DFB-Niederlage gegen Mexiko Ausgekontert

Jérôme Boateng
Foto: PATRIK STOLLARZ/ AFPZwischen Bundestrainer Joachim Löw und Bundeskanzlerin Angela Merkel sind oft Parallelen gezogen worden. Am Ende dieses aus deutscher Sicht so missratenen Abends setzte Löw in dieser Hinsicht noch einen drauf.
Er beendete die Pressekonferenz nach der 0:1-Auftaktniederlage gegen Mexiko mit einem Satz, der bewusst oder unbewusst sehr stark an Merkels berühmtestes Statement erinnerte: "Wir werden das schaffen."
Leichte Zweifel sind allerdings erlaubt, wenn man die Leistung seines Teams gegen die Mexikaner Revue passieren lässt. Der Weltmeister wirkte zeitweilig, als wollte er den statistischen Titelverteidiger-Fluch der vergangenen Turniere partout fortsetzen.
Die Mannschaft wirkte kraftlos, vor allem aber ideenfrei. In der zweiten Hälfte, als sich der Gegner komplett zurückgezogen hatte, wurde zwar vor dem mexikanischen Strafraum hin- und herkombiniert, aber das meiste versandete im Nichts. Löw sagte: "Das war so nicht geplant." Das zumindest möchte man ihm sofort glauben.
Mexiko hat seinen Plan vollständig durchgesetzt
Beim Gegner dagegen war der Plan vollständig aufgegangen. "Wir hatten diesen Plan seit sechs Monaten im Kopf", sagte Coach Juan Carlos Osorio. Das Konzept, mit den schnellen Flügelspielern die deutsche Abwehr zu überlaufen und schnelle Konter zu setzen, ging gerade in der ersten Hälfte vollständig auf. Der Rest war das Verteidigen der Führung mit Mann und Maus.
Das deutsche Team wirkte von dieser Taktik überrascht. "So wie heute haben wir die Mexikaner bei keinem Spiel gesehen", sagte DFB-Manager Oliver Bierhoff, und auch Thomas Müller sagte, man habe "die Mexikaner etwas anders erwartet". Die Kontertaktik habe man so nicht vorhergesehen.

DFB-Pleite gegen Mexiko: Der entzauberte Weltmeister
Am Ende hatte der Bundestrainer fünf Angreifer auf dem Platz, aber das, was deutsche Teams dem Klischee nach auszeichnet, fehlte beinahe vollständig: die Durchschlagskraft. Erst ganz spät im Spiel, als die Mexikaner am Ende ihrer Kraft waren, ergaben sich zwei gute Torgelegenheiten. Das war reichlich wenig. Zu wenig an diesem Abend.
"Wir hatten gerade in der ersten Hälfte wahnsinnig viele Ballverluste, mussten daher lange Wege gehen, haben in der Vorwärtsbewegung viele Fehler gemacht", sagte Löw bei der anschließenden Analyse - und es klang wie eine Wiederholung seiner Mängelbeschreibung aus den vergangenen Testspielen. "Die Balance stimmt schon seit mehreren Spielen nicht", sagte auch Außenverteidiger Joshua Kimmich. Warum sein Team sich immer wieder diese Ballverluste erlaube, eine aber ansonsten doch so ballsichere Mannschaft sei, wurde Löw gefragt. Er konnte die Frage nicht wirklich beantworten.
Kein Mannschaftsteil hat überzeugt
"Wir müssen alle jetzt wieder aufstehen und unsere Lehren daraus ziehen", bewegte sich der Coach am Rand der Durchhalteparole. Egal, welchen Mannschaftsteil man herausgriff - am Sonntag brachte fast niemand seine gewohnte Leistung. Thomas Müller hing in der Offensive durch, Sami Khedira fand keine Struktur und wurde früh ausgewechselt, selbst Mats Hummels und Jérôme Boateng, ansonsten ein Synonym für Verlass, fanden keine Sicherheit.

Deutschland in der Einzelkritik: Kimmich ist noch kein Lahm
Immerhin konnte man nach den Aufregungen der Vorwochen festhalten: An Mesut Özil lag es zumindest nicht. Der Mittelfeldspieler war noch der bemühteste in der Mannschaft, schleppte zahlreiche Bälle von hinten nach vorne. Dass er beim Gegentor als Innenverteidiger aushelfen musste, sprach eher gegen seine Teamkollegen.
Wenn man die beiden Teams an diesem Abend mit Etiketten aus der Mottenkiste des Reportersprechs bedenken wollte, dann spielten die Mexikaner aufopferungsvoll, die Deutschen dagegen eher pomadig. Und hätte der Gegner seine Konter teilweise nicht so schlampig ausgespielt, wäre die Niederlage noch höher ausgefallen. Der Bundestrainer sagte zwar, seine Elf habe in der zweiten Hälfte "alles nach vorn geworfen", aber es fehlte der Mannschaft das innere Feuer. Zeitweilig wirkte sie tatsächlich so, wie man es Titelverteidigern zuschreibt: müde. Und das im ersten Spiel.
Am Samstag gegen Schweden in Sotschi geht es jetzt schon ums sportliche Überleben. Löw kündigte bereits an, dass er "jetzt nicht alles über den Haufen schmeißen" werde: "So was machen wir schon mal gar nicht. Wir halten an unserer Linie fest." Es werde allerdings "Korrekturen" geben, und das kann auch personelle Änderungen bedeuten. Spieler wie Khedira oder Draxler dürften um ihre Startelfplätze bangen.
Ob er denn jetzt fürchte, als möglicher Gruppenzweiter im Achtelfinale schon auf Brasilien zu treffen, wurde Löw von einem Journalisten gefragt. "Über das Achtelfinale mache ich mir noch überhaupt keine Gedanken," sagte der Bundestrainer. Das ist nach diesem Abend sehr vernünftig.
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Deutschland - Mexiko 0:1 (0:1)
0:1 Lozano (35.)
Deutschland: Neuer - Kimmich, Boateng, Hummels, Plattenhardt (79. Gomez) - Khedira (60. Reus), Kroos - Müller, Özil, Draxler - Werner (86. Brandt)
Mexiko: Ochoa - Salcedo, Ayala, Moreno, Gallardo - Herrera, Guardado (74. Márquez) - Layun, Vela (58. Álvarez), Lozano (66. Jiménez) - Hernández
Schiedsrichter: Faghani (Iran)
Gelbe Karten: Müller, Hummels / Moreno, Herrera
Zuschauer: 78.000