohl noch als Neuer. Dennoch sind ihm immer mal wieder unerklärliche Patzer passiert. Unvergessen, wie er im Testspiel gegen die USA im Rahmen der Amerikareise einen Rückpass ins eigene Tor passieren ließ. Dass er beim FC Barcelona vorerst über die Rolle des Reservisten nicht hinauskommt, verbessert seine Chancen nicht.
Anderen wie Leno oder Fährmann hat es bisher aber auch nicht geholfen, dass sie über Monate als Nummer eins ihrer Vereine konstant gute Leistungen gebracht haben. Am Ende wurde dann doch immer wieder der Hannoveraner Zieler in den Kader berufen.
Joachim Löw hat in seinen Anfangsjahren beim DFB hautnah miterlebt, welchen Zündstoff es birgt, zwei einigermaßen gleichwertige ehrgeizige Torleute im Kader zu haben. Der Konkurrenzkampf zwischen Oliver Kahn und Jens Lehmann hat auch in der Nationalmannschaft über Jahre für Unruhe gesorgt, die Entscheidung von Löws damaligem Chef Jürgen Klinsmann, Lehmann zur Nummer eins für die Heim-WM 2006 zu machen, war der Aufmacher in Nachrichtensendungen.
Von Zieler geht keine Gefahr für das Betriebsklima aus
Löw hat danach immer versucht, solche Konflikte aus der Mannschaft herauszuhalten, wenn es irgend möglich war. Das ist der Hauptgrund für seine Kontinuität in der Torwartfrage, die nur begrenzt das Leistungsprinzip widerspiegelt. Zieler ist ein ruhiger Vertreter, der hochzufrieden mit seiner Rolle als Nummer drei in Deutschland ist. Keiner, der wie Leno oder ter Stegen mit höheren Ambitionen zur Nationalmannschaft anreist. Zwist, Eifersucht, ungesunde Rivalität - das weiß Löw mittlerweile - sind von Zieler nicht zu erwarten.
Und Weidenfeller? Er wäre bei der Europameisterschaft beinahe 36 Jahre alt: "Die EM wäre ein guter Abschluss für ihn", sagt Köpke und hat damit quasi schon die EM-Nominierung des Dortmunders abgenickt. Für Weidenfeller sind die Nationalmannschaftseinsätze ein spätes Karriereglück. Er muss niemandem noch etwas beweisen. Dass er an Neuer nicht vorbeikommt, weiß er. Seine Rolle hat Torwarttrainer Köpke denn auch schon allumfassend beschrieben: "Er hält im Hintergrund die Jungs zusammen." Weidenfeller, so scheint es, ist der Herbergsvater der Nationalmannschaft. Seine ernsthafte Chance bekommt er frühestens dann, wenn Neuer bei einem seiner Ausflüge außerhalb des Strafraums dann doch mal wegen einer Notbremse des Feldes verwiesen wird.
Leno, Fährmann, Baumann, ter Stegen, Trapp, Horn - sie alle sind überdurchschnittlich gute Torleute. Aber beim DFB werden sie warten müssen. Vermutlich noch sehr lange.